Aber gut, ich schreib mal die Dinge nieder, die zumindest MICH haben aufhorchen lassen, als ich den XY-Beitrag ansah:
1. Positivsymptomatik
Wahn:
•Vorstellung, andere Menschen würden sich gegen einen verschwören, versuchen, einen zu schädigen oder zu verfolgen (was Stoll konkret mehrfach gegenüber seiner Frau erwähnte)
Kann auch reale Hintergründe haben Eindeutiger Beweis für Wahn: nein
• Überzeugung, Fernsehgerät oder Radio würden einem Signale oder Botschaften zusenden (während des Fernsehens sei die Aufzeichnung des Worts YOGTZE erfolgt, vielleicht hat er da ne Botschaft empfangen *gg*)
Wie wo wann hat er von Botschaften aus dem Fernseher berichtet? Du widersprichst dir ja auch selbst:
Stoll sitzt von außen als "apathisch" wahrnehmbar im Sessel, ist weit weg mit seinen Gedanken, nicht mehr erreichbar für die Beruhigungen durch seine Frau.
Für eine Botschaft aus dem Fernseher gibt es keine Hinweise, denn dazu müsste man ja auch konzentriert auf den Fernseher gucken. Viel spricht aber für Grübeleien, das Verhalten am Esstisch und das Verhalten, bevor er yogtze schrieb. Eindeutige Beweise für Wahn: keine.
• Sonderbare oder zwanghafte religiöse Vorstellungen (warum sucht ein erwachsener Mann mitten in der Nacht eine arme, alte, besonders religiöse Dame auf, um ihr zu erzählen, dass er eine fürchterliche Vorahnung habe?)
Weil er sie seit seiner Kindheit kennt und das Religiöse für ihn nebensächlich ist? Oder, weil er sich, aus einer realen Angst heraus, Gedanken zum Jenseits macht. Für “sonderbare oder zwanghaft religiöse Vorstellungen“ gibt es keinen Hinweis. Beweis also für Wahn: nein
Übrigens ist dieses von dir geschilderte “Symptom“ ein gutes Beispiel dafür, wie man sich eine Theorie, von der man überzeugt ist, hinbiegen kann. Gerade hier wird deutlich, dass die von dir postulierte Symptomatik reininterpretiert wurde.
2. Negativsymptomatik
Affektive Auffälligkeiten
Stoll erscheint in seinem Verhalten fahrig, jedoch berichtete seine Frau, dass er am Abend etwas "apathisch" im Sessel saß. Die Schilderungen der Ehefrau, dass er nie konkret auf ihre Fragen antwortete, deutet für mich zumindest auf eine gewisse emotionale Unerreichbarkeit hin. Er war unbeeinflussbar in seiner Angst, was für eine emotionale Hyperreagibilität sprechen könnte, wie es für akut psychotische Menschen üblich ist.
Ich halte Stolls Verhalten nicht für fahrig (inwiefern war er fahrig?), sondern für nachvollziehbar aufgrund von Grübeleien. Ich sitze auch oft mit der Familie zusammen und denke über etwas nach. Und äußere Gedanken, die für die anderen mit einer momentan anderen Gedankenwelt aus dem Zusammenhang gerissen scheinen. Für emotional auffällig halte ich mich trotzdem nicht :-D. Stoll hat seiner Ehefrau vielleicht nichts Konkretes gesagt, weil er sich von ihr unverstanden fühlte. Er hatte große Angst, aus welchem Grund auch immer. So oder so war die Bedrohung für ihn real. Insofern reagierte er auch nicht emotional übermäßig stark - sondern von den Gegebenheiten her nachvollziehbar. Affektive Aufälligkeiten daher: ja (Angst). Ist für mich aber kein Beweis für eine Erkrankung.
Konzentrationsmangel
Stoll springt mitten am Abend auf, plärrt, dass ihm ein Licht aufgehe, kurvt zur Kneipe, kurvt wieder weg, kurvt zu Hellfritz, kurvt wieder weg, kurvt nicht nach Hause, sondern kurvt noch weiter weg - Spricht für mich dafür, dass Stoll kaum bis wenig fokussiert war, keine Kohärenz zwischen Denken und Handeln vorhanden sowie ihm planerisches Handeln (wozu Konzentration vonnöten ist) nicht möglich war.
