96594TT schrieb:Wenn ich sage, nach allem, was wir bisher gesehen haben, können wir davon ausgehen, bzw. dürfte es sicher sein, dass Spanien Europameister wird, dann drücke ich eine begründete Wahrscheinlichkeit aus, aber eben keinen Fakt. Auch wenn es mir plausibel erscheint kann es am Sonntag auch ganz anders ausgehen. Wenn ich dann einen Sieg Englands gar nicht erwäge, bringe ich mich ggf. um die Chance richtig zu liegen.
Mal davon abgesehen, dass das Äpfel mit Birnen verglichen ist: Es gibt zwei Argumente, warum sich dass auf alternative Szenarien im Falle R. nicht übertragen lässt:
1) Ob England oder Spanien gewinnen, ist offen. Die Wahrscheinlichkeit ist in beiden Fällen gleich groß. Die Wahrscheinlichkeit für den Sieg ist für Beide gleich groß. Wenn Du Dir sicher bist, dass Spanien gewinnen wird, kannst Du das vielleicht argumentativ begründen. Es wäre wohl auch eine schlüssige (Schlüssigkeit = unter der Annahme, dass die Information stimmt, ist sie geeignet, das Vorbringen argumentativ zu tragen) Variante. Es dürfte aber wenig Überzeugungskraft entfalten, weil der Ball rund ist und das Spiel 90 Minuten dauert.
Aber das ist egal. Mit dem Fall R. hat das wenig zu tun.
2) Die Sache mit F. sähe ganz anders aus, wenn es vergleichbare Alternativen gäbe. Also ein (genauso) schlüssiges Szenario, dass und warum R. das Haus lebend verlassen hat, aber samt ihrer Sachen inkl. Decke nie wieder aufgetaucht ist. Eine schlüssige Erklärung, warum F. mit Restalkohol schon ab 8.26 Uhr in der Gegend herumgekurvt und um 10.47 auf der BAB 12 erfasst worden ist ergibt sich dagegen, wenn ich der Annahme folge, er habe etwas mit dem Verschwinden von R. zu tun. Schlüssige Alternativen sehe ich nicht, er schweigt und es wurde auch nichts ermittelt, was die Gründe gewesen sein könnten (zumindest wissen wir nichts davon).
Zudem sind Sachbeweise, die wissenschaftlich nachprüfbar sind, etwas anderes als Zeugenbeweise. Sichtungen von R., v.a. nach der Veröffentlichung des wenig realistischen Fotos von R. sind per se von minderem Wert. Nicht weil die Zeugen lügen oder doof sind. Sondern weil sie zwar eine subjektive Wahrheit vertreten, sich aber irren können und sehr wahrscheinlich auch geirrt haben. Denn ihre Aussagen lassen sich nicht ein schlüssiges alternatives Gesamtbild einordnen.
Als Zeugen taugen im Übrigen auch nicht die Spaziergänger/Reiter, die den Twingo im Wald gesehen oder einen jungen Mann in den Wald haben rennen sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in der Lage wären, F. zu identifizieren.
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Es ist nicht nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit: a) Szenario der Ermittler b) es könnte auch anders gewesen sein. Während a) geeignet ist, einen Tatverdacht zu begründen, enthält b) lediglich eine Möglichkeit, die eigentlich noch nicht mal theoretisch denkbar ist, weil es keine Theorie gibt, die geeignet wäre, die Alternative b) zu tragen. Zeugenaussagen oder die Überzeugung der Familie R. reichen da nicht aus, weil es Behauptungen sind, die sich nicht in ein schlüssiges Gedankengebäude einfügen lassen.
Wir hatten hier schon oft genug darauf hingewiesen: Der Blick auf ein einzelnes Indiz reicht nicht aus. Zwar ist die Aufklärung von Straftaten immer Stückwerk (die "historische Wahrheit" lässt sich ex post nur annäherungsweise ermitteln), aber in einem Falle kommt ein Puzzle raus und im anderen Falle bleiben die Teile ungeordnet auf dem Tisch liegen. Das Puzzle für eine Täterschaft des F. ist zwar nicht vollständig, es fehlen wichtige Teile. Aber alle anderen Varianten bestehen aus Puzzle-Teilen, die aus ganz verschiedenen Schachteln kommen und eben nicht schlüssig.
Im Ergebnis: Nach allem, was wir wissen, können wir sicher sein, dass entweder Spanien oder England Europameister werden. Im Fall R. ist nach allem, was die Ermittlungsbehörden verlautbaren, ziemlich sicher (wahrscheinlich wissenschaftlich nachprüfbar da Sachbeweise), dass R. das Haus nicht lebend verlassen hat und F. der Tatverdächtige ist.