@InMemoriam Gute Fragen! - ich versuche es einmal:
InMemoriam schrieb:Was war der Plan dabei?
Im folgenden möchte ich zunächst darstellen, was
meines Erachtens der Plan gewesen sein könnte. Anschließend werde ich versuchen, die unterschiedlichen Varianten des Innentäter-Szenarios darzustellen:
A: Der Plan - Was kann ein Erpresserschreiben (und zwar nach der Tat/dem Tod von JonBenét)?1. Es erklärt das Verschwinden von JonBenét. Andere Ursachen für das Verschwinden werden unmittelbar ausgeschlossen.
2a. Es motiviert mit Nachdruck dazu, die Polizei nicht zu verständigen.
2b. Es legitimiert (rechtlich/moralisch), die Polizei nicht zu verständigen.
3. Wenn 2a und 2b funktionieren, verschafft es Zeit, um die Leiche verschwinden zu lassen.
Meines Erachtens muss man sich, um den Plan zu verstehen, fragen, was ist eigentlich 'schief gelaufen'? Ob man nun einen außenstehenden Täter annimmt, der tatsächlich eine Entführung vorhatte, oder davon ausgeht, der Täter sei von innen gekommen, in beiden Fällen kollidieren zwei Umstände der Tat, die entweder die Entführung oder das Cover up als Entführung vereitelten:
1. Die Leiche des Kindes verblieb im Haus.
2. Ein Erpresserschreiben wurde gefunden, in dem das Gegenteil behauptet wurde.
'Schief gelaufen' ist demnach, dass die Leiche im Haus verblieb. In beiden Szenarien würde der Täter also nicht mehr die Gelegenheit gehabt haben, die sterblichen Übereste der kleinen JonBenét aus dem Haus zu schaffen.
Was kann dafür der Grund gewesen sein? - In dem Szenario, in dem der Täter aus dem Haus kam, wäre diese Frage leicht zu beantworten:
Es würde für eine/-n der beiden Ramseys schlicht unmöglich gewesen sein, das Haus (mit oder ohne Leiche) in der Nacht/in den frühen Morgenstunden zu verlassen, ohne mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei von der/dem anderen bemerkt oder vermisst zu werden. Würde er daraufhin zurückgekommen sein und das Kind wäre/bliebe verschwunden, dann wäre ein Verdacht nicht zu verhindern gewesen. -
In einem Eindringlings-Szenario ist die Frage, sehr viel schwieriger zu beantworten, denn,
der Eindringling würde das Haus ohnehin verlassen haben. Wieso sollte
er die Leiche dabei zurückgelassen haben? - Während sich
darüber bestenfalls spekulieren ließe (manche/-r nennt immer wieder "vielleicht" 'plötzliche Angst', 'Zeitmangel' oder 'kein Interesse mehr' als Ursachen), gibt es dafür, wieso eine/-r der Ramseys die Leiche nicht bereits in der Nacht/am frühen Morgen aus dem Haus geschafft haben würde, handfeste Gründe!1. Zwischenfazit - Was ging schief, was war der Plan: 1. Offensichtlich war es nicht beabsichtigt, dass der Leichnam der kleinen JonBenét im Haus gefunden wurde.
2. Die Verbringung der Toten an einen anderen Ort war dem Täter in der Tatnacht nicht möglich.
3. Das Erpresserschreiben sollte daher einen zeitlichen Vorsprung verschaffen, um die sterblichen Überreste des Kindes zu einem späteren Zeitpunkt unbemerkt aus dem Haus zu schaffen.
4. Offensichtlich wurde die Polizei früher verständdigt, als es der Plan vorgesehen hatte.
Schlussfolgerung: Meines Erachtens macht der Plan des Stagings/Cover ups - vor allem das Erpresserschreiben - nur dann einen Sinn, wenn man als 'Adressat' dieses Schreibens nicht die Polizei sondern eine/-n der beiden (erwachsenen) Ramseys vermutet. Die oder der andere würde in diesem Fall als Autor/-in des Schreibens gelten müssen.
