Der Yogtze-Fall
22.09.2020 um 03:55
Ein weiterer Gedanke zu folgendem Szenario: Wenn man den vermeintlich toten Herrn Stoll auf die Autobahn legen will, um eine absichtliche oder unabsichtliche Tat an ihm durch Überrollen von weiteren Fahrzeugen zu verdecken und seinen Suizid nach dem Unfall zu insinuieren, darf er auf dem Transport zum fingierten Unfallort nicht sein eigenes Auto vollbluten - das würde im Fall eines nicht unfälligen Geschehens mit notfälliger Verbringung zur nächsten Klinik auffallen. Der Herr Stoll sollte dann ja von wirklich Wahnsinnigen und sozial schwerst Gestörten als wahnsinniger Suizident dargestellt werden.
Dann durfte in seinem Auto kein Blut von ihm gewesen sein. Das hätte der in diesem Fall zu insinuieren geplanten Märchengeschichte widersprochen.
Wenn er in seinem Auto zum Unfallort transportiert würde, müsste man eine flüssigkeitsdichte Folie unterlegen.
Sollte der ursprüngliche Plan ein anderer gewesen sein als ihn in ein Krankenhaus zu bringen, würde vergleichsweise wenig Blut auf dem Beifahrersitz auffindbar sein. Vielleicht zu wenig Blut für die notwendigerweise verstrichene Zeit von der letztmöglichen Auffahrmöglichkeit zur Unfallstelle plus der Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes. Wenn aber eine flüssigkeitsdichte Folie in das Auto des Herrn Stoll verbracht worden sein sollte, wurde sie entweder im Fahrzeug gefunden oder fortgeschafft.
Ist sie im Fahrzeug gefunden worden, stellte sich die Frage, warum die zum Unfall hinzugekommenen Polizeibeamten nicht misstrauisch wurden. Diese Möglichkeit halte ich auch aus diesem Grund für abwegig. Eine derartige Folie müsste zudem auch von den Unfallhelfern bemerkt worden sein - egal an welcher Position im Auto.
War (mit Bitte um Verzeihung an Herrn Stoll selig: zu) wenig Blut auf dem Beifahrersitz, muss mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit eine Folie oder ein sonstiger flüssigkeitsdichter Gegenstand weggeschafft worden sein - oder der Herr Stoll wurde mit einem anderen Fahrzeug zum Unfallort gebracht. Letzteres wäre entweder über die A45 - übrigens auch mit einem deutlich schnelleren Fahzeug als Herrn Stolls Golf - oder über die parallel verlaufende Kattenohler Straße möglich gewesen. Vorausgesetzt, der Unfallort war - wie weiter oben im Faden beschrieben - tatsächlich gegenüber dem heutigen Parkplatz Waterhövel. Weiter vorne hätte man bis zu etwa 100 m über Felder laufen müssen, deutlich weiter hinten hätte man - so das Schild damals schon stand - keinen Sichtposten positionieren können beziehungsweise dessen Signale (Licht oder Schall) nicht sicher empfangen können. Funksignale wären jedoch möglich gewesen.
Ein weitere Möglichkeit des Heranführens mit einem weiteren Fahrzeug wäre die zweite Annäherung der Kattenohler Straße an die A45, wo sie zum "Im Stollen" wird. Dort hätte man auf der Brücke "ln der Asmecke" einen Sichtposten positionieren können, mit dem Risiko, dass dieser durch herannahenden Verkehr abgelenkt wird. Um drei Uhr nachts erscheint dies unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Sehr unwahrscheinlich erscheint die Möglichkeit einer Heranführung mittels weiterem Fahrzeug an der Stelle, wo die Straße "Im Deipenbrink" sich der A45 nähert. Hier scheint nur eine gewisslich neueren Datums erbaute Mautbrücke in geeigneter Nähe für einen Sichtposten zu sein, die 1984 mit Sicherheit noch nicht stand. Unbeschadet dessen hätte man einen Funkposten positionieren können.
