fassbinder1925 schrieb:Wobei man relativierend sagen muss, dass es auch in Deutschland nicht automatisch als minderschwer eingestuft wird, wenn es in einer Beziehung passiert, da diese im Gegensatz zu schweren Fällen nicht genau definiert sind. Auch im konkreten Fall, wird das nur ein Punkt von mehreren gewesen sein, in dem Fall wahrscheinlich der lang zurückliegende Tatzeitpunkt, der zu einem minderschweren Fall geführt hat.
Ich hatte ja vor einiger Zeit geschrieben, dass ich die Gesetzeslage in Frankreich gut finde, nach der eine Vergewaltigung in einer Partnerschaft als besonders schwer eingestuft wird. Dazu stehe ich weiterhin, weil ich es so sehe, dass da eine Vertrauenssituation ausgenutzt wird, was ich besonders verwerflich finde. Für mich haben die Partner in einer Partnerschaft auch irgendwie so etwas, wie eine gegenseitige Garantenstelle, was juristisch (zumindest in Deutschland) nicht so gesehen wird, aber ich finde schon, dass man in einer Partnerschaft/Ehe ein besonderes Interesse daran haben sollte, dass es dem partner gut geht, dass man Übel von ihm fern hält und ihn/sie unterstützt wo immer möglich. Und da finde ich eine Vergewaltigung schon eine besonders schwerwiegende Grenzüberschreitung.
Im muss aber gleichzeitig auch einräumen, dass ich die Rechtssprechung hier auch irgendwie nachvollziehen kann. Denn hier ist es offensichtlich ja zu mehreren Vergewaltigungen gekommen, die erst nach längerer Zeit angezeigt wurden. Und da tue ich mich eben auch schwer, eine Partnerschaft trotz so eines Vorfalls aufrecht erhalten wird, das sogar wiederholt vorkommt und die Partnerschaft trotzdem weiter gelebt wird.
Ich weiß um toxische Beziehungen, psychische und materielle Abhängigkeiten etc. aber, ich sehe es schon irgendwie so, dass jeder auch selbst für sich verantwortlich ist. Aber wenn das Opfer trotz der Vergewaltigung an der Beziehung festhält, dann kann ich irgendwie nachvollziehen, dass man juristisch sagt, dann kann die Vergewaltigung nicht so schwerwiegend gewesen sein.
Ich will das gar nicht in Relation setzen, weil das natürlich alles sehr individuelle Empfindungen sind, aber wenn eine Frau von einem wildfremden Mann unter Gewalt zum Sex gezwungen wird, sich danach vielleicht nochgjahrelang ekelt, sich nicht mehr traut, alleine vor die Tür zu gehen, dann kann ich nachvollziehen, dass man juristisch sagt, dass das schon als schwerwiegenderen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung zu sein scheint, als wenn eine Frau vom Partner zum Sex gezwungen wird und danach weiter mit ihm in einer Wohnung lebt und wahrscheinlich danach auch zu verchiedenen Zeitpunkten freiwillig sexuellen Kontakt hat.
Malli schrieb:Na ja, 1. weiß man doch gar nicht, wie hilfreich der eigenen Fall noch sein kann und 2. macht ein Opfer das auch einfach oftmals, um das Geschehene besser zu verarbeiten und seinem Fall ein Gesicht zu geben. Warum soll ich den an mir verübten Missbrauch unter die Decke kehren? Er ist genau so wichtig, wie all die anderen Missbrauchsfälle und verdient es, gehört zu werden.
Es gibt sehr viele Gründe das zu tun. Es geht auch immer darum, ob das beweisbar ist. Nur weil D.P. ein (wahrscheinlich) überführter Sexualstraftäter ist, muss eine Vergewaltigung durch ihn trotzdem mit gleicher Beweiskraft nachgewiesen werden wie in jedem anderen Fall von Vergewaltigung. Man muss als Opfer trotzdem den ganzen Prozess der Beweisaufnahme, Befragung und Untersuchung zunächst durch die Ermittler und dann später vor Gericht über sich ergehen lassen; vor Gericht kommt hinzu, dass man sich die oft erniedrigenden Argumente und verletzenden Fragen der Gegenseite gefallen lassen muss.
Das hat nicht nur was mit schämen zu tun, oder dass es einem peinlich ist. Sondern auch damit, ob man sich selbst das zutraut, zu ertragen und zu überstehen, wie viel Angst man hat, weitere seelische Verletzungen zugefügt zu bekommen und wie viel Sorge man hat, dass etwas, was man vielleicht schon lange tief in sich verschüttet hat, brutal wieder aufgerissen wird. Und dass alles für einen ungewissen Ausgang, der eben auch so aussehen kann, dass diese eine spezielle Tat nicht beweisbar oder nicht mal so überzeugend darlegbar ist, dass keine Restzweifel bleiben.
Anwältinnen, die sich auf die Verteidigung von Opfern sexueller Gewalt spezialisiert haben, diskutieren mit ihren Mandantinnen vor einer Anzeige sehr ausführlich, ob sie überhaupt eine Anzeige erstatten wollen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie ihnen nicht glauben, sondern es geht darum, der Frau (oder auch dem Mann, denn es gibt auch Männer die Opfer sexualisierter Gewalt werdden) vorab zu erklären, was danach passiert, wie die Abläufe, welchen Prozeduren sie ausgesetzt sein wird und auch wie hoch die Chancen auf eine Verurteilung sind. Nur so kann jemand für sich sinnvoll entscheiden, ob er sich das antun will oder nicht. Und ich habe Verständnis für jedes Opfer, dass sich entscheidet, keine Anzeige zu stellen, auch wenn es dadurch Sexualstraftätern natürlich leicht gemacht wird, weitere solcher Taten zu begehen.