Der Plan wäre in diesem Szenario gewesen, dem jeweils anderen Ehepartner a) das Verschwinden von JonBenét zu erklären, b) den Partner davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen und c) sich Zeit zu verschaffen, um die Leiche aus dem Haus zu schaffen und damit das Entführungsszenario zu plausibilisieren. Der Plan scheiterte, weil die Polizei verständigt wurde und weil die Leiche daher noch im Haus war, als die Ermittlungen bereits begonnen hatten.Im folgenden nun zur Zusammenfassung der verschiedenen mehr oder minder populären Varianten des Innentäter-Szenarios:
B: Das Tatgeschehen - Was geschah, bevor es einen Plan gab?Anders als im Fall eines 'Intruders', würde man im Szenario eines Innen-Täters nicht von einer geplanten Tat ausgehen müssen. Im Gegenteil, die unterschiedlichen Abläufe des Verbrechens in dieser 'Kategorie' stimmen mehrheitlich darin überein, dass der Tod der kleinen JonBenét nicht beabsichtigt war. Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
I. Patsy tötet JonBenét versehentlich in Wut (bedwetting rage).
II. John tötet JonBenét versehentlich in Zusammenhang mit dem durch ihn verübten sexuellen Missbrauch seiner Tochter.
III. Burke tötet JonBenét versehentlich in Wut (Streit).
Diez.T. seltener oder sehr selten beschriebenen Varianten der Szenarien I-III, die eher eine absichtliche Tötung in Betracht ziehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Ia. Patsy ermordet JonBenét aufgrund von Wahn (sehr selten).
IIa. John ermordet JonBenét aus sexuell motivierter Mordlust (sehr selten).
IIb. John ermordet JonBenét, um seinen sexuellen Missbrauch an ihr zu verdecken (häufiger).
IIIa. Burke ermordet JonBenét aus (sexuell motivierter) Mordlust (selten).
IIIb. Burke verletzt JonBenét versehentlich und ermordet sie schließlich aus (sexuell motivierter) Mordlust (selten).
Eine erhebliche Komplikation dieser Szenarien (I-IIIb) ergibt sich dadurch, dass bei Formulierungen wie "tötet" oder "ermordet" nicht zwingend zwischen den beiden unterschiedlichen, bereits für sich allein genommen tötlichen Verletzungen (Hirnverletzung und Strangulation), unterschieden wird. Häufig wird zur Vereinfachung auf die Differenzierung verzichtet. Es gibt aber auch Szenarien, die beide Verletzungen auf elaborierte Weise miteinander verknüpfen, indem sie den unterschiedlichen Verletzungen unterschiedliche Tätern zuordnen. Diese Szenarien lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
IV. Einer der drei verbliebenen Ramseys hat JonBenét im Rahmen eines akzidentellen Geschehens die Hirnverletzung beigebracht. Schließlich haben Patsy oder John oder beide gemeinsam die Strangulation vorgenommen, um
IVa. die Tötung zu vollenden oder/und
IVb. die Tat eines "sadistischen Sexualverbrechers" vorzutäuschen.
Die letzte Variante (IVb) zeichnet aus, dass die Tötungsweise hier einen Teil des Cover ups darstellt.
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Was geschah also, bevor es einen Plan gab? - Welches der hier zusammengefassten Szenarien (I-IVb) besitzt welche Plausibilität? Ich habe in diesem Beitrag versucht, a) zu beantworten, welchen Plan es gegeben haben mag (bzw. was schief gelaufen ist und wieso der Plan scheiterte) und b) gleichzeitig eine Diskussion darüber anzustoßen, welches Geschehen stattgefunden haben könnte, bevor überhaupt ein Plan gefasst wurde. Ich würde mich nun über Beiträge von euch zu beidem freuen:
Haltet ihr den oben skizzierten Plan für plausibel oder welche Einwände habt ihr und welches der Szenarien (I-IVb) (im Rahmen einer Innentäter-Annahme) haltet ihr - und aus welchen Gründen - für das Wahrscheinlichste bzw. welche weiteren möglichen Abläufe, die hier nicht berücksichtigt wurden, möchtet ihr ergänzen?