abberline schrieb:Das seltsame ist ja auch, dass nie irgendeineim Zeugen irgendwas auffiel, nichts in Fraukes Vergangenheit, niemand sah irgendwas während der oder die Täter abends nochmal eine Runde drehten, um die Telefonate durchführen zu können. Beim Pub, beim Ablageort.
Zu der Umgebung des Pubs und des Nachhausewegs: Dort hatte niemand etwas Auffälliges beobachtet, das auf eine gewaltsame Entführung hindeutete.
Das reichte der Polizei in der unmittelbaren Zeit nach ihrem Verschwinden, und sie ging damals davon aus, dass FL freiwillig in die Nieheimer Gegend gefahren sei und dort die 1. SMS freiwillig verfasst hätte. Sie zweifelte damals ohnehin an einem Verbrechen, und sah sich endgültig darin durch die Anrufe bestärkt, die ihr als Lebenszeichen genügten.
Wenn aber FL am Pub oder auf ihrem Nachhauseweg freiwillig in das Auto eines ihr flüchtig (z. B. über gemeinsame Freunde) bekannten Täters gestiegen wäre, der sie angeblich hätte nach Hause fahren wollen, hätte es am Pub oder auf dem Nachhauseweg
Spuren des Täters geben müssen, die allerdings völlig unauffällig gewesen wären.
Der Täter hätte dort irgendwo auf FL warten müssen, und wäre sehr wahrscheinlich von irgendwelchen Leuten wahrgenommen worden. Aber niemand findet einen in einem Auto sitzenden oder herumschlendernden Mann auffällig. Das hätte sich jedoch
schlagartig mit dem Wissen geändert, dass an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt eine Entführung stattgefunden hat.
Ein öffentlicher Zeugenaufruf für FLs Nachhauseweg kurz nach ihrem Verschwinden hätte nach meiner Ansicht auf solche - zunächst als vollständig belanglos wahrgenommenen - Spuren des Täter führen können.
Aber
einen solchen Zeugenaufruf gab es nicht, weil die Polizei die 1. SMS als freiwillig einschätzte und deshalb glaubte, FL habe PB freiwillig verlassen.
Ohne diese 1. SMS hätte sich die Polizei auf den Nachhauseweg konzentriert, und nach meiner Vermutung liegt das Motiv für diese 1. SMS in der Absicht des Täters, die Polizei von jenen Spuren abzulenken und auf eine völlig falsche Fährte zu führen. An den Orten, wo die Polizei aufgrund der 1. SMS nach FL und dem Täter suchte, fand sie jedenfalls trotz allen Aufwands keine Spuren.
Wenn der Täter FL in ihr Versteck gebracht hätte und dann in die Nieheimer Gegend gefahren
wäre (zeitlich würde das sehr gut passen), hätte diese 1. SMS für den Täter einen relativ geringen Aufwand, aber eine enorme Wirkung bedeutet.
redsherlock schrieb:Oder auch sehen, dass gewisse Spuren damals/bisher nicht weiter verfolgt wurden.
Das glaube und hoffe ich auch. Die damaligen Ermittlungen konzentrierten sich ja auf FLs engeren und weiteren Freundeskreis, aber blieben bei aller Gründlichkeit erfolglos.
Wenn FL das zufällige Opfer eines ihr völlig fremden Täters geworden wäre, könnte man wohl nur hoffen, dass eine Person aus seinem engsten Umfeld Informationen preisgeben oder er, wie
@Maja2 schrieb, im Zusammenhang mit einem anderen Verbrechen entlarvt würde.
Aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass FL den Täter flüchtig kannte und er irgendwelche oberflächlichen Kontakte zu ihrem Freundeskreis hatte.
Ich finde es ausgesprochen merkwürdig, dass der 1. Anruf mit weiteren Telefonaten fortgesetzt wurde. Warum hat sich der Täter nicht mit diesem Lebenszeichen und FLs Versicherung begnügt, es gehe ihr gut und sie käme bald nach Hause?
Zwar lieferten die anderen Telefonate weitere Lebenszeichen, aber zugleich sorgten sie mit den nicht angehaltenen Rückkehrankündigungen für große Angst bei den Angehörigen. Allerdings nicht bei der Polizei, die ohnehin große Zweifel an einem Verbrechen hatte, und der ein oder zwei Lebenszeichen reichten.
