Als ich hier
Beitrag von Bouster1973 (Seite 2.471)zum ersten Mal das Video "100 Jahre Hinterkaifeck: Videofilm mit Expertengesprächen" des Donaukuriers mit dem Interview mit Johnny Noack (ab 33:15) gesehen habe, hat es mich fast vom Stuhl gehauen. Von Johnny Noack habe ich da überhaupt zum ersten Mal etwas gehört. Man kann es eigentlich nicht glauben: da behauptet einer, er hat Aufzeichnungen, die die Lösung dieses Falles größtenteils beinhalten aufgrund des Erwerbs eines Notizbüchleins des Kommandoführers Ernst Friedrich Mehnert mit dessen Lebensbeichte und hält dieses unter Verschluß.
Mein erster Gedanke war, wohl auch hervorgerufen durch das mit Verlaub etwas überhebliche Auftreten von Johnny Noack im Interview, dass er dieses spezielle Detail mit dem Notizbüchlein des Mehnert erfunden hat, auch wenn die vielen historischen Informationen rund um Mehnert und dessen Funktionen während und nach des 1. Weltkrieges wohl stimmen dürften.
Zum Glück habe ich mich nicht spontan entschlossen, dazu etwas zu schreiben sondern die Geschichte erstmal sacken lassen. Inzwischen habe ich auch das Büchlein "Nicht nur ein Mord" von Mathias Petry gelesen, in dem die Mehnert-Geschichte auch mit verarbeitet wird und auch im WiKi verschiedene Informationen dazu gefunden, die mich die Sache in einem anderen Licht sehen lassen.
An dem Notizbüchlein des Ernst Friedrich Mehnert scheint tatsächlich etwas dran zu sein. Denn in der Schlittenbauerchronik1 im WiKi ist hier
https://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Schlittenbauerchronik1:_06zu lesen, dass Johnny Noack selbst vor elf Jahren Kontakt mit dem jüngsten Sohn des Lorenz Schlittenbauer aus dessen 2. Ehe, also mit Alois Schlittenbauer, aufgenommen hat und ihm die Überlassung von Kopien der entscheidenden Seiten des Notizbüchleins versprochen hat, aus denen sich dann ergeben soll, dass Lorenz Schlittenbauer mit den Morden nichts zu tun hat, sondern das Ganze eine misslungene bzw. aus dem Ruder gelaufene Kommandoaktion war, um Andreas Gruber als Erpresser der Reichswehr auszuschalten.
Dennoch möchte ich hier meine ursprünglichen und mittlerweile teilweise revidierten Gedanken zu Johnny Noack mitteilen, vielleicht hat sich ja jemand schon mal ähnliche Gedanken gemacht:
Mein erster Gedanke zu der Noack-Version war, dass die nicht stimmen kann. Die Leichen in der Scheune wurden alle übereinander gelegen und mit einer Türe abgedeckt gefunden, da war meine Meinung, dass sowas nur allernächste Beziehungstäter machen, quasi aus schlechtem Gewissen. Aber in der Schlittenbauerchronik1 siehe oben hat Johny Noack das nachvollziehbar erklärt, dass diese Vorgehensweise tatsächlich von Soldaten im 1. Weltkrieg so praktiziert wurde, um feststellen zu können, ob getötete Gegner auch wirklich tot waren oder sich durch etwaige Bewegungen noch als lebend zu erkennen gegeben hätten und man dann reagieren musste. OK, das klingt glaubwürdig.
Noack schreibt in den Briefen an Alois Schlittenbauer (Schlittenbauerchronik1 aaO), dass die Schilderung der Tötung der Familie Gruber/Gabriel in dem Notizbüchlein des Mehnert "nichts für schwache Nerven" sei. Von Petry wird in seinem Buch "Nicht nur ein Mord" diese Geschichte nur insoweit mit eingebaut, als er davon ausgeht, dass die Soldaten des Kommandos lediglich Cilli Gabriel mehr oder weniger "unbeabsichtigt" als Kollateralschaden getötet hätten. Hier würde man sich wirklich wünschen, dass Johnny Noack den Inhalt des Notizbuches zur Verfügung stellt.
Johnny Noack hat ca. 1997 einen Ausflug mit seinen berittenen Kameraden der "Patrouille Verte" in die Tatortgegend gemacht und dabei nach seinen Angaben in einem Stadel in Taiting bei Friedberg die Leichen der beiden auf der Flucht nach der Hinterkaifeck-Aktion getöteten Soldaten mit Bodensonden gefunden (siehe Schlittenbauerchronik1 aaO). Ich habe dazu aber im internet nichts gefunden, diese Sache müsste doch damals auch an die Öffentlichkeit gekommen sein.
