fassbinder1925 schrieb:Das denke ich auch nicht. Hier wird mir nur manchmal zu sehr in Schwarz-Weiß gedacht.
Dich meinte ich damit auch gar nicht. Im Gegenteil, ich finde Deine Meinungsäußerungen hier immer sehr differenziert und von uns allen bist mit Sicherheit derjenige, der am ehesten etwas mit Bezug zu diesem Prozess beurteilen kann, denn schließlich warst Du im Gegensatz zu uns bei einer ganzen Reihe von Verhandungstagen vor Ort.
fassbinder1925 schrieb:Denn grundsätzlich ist es ja durchaus so, dass der BGH schon genug Urteile wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsanträge kassiert hat. Letztendlich wissen wir ja immer noch nicht, was stand in der E-Mail und wie wurde der Antrag genau begründet und mit welcher genauen Begründung wurde er abgelehnt.
Das stimmt schon. Mein Kommentar bezog sich eben auch eher auf Statements hier im Thread, die schon abgegeben wurden, noch bevor überhaupt eine Entscheidung gefallen war. Und da war teilweise durchaus so ein Tenor rauszuhören wie "Die entscheidenden Richter werden sich hüten, sich selber Extra-Arbeit aufzuhalen." und " Die werden ihrer Kollegin und Freundin Jaquu schon nicht auf die Füße treten wollen!"
Das kling für mich eben schon recht naiv, denn schließlich müssen diese Richter auch begründen, warum der Antrag angelehnt wird. Und "Wir sehen das keine Befangenheit." ist da eben keine ausreichende Begründung.
Ein ähnlicher Tenor kommt doch hier wieder durch:
Lento schrieb:Ich denke, dass da bei der jetzigen Entscheidung auch Pragmatismus mitgespielt hat, denn ich macht ein komplettes Aufrollen im Moment wirklich Sinn, wenn es zu einem Freispruch kommt? Dass sich weder StA noch Aßbichler in irgendeiner Form professionell verhalten hat, sieht doch auch hier niemand, in Wirklichkeit steckt hinter dem Mailverkehr eine große Dummheit. Aßbichler hätte wissen müssen, dass auch die StA einfach nur Prozessbeteiligter ist, der eben nicht bevorzugt behandelt werden darf. Und natürlich kann man bevorzugte Behandlung nicht durch rechtliche Hinweise kompensieren, den anderen Beteiligten muss dann ebenfalls entsprechende Hilfen zukommen lassen, wenn sie sich an die Vorsitzende wenden (s.o.) . Soll eine solch vollkommen fehlende Professionalität ein Verfahren zum Neuaufrollen bringen, wenn es fast am Ende steht und ein Freispruch wahrscheinlich ist?
Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommt, die Richter hätten sich gesagt: "Ach bevor wir das zu diesem Zeitpunkt alles wieder aufrollen, warten wir mal lieber ab, was rauskommt. Vielleicht gibt's ja eh einen Freispruch, dann hätten wir den Prozess ganz umsonst noch mal von vorne aufrollen müssen. Lieber abwarten, notfalls soll Angeklagte dann halt in Revision gehen."
Ich finde es fast schon beleidigend, wie hier manche Schreiber denken, wie schlecht, fahrlässig, willkürlich und selbstherrlich Richter ihren Job machen. Natürlich kann ein Richter eine Entscheidung treffen, die später eine Revisionsgericht aufhebt und die von einem anderen Gericht dann anders ausfällt. Aber so zu tun, als hätte der erste Richter einfach aus Faulheit, Ignoranz, Voreingenommenheit, Fetternwirtschaft oder Willkür ein falsches Urteil gefällt, trifft es eigentlich nie.
Es verkennt eben auch, dass nicht ein Richter so ein Urteil fällt, sondern fünf Personen gemeinsam. Es verkennt, dass jeder Richter weiß, dass es Rechtsmittel gibt, so ein Urteil überprüfen zu lassen. Und es verkennt auch, dass die allermeisten Richter sich sehr sehr viel Mühe geben ein möglichst gerechtes Urteil zu finden und das auch für alle nachvollziehbar zu begründen.
Hier sitzen offenbar oft Leute hinterm Bildschirm, die alle Richter für korrupt, faul und von Sympathie und Antipathie geleitet halten, für die Staatsanwälte nur darauf aus sind, irgendwen verknacken zu lassen, egal wen und für die die Gutachter prinzipiell schlampig arbeiten, sich auf ihrem Fachgebiet nicht auskennen und generell die wichtigsten und banalsten Aspekt vergessen im Gutachten zu berücksichtigen.