Archer schrieb:Bei deinem Beispiel wäre so eine Absprache doch auch einfach mündlich nach einer Chorprobe getroffen. Der eine sagt, wenn du das so und so formulierst gehe ich mit, oder ähnliches und schon sind beide auf einem Nenner, ohne dass überhaupt nur die Gefahr besteht, dass irgendwelche, ob nun übliche oder unübliche, Absprachen nachweisbar wären.
Das Problem hast du doch eigentlich immer, unabhängig vom Du oder Sie, dass nicht nachweisbare Absprache getroffen werden können. Die Öffentlichkeit hat keine Ahnung, wie oft täglich in diesem Land Anwälte mit Richtern und Staatsanwälten reden bzw. telefonieren und umgekehrt, sehr oft zunächst wegen Terminabsprachen und Akteneinsicht. Da kommt man dann auch mal näher auf die Sache selber zu sprechen. Aber alles hat natürlich seine Grenzen, und da muss man sich halt auf die Professionailtät der Beteiligten verlassen wie in anderen Berufen auch.
Man muss sich das nicht so vorstellen, als seien sich Richter, Anwälte/Verteidiger und Staatsanwältr alle spinnefeind und würden nie, nie außerhalb des Gerichtssaals miteinander reden. In gewissen Grenzen ist das ja auch erlaubt.
Was das Duzen zwischen Verfahrensbeteiligten angeht (der Richter kann ja auch, zB im Zivilprozess, mit Kläger oder Beklagtem per Du sein), ist das nach allgemeiner Ansicht für sich genommen noch kein Ablehnungsgrund. Anders sieht die Sache aus, wenn zwischen den Beteiligten eine nähere Verbindung besteht, die über eine lockere Bekanntschaft (ZB Mitgliedschaft im selben Verein oder Chor) hinausgeht.
Generell empfiehlt sich in solchen Konstellationen, dass Verfahrensbeteiligte gleich zu Anfang eines Verfahrens offenlegen, dass sie mit einem anderen Verfahrensbeteiligten per Du sind und woher man sich kennt. Dann haben die anderen die Möglichkeit, zu überlegen, ob das reell ist man damit leben kann oder ob man seine Ablehnungsgesuche anbringt.
Palio schrieb:So und dann wurde das Besprochene ausgedruckt, in die Akte "Nachermittlungen" zusammen mit dem DNA-Gutachten geheftet und der Verteidigung geschickt. Könnte durchaus auch alles in Ordnung sein.
Ja, auch so rum wäre es möglich. Mal abwarten, was wirklich geschehen ist und was nun bei der Sache herauskommt. Jetzt bekommen die Abgelehnten wie üblich erst mal Gelegenheit, sich zu den Ablehnungsgesuche zu äußern, bevor die andere Kammer darüber entscheidet.
Palio schrieb:Es geht vermutlich um die nachträglichen Ermittlungen zu Spuren am Autogurt, die Frau Rick noch beanstandet hatte. Dabei ist offenbar nichts herausgekommen. Die Akte "Nachermittlungen" wird der Verteidigung schon länger vorgelegen haben, das DNA-Ergebnis hätte sie auch selbst einführen können.
Ja, hätte sie. Es hätte aber sowieso nichts geändert an dem Ergebnis, dass es in Bezug auf den Autogurt nichts gibt, was ST belastet. Den Autogurt hätte man vom Beweiswert her also auch genau so gut komplett weglassen bzw. unerwähnt lassen können.
Palio schrieb:Die Absprachen haben auch kein Ergebnis der Beweiswürdigung vorweg genommen, sondern nur die Möglichkeiten einer alternativen Beurteilung ausgelotet, damit rechtliche Hinweise rechtzeitig im Prozess gegeben werden können.
Stimmt, eine vorweggenommene Beweiswürdigung war das nicht, die hätte die Vorsitzende auch kaum für die gesamte Strafkammer vornehmen können. Es ging, so verstehe ich das auch, um die Frage, wie man eine Sachverhalt ggf. auch anders rechtlich beurteilen kann. Solche Fragen müssten aber tunlichst mit allen Verfahrensbeteiligten erörtert werden, und zwar so, dass alle gleichzeitig auf demselben Kenntnisstand sind.