Die beidennzuletztgenannten Möglichkeiten erscheinen widersinnig: Da mehrere hintereinanderfahrende LKW zur Verwirklichung dieses Planes am besten geeignet erscheinen und der vermeinliche Leichnahm des Herrn Stoll bei Durchführung dieses Plans auf die Straße geschafft werden musste, nachdem sein Fahrzeug plaziert wurde, wäre möglichst viel Zeit wünschenwert. Je größer die Distanz zur letzten Auffahrmöglichkeit, desto besser.
Die Pläne kompromittieren könnte ein - bei damaliger Verkehrsdichte um diese Uhrzeit eher selten auftretendes - mit normaler Geschwindigkeit fahrendes Fahrzeug. Der Fahrer könnte eine fingierte Unfallstelle sehen. Diese könnten jedoch gegebenenfalls (fingierten) Verkehrskontrolle kontrolliert werden. Gefährlich könnte ein schnelles Fahrzeug sein, das "zu schnell" für eine Kontrolle ist. Die Maximalgeschwindigkeit in Deutschland wird meines Wissens durch die Zulassungsgeschwindigkeit der Reifen limitiert. Diese lag in meiner Kindheit und Jugend meiner Erinnerung nach im Strßenverkehr maximal bei 360km/h. Bei dieser Geschwindigkeit sieht man keine Stopp-Kelle, aber auch kein unbeleuchtetes Fahrzeug im Gehölz.
Von so einem Geschoss wollte man selbst aber eher nicht getroffen werden - eine Vorwarnung wäre wünschenswert. Dafür eignet sich im Vor-Handy-Zeitalter ein Sichtposten, der einen größeren Streckenabschnitt überblickt. Dieser würde bei Sichtkontakt mit den LKWs sein Signal geben und vom Verkehrsschild absteigen - die letzten Meter müsste er springen. Dabei könnte er sich weh tun. Diese Person hätte etwa 500m bis zum Unfallort laufen müssen und wäre nach meiner Theorie eventuell die letzte Anwesende Person aus dem Täterkreis am Unfallort gewesen. Man hätte für diese Aufgabe eventuell die schnellste, aber dafür schmächtigste Person gewählt. Ein guter Läufer braucht 60 Sekunden auf 500m, ein LKW legt in dieser Zeit 1,5 km zurück. Wer die Sichtweite hat, kann ausrechnen, wie viel Zeit einem theoretischen Täter beim Erreichen des Unfallortes noch bleibt. Könnte sein, es wird weniger, wenn er sich beim Abstieg verletzt.
Eine Möglichkeit des Scheiterns eines Planes, einen überrollten Herrn Stoll durch mindestens ein weiteres Fahrzeug überrollen zu lassen wäre bei Unterlegen einer flüssigkeitsdichten Folie, dass der Herr Stoll gezielt oder ungezielt größere Antragungen von Blut in seinem Fahrzeug verursacht hat. Auch könnten durch unbemerkte Undichtigkeiten Blutspuren in das Fahrzeug gelangen. In diesen Fällen wäre der Plan kompromittiert gewesen. Deshalb scheint es bei zwei Fahrzeugen - der Herr Stoll wurde nicht von seinem Fahrzeug überrollt - und geplantem Handeln weitaus wahrscheinlicher, dass der Herr Stoll mit einem weiteren Fahrzeug an den Unfallort transportiert wurde.
Erratum: Gestern schilderte ich den Weg von der Raststätte Kaltenborn nach Hagen Süd über die angrenzende Straße als "immer geradeaus". Das wäre aber vom Parkplatz Brunsbecke korrekt, von dem ich nicht weiß, ob es ihn 1984 schon gab oder ob er -wie von Parkplatz Waterhövel weiter oben im Faden behauptet- noch gar nicht angelegt war.
Von Kaltenborn aus wäre der Weg deutlich komplexer.
