fassbinder1925 schrieb:Das ist aber ein Grund warum diese Verletzung noch ein bisschen Fragen für mich aufwirft. Es ist natürlich naheliegend, dass man sagt, es kommt bei Treibverletzungen sonst nicht vor und deswegen ist es unwahrscheinlich, dass es daher kommt. Aber es scheint auch bei Unfällen und Verbrechen selten vorzukommen. Aber man möchte ja meinen, dass Opfer schon öfter so fixiert wurden.
Ich versuche mal zu erklären, warum eine beidseitige Acromion-Fraktur nach cranial durch Treibverletzungen eigentlich nicht entstehen kann und wie es auch die Gutachter begründen haben:
Bei Hanna waren die in dieser Grafik rot markierten Teile der Schulterblätter gebrochen und zwar beidseitig, symmetrisch. Diese Knochenvorsprünge sind dabei nach vorne abgeknickt.
Quelle des Bildes: veröffentlicht auf Commons unter der Lizenz
Creative Commons Attribution-Share Alike 2.1 Japan (siehe
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Acromion_of_scapula06.png)
Das Acromion ist ein Knochenvorsprung an der Leiste des Schulterblattes. Um es nach vorne zu brechen, muss eine Kraft sehr punktuell auf genau diese Stelle einwirken und die Kraft muss von hinten und leicht unten kommen. Kommt die Kraft von vorne-oben, z.B. weil ein Körper, wie sich Frau Rick das an dem Rechen ausgemalt hatte, auf einen Rechen zutreibt, zwischen dessen Zinken der Kopf hindurch passt, der Körper dann aber mit genau diesen beiden Stellen auf die beiden Zinken aufschlägt, weil diese genau dem Abstand zwischen dem rechten und dem linken Acromion entspricht, dann würde dieser Knochenfortsatz beim Bruch nach unten wegknicken oder zumindest in diese Richtung leicht verschoben werden.
Aber nur, wenn er dadurch überhaupt brechen würde, denn die Schulterblätter sind mit dem Brustkorb nur durch Bindegewebe (Sehnen und Muskeln) verbunden. Sie liegen praktisch dem Brustkorb an und werden dort durch die Muskeln festgehalten. Dadurch sind die Schulterblätter sehr beweglich gelagert und nicht starr an einer Stelle fixiert. Wenn also von oben-vorne eine Kraft auf sie wirken kann, können sie in gewissen Grenzen nach unten ausweichen, wodurch die Kraft deutlich abgefedert würde.
Hinzu kommt auch noch, dass der Brustkorb eines Menschen sehr elastisch ist. Beim Atmen verengt und weitet er sich ja auch ständig. Die oberen Rippen sind mit am Brustbein knorpelig verbunden, die untern Rippen gar nicht. Bei einer angestrengten Wiederbelebung mit Herzmassage kann man sich vorstellen, wie stark der Brustkorb in der Lage ist, auf ihn einwirkende Kräfte abzufedern. Es kommt dabei zwar manchmal vor, dass Rippen brechen, aber man muss bedenken, dass hier ja auch absichtlich eine relativ große Kraft auf ein kleine Fläche (aufgesetzte Handflächen) einwirkt.
Wenn also jetzt eine Kraft von hinten-unten auf die Schulterblätter einwirkt, können zum einen die gesamten Schulterblätter durch Verschiebung, zum anderen aber auch der Brustkorb durch Verformung einen Teil dieser Kräfte abfangen. Bei einem im Wasser treibenden Körper kommt noch hinzu, dass der Körper im Wasser ja auch sehr flexibel gelagert ist und somit auch er einen Großteil der Kraft abfedern kann.
Das gleiche gilt für eine stehende Person, deren Oberkörper eben nach vorne federn kann. Selbst wenn die Person auf einem Stuhl sitzt, auf dem sie mit dem Rücken festgebunden ist (als Beispiel für eine Situation, dass der Oberkörper nicht als ganzes ausweichen kann), wären immer noch die Schultern nach vorne beweglich und könnten durch diese Bewegung einen Teil der einwirkenden Kraft abfangen.
Die Krafteinwirkung muss zudem sehr punktuell auf das rechte und linke Acromion eingewirkt haben. Das Acromion steht zwar am Rücken leicht hervor (man kann es bei sich selbst leicht als Erhabenheit ertasten, wenn man sich mit der einen Hand auf die gegenseitige Schulterrundung fasst und von dort leicht nach innen-unten tastet), ist aber insgesamt in muskuläre, sehnige und knöcherne Strukturen des Rückens eingebettet.
Eine Kraft, die mit einer größeren Grundfläche von hinten auf den oberen Nackenbereich trifft, würde sich also auf weitere dort vorhandene Strukturen verteilen und abgefangen werden können.
Aus all dem kann man meiner Meinung nach schließen, dass die Kräfte, die zum beidseitige Bruch des Acromions sehr punktuell auf genau diese Stellen eingewirkt haben und eben von hinten-leicht unten kamen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Körper dabei auf einem Widerlager lag (Boden), so dass die Beweglichkeit des Körpers dadurch stark eingeschränkt war und sowohl der gesamte Körper als auch einzelne anatomische Strukturen kaum Raum zur Bewegung hatten, wodurch die einwirkenden Kräfte eben nicht abgefedert werden konnten.
Die einzige plausible Erklärung dafür ist für mich, dass Hannas Körper auf der Erde lag, der TV (oder eben irgendeine andere Person) sich entweder auf sie hat fallen lassen, so dass er auf ihren vorderen Rücken kniete oder dass er auf den am Boden liegenden Körper mit Wucht eingetreten hat.