Das aber konnte der Täter
eigentlich nicht wissen, denn in den Medien wurde von einer solchen Einschätzung nichts erwähnt und es war in einem Entführungsfall auch nicht die Bekanntgabe einer Fahndung zu erwarten. Wissen konnte es der Täter nach meiner Einschätzung nur, wenn er
andere Informationsquellen hatte - und da kommen nach meiner Ansicht nur Kontakte zu FLs Freundes- und Bekanntenkreis in Frage.
Damals wäre es völlig unverdächtig gewesen, sich bei ihnen nach Fortschritten in der Suche nach FL zu erkundigen, und die Antworten wären ganz simpel und eindeutig ausgefallen: Man ärgerte sich sehr, weil die Polizei von einem freiwilligen Verschwinden ausging und keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen sah.
Hätte der Täter nicht über dieses Wissen verfügt, wären seine weiteren Fahrten in die Gewerbegebiete zwecks Telefonaten
äußerst riskant gewesen.
Was hätten ihm weitere Lebenszeichen von FL genutzt, wenn er bei dieser Gelegenheit gefasst worden wäre?
Und diese Gefahr wäre - ohne das Wissen um die eingestellten polizeilichen Ermittlungen - sehr, sehr groß gewesen.
Der 1. Anruf war zwar ein Lebenszeichen, aber gleichzeitig ein deutlicher Hinweis, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Es wäre überhaupt nicht auszuschließen gewesen, dass die Polizei sich für die Inhalte dieser Gespräche interessiert und eine Aufzeichnung veranlasst hätte, die dann von Experten überprüft worden wären.
Nach meiner Überzeugung hätte sich dann die Einschätzung der Polizei radikal geändert und es wäre eine Fahndung mit allem Drum und Dran eingeleitet worden. (Es ist doch bezeichnend, dass es bei der Aufnahme intensiver Ermittlungen nach dem Leichenfund bei der Kripo keine Zweifel gab, dass FL zum Zeitpunkt der Gespräche bereits Opfer einer Entführung war. Und das auch ohne Aufzeichnungen, nur durch die Gedächtnisprotokolle.
Es war nach meiner Meinung zwar verständlich, aber leider - aus heutiger Perspektive - auch sehr fatal, dass sich die Polizei unmittelbar nach FLs Verschwinden mit den Anrufen als bloßes Lebenszeichen begnügte, ohne sich weiter für ihren sehr bedenklichen Inhalt zu interessieren.)
Der Täter lieferte mit den weiteren Anrufen jedenfalls sehr gute Anhaltspunkte für eine Fahndung. Alle fanden in Gewerbegebieten mit einer auffällig guten Anbindung an die B64 statt. Wenn man sich die Karte ansieht, hätten relativ wenige markante Punkte ausgereicht, die man z. B. mit Kameras hätte bewachen können - um nur eine Möglichkeit zu nennen.
Die Orte, von denen telefoniert wurde, waren sehr gut ausgewählt, um den Erfolg einer
späteren Ermittlung zu minimieren. Aber wäre die Polizei schon in den ersten Tagen von einem Verbrechen ausgegangen und hätte sie sich alle vorhandenen Funkzellendaten beschafft (was alles
ohne weiteres möglich gewesen wäre), hätte der Täter spätestens beim letzten Telefongespräch gefasst bzw. entlarvt werden können.
Der Täter, der offensichtlich sehr überlegt vorging, weshalb er bis heute nicht gefasst werden konnte, sollte ein derartiges Risiko eingegangen sein?
Das ist mir nicht vorstellbar, und deshalb bin ich inzwischen überzeugt, dass er sich entsprechende Informationen über FLs Freundes- und Bekanntenkreis beschaffen konnte, was damals sicher niemand verdächtig gefunden hätte.
Wenn es damals Beobachtungen des Täters auf FLs Nachhauseweg gab, sind sie inzwischen seit langem vergessen. Aber hier sehe ich einen möglichen Ansatzpunkt für neue Ermittlungen: durch Fragen an FLs Freunde und Bekannte, wer damals - während und nach der Entführung - den Kontakt zu ihnen intensivierte und sich regelmäßig (ohne mit FL befreundet zu sein) nach FL und den Ermittlungen erkundigte. Voller "Anteilnahme" und "Betroffenheit" natürlich. Darunter werden auch völlig harmlose und ehrliche Menschen gewesen sein, aber nach meiner Vermutung eben auch der Täter.