Die Weg von den beiden Autobahnbrücken zwischen Lüdenscheid Nord und der Raststätte Kaltenborn sah ich mir auf google maps dutzendfach an. Die Strecke von Kaltenborn nach Brunsbecke bis gegenüber Waterhövel ebenso. Von Brunsbecke und Waterhövel weiß ich aber nicht, ob es sie 1984 schon gab. Also durchdachte ich meine Erwägungen von Kaltenborn her. Den Weg zwischen Kaltenborn und Brunsbecke hatte ich gestern anders in Erinnerung als er auf google maps ist. Da es sich um alte Straßen handelt, die noch liebevoll benamt wurden, nehme ich an, es gibt sie in diesem oder nahezu identem Verlauf schon weitais länger als seit 1984.
Ermittlungsansätze:
Neben den schon angeführten Ansätzen mit den nachmitternächtlichen Verkehrskontrollen durch eventuelle im Dienst befindliche uniformierte Helfer fielen mir weitere Möglichkeiten ein:
In dem Szenario mit Transport der vermeintlichen Leiche von der parallel verlaufenden Straße zum insinuierten Unfallort Autobahn wäre das Risiko der Entdeckung durch (eventuell motorisierte) Passanten gegeben. Man könnte dieses Risiko unauffällig kontrollieren durch Menschen mit Polizei- THW- oder Feuerwehruniform, die sagen, die Straße sei wegen eines Unfalles auf der angrenzenden Autobahn gesperrt für eventuell notwendige Rettungs- bzw. Bergungsarbeiten.
Interessant wäre dieser Umstand, wenn jemand aus diesem Grund angehalten worden wäre, eine Sperrung der Straße aber gar nicht offiziell erfolgt sein sollte. An so einen Umstand könnte man sich auch heute noch erinnern können: Das BAB-Rätzel ist außergewöhnlich, wer deswegen umgeleitet wurde, weiß das vielleicht heute noch. Auch könnten sich hierzu Hinweise in eventuell noch vorhandenen Unterlagen ergeben - falls es Zeugen gibt, die von so etwas berichten.
An Feuerwehleute und Ähnliches hätte damals eventuell keiner gedacht. Zu dieser Zeit gab es jedoch viele Kräfte, die Wehrersatzdienst bei Feuerwehr, THW und Rotem Kreuz leisteten. Sie mussten über , meiner Erinnerung nach, 5 bis 10 Jahre eine bestimmte Anzahl Stunden erbringen und hatten dafür teilweise Zugriff auf Einrichtungen, Fahrzeuge, Schlüssel und Material. Da auch nachts um drei ein Einstaz möglich wäre, könnte eine vorgebliche Überprüfungsfahrt dokumentiert worden sein - bei fehlenden Einträgen gab es wohl großen Ärger (laut Berichten aus den 90ern). Gelegentliche, dokumentierte nächtliche Fahrten, beispielsweise zur Rettung alkoholisiert in den Graben gefahrener Menschen ohne Aufsehen, wurde in den 90ern aber wohl mancherorts toleriert.
Von Interesse wären hier eventuell auch fehlende Seiten oder Einzelbände, sofern die Dokumentation in Buchform erfolgte - wenn diese überhaupt so lange aufbewahrt werden.
Mit diesem Wissen könnte man versuchen, mögliche Kontakte zu anderen möglichen Beteiligten zu ermitteln.
Im Fall von Funkverbindungen können ungewöhnliche Signale um den Unfallzeitpunkt aufgefangen worden sein - damals, gegen Ende des Kalten Krieges, wurde der Funkverkehr sehr genau überwacht. Aus diesem Grund tendiere ich zu Licht- oder Schallsignalen. Im Falle uniformierter und im Dienst befindlicher Helfer können auch ungewöhnliche oder korrigierte Funksprüche beziehungsweise Funksprüche über Beginn einer Verkehrskontrolle über Dienstkanäle als Signal von Belang sein - heute noch von Interesse wäre der Signalgeber. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass das nich überprüft wurde. Aber wer weiß. Und vielleicht gibt es heute noch Aufzeichnungen.
