Tiergarten schrieb:Bekanntlich sind ja Revisionsbegehren von geringem Erfolg, wohl unter zehn Prozent. Insofern dürfte die Statistik auch in diesem Fall dagegen sprechen, dass der Bundesgerichtshof das Urteil von Traunstein kippt.
Statistisch auf jeden Fall. Hinzu kommt noch, dass man sich bei einem Prozess der sich über 30 Verhandlungstage erstreckt hat, besonders Mühe beim niederschreiben geben wird.
Was aber speziell ist, diese Kammer ist überhaupt keine Mordprozesse gewöhnt. Wobei die Beisitzerin schon beim „WM-Mörder“ tätig war, unter einer anderen Kammer und Vorsitzenden. Und natürlich ist ein Mord nicht juristisch komplizierter.
Ins Auge gestochen ist mir auch, dass bei den BGH-Mitteilungen schon auffällig oft Strafurteile des LG Traunstein aufgehoben werden. Das sage ich ohne Hohn, aber ist mir vor diesem Fall schon immer über den Weg gelaufen. Vielleicht waren da aber auch immer die Thematiken gerade interessant.
Und dann gibt es noch solche Fälle wie den „Westparkmörder“, da hat es gleich drei Riesen Prozesse gebraucht. Weil die unterschiedlichen Kammern sich jedes Mal nicht ausführlich genug und formal richtig mit der Frage beschäftigt haben, ob Jugend-oder Erwachsenenrecht angewandt wird.
Tiergarten schrieb:Sehe ich es richtig, das ein Ansatzpunkt für eine Anfechtung des Richterspruchs am ehesten in der Frage der Befangenheit liegen könnte? Der E-Mail-Austausch zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft wird ja nicht nur von der Verteidigung kritisch gesehen, sondern auch von manchen, die der Vorsitzenden Richterin überhaupt keine Voreingenommenheit unterstellen mögen, als unglücklich und überflüssig eingestuft.
Das hat die Verteidigung ja auch danach weiter in den Mittelpunkt gerückt. Da werden schon die meisten Hoffnungen drauf beruhen, zumal das wie die Beweisanträge, absolute Revisionsgründe sein können. Da wird es dann automatisch aufgehoben.
Tiergarten schrieb:Ob eine solche Argumentation tragfähig sein dürfte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Und gar nicht einschätzen kann ich die Aussichten, falls die Verteidigung noch andere Beweggründe für die Verurteilung von ST angreifen sollte - etwa die Gewichtung von Zeugen und deren Aussagen (Lea R., Adrian M.) in Bezug auf Täterwissen und Geständnisse.
Das wird denke ich auch gemacht werden, ist aber schwieriger. Sollten sich da die Ausführungen widersprechen oder nicht dem allgemeinen Erfahrungssatz entsprechen, kann eben auch wegen falscher Beweiswürdigung aufgehoben werden.
Das kommt vor, aber da sind die Chancen auch nicht so hoch, weil die meist wissen wie sie es schreiben müssen. Und auch wenn die Richter am Senat sich das durchlesen und dann zu dem Schluss kämen „Oh, das ist ja schon bisschen dünn, wir hätten den wahrscheinlich nicht verurteilt, wären wir Tatsacheninstanz“ lassen sie es trotzdem rechtskräftig werden, wenn die Schlüsse denkbar sind.
Dieses Szenario wird nicht oft vorkommen, aber stelle ich mir auch hart vor.