lennarto schrieb:Aus meiner Sicht ist es aber etwas anderes, wenn man in einem stundenlangem Verhör (war ein Anwalt dabei? wurde das ganze aufgezeichnet?) sich in Widersprüche verstrickt. Dabei will ich niemandem einen Vorwurf machen, es ist ja normal das die Polizei sehr kritisch nachfragt. Genauso normal finde ich aber dass man unter Druck und spontan (!) sich ggf. zu Aussagen genötigt fühlt, die im Nachhinein dann doch widersprüchlich sind. Ich selber antworte unter Druck teilweise auch ganz anders (falsch) und ärgere mich im Nachhinein.
Du hast glaube ich eine falsche Vorstellung von "Verhören" - die es nebenbei bemerkt gar nicht gibt, denn das, wozu man als Zeuge gebeten oder geladen wurde, ist eine Vernehmung. Du scheinst Dir da sowas drunter vorzustellen, was man regelmäßig im Tatort vorgespielt bekommt. Die Kommissare wissen genau, wer der Täter ist und nehmen den mal so richtig in die Mangel. Der eine stellt eine Fangfrage nach der anderen, der andere brüllt und tobt, das arme verschüchterte Würstchen solle doch endlich die Wahrheit sagen und alles zugeben, sie (die Kommissare) wissen eh schon alles ganz genau und die Beweise sind erdrückend.
Tatsächlich wird da weder ein Zeuge noch ein Tatverdächtiger stundenlang gegrillt, bis er so weich gekocht ist, dass er alles gesteht, was die der vernehmende Polizist gerne von ihm hören will.
Solche Aussagen hätten auch später vor Gericht kaum bestand.
Es ist auch nicht so, dass die Polizei mit unbedingtem Belastungseifer auf einen Zeugen zu geht. Es geht denen vielmehr darum, erst mal festzustellen, was überhaupt passiert ist, was der Zeuge zur Aufklärung beitragen kann und wie glaubwürdig seine Aussagen sind. Und dabei geht es eben nicht nur darum, dass sie ständig denken, dass alles und jeder die Polizei ständig anlügt, sondern auch darum, ob der Zeuge sich überhaupt noch gut erinnert, was er überhaupt wahrgenommen hat und stell dir vor, es gibt sogar Zeugen, die erzählen der Polizei mehr als sie hören will - nicht weil sie so eine Angst vor den grillenden Beamten haben, sondern weil sei aus Gefallsucht, Geltungssucht oder aus der Hoffnung, irgendwie helfen zu können, Dinge ausschmücken, beschönigen oder dazu erfinden.
Ganz sicher ist S.T. bei seiner 1. Aussage nicht gegrillt worden. Es ging dabei darum, erst mal festzustellen, ob er wirklich der gesuchte Jogger sein kann, deshalb musste abgeklärt werden, wo er wann lang gelaufen ist und was er dabei getragen hat und ob er der einzige Jogger war, der zu der Zeit unterwegs war, oder ihm vielleicht weitere Läufer aufgefallen sind. Und dann herauszufinden, ob er irgendwas gesehen, gehört, gerochen.... hat, was mit der Tat in Zusammenhang steht und zwar auch Dinge, die ihm vielleicht gar nicht bewusst aufgefallen sind.
Sicher wird man ihn in der 2. Vernehmung die Widersprüchlichkeiten vorgehalten haben, die sich aus dem Abgleich der ersten Aussage mit den Fotos der Ü-Kameras und den Zeugenaussagen ergeben haben. Aber da ist keiner rumgesprungen und hat geschrieen, dass das alles doch gar nicht so gewesen sein kann, wie er behauptet hat, dass sie wissen, dass er ein elender Lügner ist und er jetzt doch bitte endlich die Wahrheit sagen soll.