Ich bin durchaus ein Befürworter der Militäraktion-Theorie und der Theorie, dass in Hinterkaifeck ein Waffenlager gewesen sein kann. Dazu fiel mir wieder die Geschichte ein, wie vor höchstens sechs Jahren auf dem Dachboden der Zweigstelle unseres Gerichts, die sich in der Burg einer oberbayerischen Kleinstadt befindet, der neue Geschäftsleiter Handgranaten gefunden hat, die hundert Jahr lang dort rum lagen. Historiker haben dazu herausgefunden, dass diese Handgranaten aus der Zeit des 1. Weltkrieges stammten und eben dort versteckt wurden, um die Ablieferung von Waffen an die Entente zu vermeiden.
Was mich aber bei der ganzen Geschichte immer noch irritiert ist das Verhalten des Johnny Noack. Er erklärt, dass er das Notizbuch des Ernst Friedrich Mehnert nicht veröffentlichen kann, um dessen noch lebende Nachfahren zu schützen. Natürlich kann man das verstehen. Aber wenn in dem Notizbuch wirklich die Einzelheiten der Hinterkaifeck-Morde geschildert werden, was wiegt dann schwerer: die noch lebenden Nachfahren des E. F. Mehnert zu schützen oder endlich eine jahrzehntelang (dann unschuldig) angeschwärzte Familie (Schlittenbauer) zu rehabilitieren?
Johny Noack sagt dazu, er könne nicht in Hinterkaifeck eine Baustelle zu machen und dafür im Elsaß (wo scheinbar die Nachfahren leben) eine neue Baustelle aufmachen. Ja, auch das kann man verstehen.
Aber hier wäre es doch nur folgerichtig, dass diese Entscheidung nicht Johnny Noack trifft, der sich auf diese Weise zum Hüter der Wahrheit und oberste Instanz in dieser Sache erhebt, sondern er diese Entscheidung den Nachfahren des Ernst Friedrich Mehnert überlassen müsste. Hier könnte Johnny Noack jetzt entgegnen, er hätte ja bereits die Nachfahren des Ernst Friedrich Mehnert hierzu gefragt und diese hätten eine Veröffentlichung abgelehnt. Das bleibt unbefriedigend. Denn niemand könnte dies überprüfen, nachdem ja die Mehnert-Nachfahren außer ihm niemand kennt. Außerdem sagt Noack in dem Interview des Donaukuriers dazu, dass der den Nachfahren nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, nämlich dass Mehnert der Kommandoführer war, sondern dieser lediglich in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bei einer Militäraktion in HK mitgewirkt hat.
Kritisch angemerkt muß auch werden, dass Johnny Noack sich in dem genannten Interview selbst widerspricht:
Er sagt, seiner Meinung nach sei der Zweck des Verfassens der Ereignisse in Hinterkaifeck im Notizbuch so eine Art Lebensbeichte, die natürlich nur ein Teil des Lebens von Mehnert sei, um das es in diesem Notizbuch auch noch geht. Mehnert habe auf diese Weise seinen Kindern diesen unrühmlichen Teil seines Lebens aufschreiben und beichten wollen, weil er sich nicht getraut hat, es ihnen zu Lebzeiten zu sagen. Und diese Lebensbeichte will Johnny Noack nun den Nachfahren des Ernst Friedrich Mehnert vorenthalten? Spätestens hier kann ich dann die Haltung von Johnny Noack nicht mehr verstehen.
Sicher: beim Beweis der Wahrheit würde dann zwar eine neue Baustelle laut Noack eröffnet (natürlich mit Einverstädnis der Mehnert-Nachfahren), damit aber eine jahrzehntelange Hexenjagd auf Unschuldige (Schlittenbauer) beendet und letztlich Gerechtigkeit erreicht, da die Nachfahren des Ernst Friedrich Mehnert ja persönlich unschuldig sind. "Eine Baustelle" wird es immer geben, aber dann wenigstens die richtige.
Bei all dem muß ich auch noch kurz loswerden, dass ich nicht glaube, dass Lorenz Schlittenbauer der Täter war. Ca. eine Woche vor den Morden hat Lorenz Schlittenbauer sein erstes Kind, das er mit seiner zweiten Ehefrau gehabt hat, im Säuglingsalter beerdigen müssen. In so einer Situation dürfte er zu niedergeschlagen gewesen sein, um zu so etwas fähig zu sein.
Ich höre schon die Gegner, die sagen: ja - gerade dann weil er sein erstes Kind mit seiner 2. Ehefrau verloren hat, hat der den Gruber/Gabriels dieses Familienleben mit dem kleinen Josef Gabriel nicht gegönnt und gerade deswegen ist er ausgerastet. Das kann ich mir aber nicht vorstellen.
Mein Hauptproblem bleibt aber Johnny Noack und warum er das Mehnert-Notizbuch nicht rausrückt ......