cododerdritte schrieb:Zu denken, sie hätten dabei vor allem daran gedacht, dass sie, bei einer Annahme der Befangenheit, selber den Job hätten machen müssen, worauf die, weil es schon selbst genug zu tun, einfach keinen Bock gehabt hätten, oder daran, dass sie ihrer lieben Kollegin und Duzfeundin Aßbichler einfach nur keinen hätten reinwürgen wollen, ist einfach naiv. Die wissen ganz genau, dass die Ablehnung hieb- und stichfest begründet sein muss.
Ich weiß nicht, ob der Gedanke so naiv ist, vielleicht wäre er eher pragmatisch.
Ohne lang nachgedacht zu haben, würde ich ja die Ablehnung des Befangenheitsantrages befürworten, wenn dann die Folgen – sprich dass man mit dem Vorsitzenden nach Belieben kommunizieren kann – auch konsequent durchsetzbar ist. Das würde einen andere Verhandlungskultur sein, man würde Anträge von StA/Nebenklage/Verteidigung gleich besprechen und die Vorsitzende hilft dann gleich mit, die entsprechend zu formulieren, für die Transparenz des Verfahrens wäre das sicher ein großer Vorteil. Da würde dann viele Formalismen entfallen, denn wenn man geschafft hätte, einen Antrag zusammen mit der Richterin zu formulieren, dann wäre das doch alles Bestens. Und dann besprechen auch noch alle Prozessbeteiligten ihr Plädoyer gleich mit der Vorsitzenden. Alle wären gleichgeschaltet, alle auf dem aktuellen Stand, es gäbe keinerlei Geheinisse, alles bestens, Friede, Freude, Eierkuchen.
Hierzu ein Hinweis, der das notwendig erscheinen ließe:
Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat der Bürger vor Gericht einen Anspruch darauf, dass der über sein Anliegen urteilende Richter gegenüber den Verfahrensbeteiligten neutral agiert und eine gleiche Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten wahrt (BVerfG; Beschluss v. 24.12.2006, 2 BvR 958/06).. Damit soll sowohl eine politisch gelenkte Entscheidung des Gerichts als auch jede Art von "Vetternwirtschaft" unterbunden werden. Das zumindest ist das Ideal.
Quelle:
https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/prozessrecht/erfolgreicher-befangenheitsantrag/kein-leichter-weg_206_155456.htmlAber eins ist seltsam, dass das in diesem und anderen Verfahren bisher nie erkennbar war, ganz im Gegenteil. Liegt vielleicht auch nur an den jeweiligen Prozessbeobachtern?
Ich denke, wenn man das nüchtern betrachtet, hätte eigentlich dem Ablehnungsantrag stattgegeben werden müssen.
Gemeinsamer Konsens ist hier doch der, dass es etwas geben muss, was den Angeklagten am Tatort lokalisierbar gemacht hätte. Das ist Deine Sichtweise, dass ist die von
@Palio und auch anderen. An diesen Strohhalm klammern sich hier doch viele. Aber man hat dazu nichts Konkretes. Es wird immer von „Bereich“ gesprochen, aber was ist den der „Bereich“, selbst der Anwalt der Nebenkläger wird nicht konkret. Ist der „Bereich“ vielleicht doch nur der Bereich des Eiskellers, der natürlich auch im Bereich des vermeintlichen Tatortes gewesen ist? Hätte man dann hier nicht einen gemeinsamen Konsens, dass ein Freispruch nötig wäre?
Ich denke, dass Gericht, das nun über den Befangenheitsantrag entscheiden musste, wird sich da auch etwas Einblick verschafft haben und geht vielleicht eher von einem Freispruch aus. Wenn man etwas pragmatischer an die Sache rangeht, hätte es Sinn gemacht, dem Befangenheitsantrag stattzugeben, in so einer späten Phase der Verhandlung?
Die Verteidigung war zu diesem Befangenheitsantrag gezwungen, die StPO erlaubt es leider nicht einen solchen Antrag nach dem Urteil erst geltend zu machen, obgleich es manchmal durchaus sinnvoll wäre. Sie kann nicht in den Kopf von Aßbichler schauen, vielleicht hat sie sich doch schon Anfang Januar auf einen Schuldspruch festgelegt?
Ich denke, dass da bei der jetzigen Entscheidung auch Pragmatismus mitgespielt hat, denn ich macht ein komplettes Aufrollen im Moment wirklich Sinn, wenn es zu einem Freispruch kommt? Dass sich weder StA noch Aßbichler in irgendeiner Form professionell verhalten hat, sieht doch auch hier niemand, in Wirklichkeit steckt hinter dem Mailverkehr eine große Dummheit. Aßbichler hätte wissen müssen, dass auch die StA einfach nur Prozessbeteiligter ist, der eben nicht bevorzugt behandelt werden darf. Und natürlich kann man bevorzugte Behandlung nicht durch rechtliche Hinweise kompensieren, den anderen Beteiligten muss dann ebenfalls entsprechende Hilfen zukommen lassen, wenn sie sich an die Vorsitzende wenden (s.o.) . Soll eine solch vollkommen fehlende Professionalität ein Verfahren zum Neuaufrollen bringen, wenn es fast am Ende steht und ein Freispruch wahrscheinlich ist?
Wie gesagt, nur unter diesen Gesichtspunkten kann man in Wirklichkeit zu Zeit die Ablehnung als gerechtfertigt sehen. Und wenn es wider Erwarten zum Schuldspruch kommt, dann wird der BGH das Urteil mit recht hoher Sicherheit kassieren, denn der BGH wird wohl kaum die von mir oben skizierte Verfahrenskultur plötzlich einführen wollen. Denn die wird sicher auch schwerwiegende Nachteile haben. Sollte das Urteil dann kassiert werden, wird wahrscheinlich in München der neue Prozess stattfinden, denn beide Traunsteiner Jugendgerichte hätten dann die Rechte des Angeklagten in schwerwiegender Weise verletzt.
Ich glaube auch Aßbichler wird nun ihr Verhalten nicht gerade als ein professionelle ansehen und wird sich bewusst sein, dass die ganze Sache als eiin Schuss vor dem Bug anzusehen ist.