Auch hektische Zugriffsversuche auf diese Aufzeichnungen wären interessant.
Bei geäußerten Verdächtigungen wäre eine direkte Tatbeteiligung mit Spuren der Verdächtigten äußerst unwahrscheinlich: Das wäre aufgefallen bei den umfangreichen Ermittlungen. Eventuelle Spuren wären von anderen zu erwarten. Hinweise auf derartige Verbindungen können auch heute noch unerklärliche Zahlungen, aufgrund der verstrichenen Zeit inzwischen eventuell über Bankkonten, sein. Hohe Bargeldabhebungen könnten - in Verbindung mit Handydaten (auch Mörder vergessen mal was, können aber auch gezielt falsche Fährten legen)- ebenso Hinweise liefern.
Da der oben geschilderte Tatplan nahezu militärische Genauigkeit erfordert und es möglich erscheint, dass er sich - bei stattgefundenen Ermittlungen in alle Richtungen - als Möglichkeit so oder ähnlich in den Akten findet, werden auch Beziehungen von zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Tatortes tätiger Polizisten in die Region des Täters (Siegerland und ganz Mittelhessen) untersucht worden sein. Aufgrund der damals weitaus deutlicheren Militarisierung der Republik wären damalige Kontakte zu Mitgliedern uniformierter Streitkräfte unauffällig. Aufgrund der damaligen Wehrdienstbefreiung von Polizisten und Feuerwehrkräften scheint im Szenario mit Beteiligung von Polizeikräften ein Kennenlernen im Rahmen des Wehrdienstes sehr unwahrscheinlich. Andere Möglichkeiten im Rahmen von z.B. Jugendfreizeiten (kirchlich, Vereine) bleiben ebenso möglich wie Bekanntschaften in der "Partyszene", beispielsweise entlang der A45.
Eventuell könnte der Kern der Täter militärischen Hintergrund haben. Eine weitere Möglichkeit, wo genaue Planung von Aktivitäten wie im vorliegenden Fall stattfinden, wäre organisiertes Verbrechen. Weitere Möglichkeiten sind wahrscheinlich, fallen mir jedoch gerade nicht ein.
Damals vielleicht eher übersehen worden wären bei so einer grausamen Tat Frauen.
Staatsdiener jeder Art wahrscheinlich ebenso. Der vorliegende Fall könnte eine Ausnahme sein.
Triva: Auch wenn ich hier nicht recht habe: Es wäre wünschenswert, an möglichst allen derartigen Stellen an Autobahnen möglicherweise nur fingernagelgroße Kameras (sic:Plural!) zu platzieren, deren Daten nur bei Unfällen und nur von einer Mordkommission nach richterlichem Beschluss ausgewertet werden. Sollte jemand den von mir theoretisch durchdachten Plan jemals ausführen, wäre es schön, man erwischt ihn möglichst am nächsten Tag, noch mit den spurendurchsetzen Klamotten im Wäschesack und nagelt den seinen stante pede an die Wand.
Nochmals: Meine Überlegungen hatten zum Ziel, eventuell verwertbare Ermittlungsansätze zu erheben. Hierfür war meine Überlegung, wie der Herr Stoll ohne Wahnsinn nackt in die Rabatten verunfallen konnte. Aufgrunddessen suchte ich zunächst einen Grund, warum ich mich sinnvollerweise nachts ausziehen und vor ein Auto, liegend oder stehend, begeben könnte. Der Rest der Szenarien ergab sich beim Durchdenken der Frage "Wohin mit der Leich?" Die mir abwegigsten Gedanken habe ich nicht dokumentiert - die Geschichte, die herauskam, wäre dennoch zu surreal für Filmschaffende und Romanschreiber, fürchte ich.
Ob sie nur eine Gedankenreise auf google und google maps ist, können nur aktuell aktive Ermittler anhand der ihnen zugänglichen Akten beurteilen
I'm so blue :(