Stoll handelte durchaus planvoll: Er plante die Fahrt zur Kneipe, er fuhr zur Kneipe, er plante die Fahrt zu Frau Hellfritz, er fuhr zu Frau Hellfritz. Ich würde auch nicht in Seelenruhe mein Bier weitertrinken, wenn ich grade vom Stuhl gefallen bin und mich verletzt habe, das wäre mir irgendwie peinlich... Nach Frau Hellfritz gabs für ihn vielleicht keinen geeigneten Ansprechpartner mehr. Da er sich wohl zu Hause keine Erleichterung verschaffen konnte, fuhr er vielleicht einfach los, z.B. um sich abzulenken.Vielleicht hat er ja sein Bier doch noch irgendwo bekommen... Konzentrationsmangel oder planloses Verhalten daher: kein Beweis.
3. Denkstörungen
Stoll war, wie seine Frau es angab und durch ihre Schilderungen deutlich wurde, nicht in der Lage, adäquat auf ihre Fragen zu antworten bzw. einzugehen. Sicherlich machen viele Menschen oft nur Andeutungen, wenn sie über etwas bestimmtes nicht sprechen wollen, aber Stoll tut etwas, das man "Zerfahrenheit" und "Danebenreden" nennt. Er antwortet nicht, sondern sagt einzelne, in Bezug auf die Frage zusammenhanglose Sätze, die in keiner Weise je konkretisiert wurden, wie z.B. Ach, lass mich, da sind halt so'n paar Typen, oder: geht dich nix an - ja, selbst das wäre eine Konkretisierung - zu der Stoll nicht in der Lage war. Inhaltliche Denkstörungen sind oft wahnbedingt, d.h., das, was Psychotiker niederschreiben oder sagen, ergibt für einen Außenstehenden keinen Sinn, weil es lediglich im Wahnsystem des Betroffenen Sinn macht. Und genau SO verhält es sich ja - auch 30 jahre später noch - mit dem Wort YOGTZE
Hatte Stoll Wahnvorstellungen, dann hatte er auch Denkstörungen, denn das ist eigentlich ein Oberbegriff. Für soche Denkstörungen muss es Hinweise geben - mehrfach übertrieben falsches Denken oder mehrfache falsche Interpretation von realen Dingen. Das ist hier aber Interpretationssache...Zerfahrenheit konnte ich ja nicht beobachten, s. o. Danebenreden: Stoll hat m.M. n. inhaltlich nachvollziehbar auf die Fragen der Ehefrau geantwortet, wenn auch nicht konkret. Das ließe sich auch mit Vorsicht gegenüber der Ehefrau erklären, die immer beschwichtigte. Meine These: Stoll hätte gar kein Gegenüber gebraucht, er hätte auch mit sich selbst sprechen können, was er vielleicht z. T. sogar gemacht hat. Die beschwichtigenden Fragen der Ehefrau waren vielleicht sogar lästig, wurden aber vielleicht aus Höflichkeit kurz beantwortet. Denkstörungen daher: kein klarer Beweis.
4. Ich-Störungen
Derealisation, Depersonalisierung, Dissoziation
Stoll sitzt von außen als "apathisch" wahrnehmbar im Sessel, ist weit weg mit seinen Gedanken, nicht mehr erreichbar für die Beruhigungen durch seine Frau. Er kippt in der Kneipe völlig unmotiviert vom Stuhl, was mich eher an eine Dissoziation, ggf. einen stuporösen Zustand denken lässt.
M. M.n.: Stoll grübelt, die Beschwichtigungen seiner Frau werden für ihn unteressant. Oder würdest du auf die immer gleichen Fragen und Bemerkunkungen immer wieder antworten? Ich finde, DIES wäre psychisch auffällig :-D.
Dissoziation? So kurz und einmalig? Stupor? Da erinnert man sich an das Ereignis. Ich tippe eher auf stark erhöhten Blutdruck und Kreislaufkollaps. Eine Bekannte hatte mal ein ähnliches Erlebnis, Diagnose eindeutig Kreislaufkollaps. Sie konnte sich nachher an nichts mehr erinnern. Ich-Störungen daher: kein Beweis
Fazit für mich aus allem Obigen: Nix Genaues weiß man nicht... Ich finde es aber immerhin beachtlich, welche große Anzahl unterterschiedlicher Art von “Psychose-Symptomen“ du in deinem Psychosekorb angesammelt hast *gg*.