Kaietan schrieb:Nochmal: Die Polizei hat sich festgelegt, dass Rebecca das Haus nicht lebend verlassen hat. Digitaler Tod vermutlich gegen 8 Uhr. Wenn das die Ermittlungsergebnisse sind, die ja auch öffentlich kommuniziert wurden, was soll da anderweitig ermittelt werden nur weil der Schwager belegen kann, warum er um 10 Uhr auf der Autobahn war?
Die klassische Juristenantwort: "Es kommt darauf an." Wir wissen ja nicht, worauf sich diese mehrfach und mit Sicherheit vorgebrachte These (eigentlich eine Tatsache, da von einer Behörde verlautbart) von der im Haus zu Tode gekommenen R. im Einzelnen gründet.
Könnte F. die Fahrten am Baumhüttenweg und auf der BAB 12 schlüssig und nachprüfbar erläutern (selbstverständlich würde dann der Wahrheitsgehalt überprüft und erneut ermittelt werden), würde ein wichtiger Baustein in der These der Ermittler entfallen, nämlich dass F. die getötete R. ins Brandenburger Umland gebracht hat, um ihre Leiche zu verstecken. Dann bleibt nur die Tatsache (aus Sicht der Ermittler), dass die Beiden zu gleichen Zeit im Haus gewesen sind und R. es nicht lebend verlassen hat. Aber dann eröffnet sich vielleicht theoretisch die Möglichkeit, dass ein Dritter am Tatort war.
F. wäre also nicht völlig entlastet, aber in einem wichtigen Punkt schon, nämlich dem Verdacht der Leichenverbringung. Wichtiger ist aber noch vielleicht noch, dass mit einer schlüssigen Erläuterung seiner Autofahrten alternative Kausalverläufe in den Blick kämen, die eine Anklage deutlich unwahrscheinlicher machen würden (derzeit gehe ich von 50:50 aus, wir wären dann vielleicht bei 40:60 oder 35:65. Das sind schon deutliche andere Hausnummern.
Im Allgemeinen ist das Schweigerecht ("nemo tenetur se ipsum accusare") erst einmal ein Menschenrecht. Der Täter muss nicht zu seiner eigenen Bestrafung beitragen. Das war im 16. bis 18. Jh. noch ganz anders. Ohne Geständnis keine Strafe. Deshalb die Folter. Ob man schweigt, was man sagt und wo, das ist eine taktische Frage. Kann man sich entlasten? Oder kann man sich nur um Kopf und Kragen reden? Es gibt Fälle, da hat der Täter vor Gericht geredet und statt des angeklagten Mordes kam nur eine Körperverletzung mit Todesfolge zur Verurteilung. In anderen Fällen nutzt Schweigen nichts und Reden nutzt auch nichts. Z.B. weil die Sachbeweise erdrückend sind. Dann sollte man lieber schweigen.
Die Ermittler wissen das. Aus Schweigen leiten sie kein Schuldeingeständnis ab. Nicht nur, weil sie das nicht dürfen, sondern auch, weil sie wissen, dass jeder Anwalt jedem Beschuldigten rät, nichts zu sagen. Das ist normal, sobald der Beschuldigte anwaltlich vertreten ist. Und er hat nicht nur ein Recht auf einen Anwalt, sondern es gibt auch die Pflicht ihm einen Verteidiger zur Seite zu stellen. Spannender wird es, wenn der Anwalt mit den Ermittlern reden möchte. Aussagen neue Ermittlungen auslösen. Oder mit dem StA oder gar einem Richter. Kooperation in Aussicht stellt. Aber da muss er erst einmal über die Beweislage sehr gut informiert sein. Ob er dazu ein "Geständnis" seines Mandanten ("Wie war es denn jetzt wirklich?") braucht oder lieber gar nicht wissen will, was wirklich passiert ist, das weiß ich nicht. Ich denke, das Studium des belastenden Materials in der Akte ist viel wichtiger.
Schweigen bedeutet jedenfalls erst einmal Nichts. Es macht den Ermittlern das Leben nicht leichter, aber das ist
Business like usual.
Yari schrieb:Es wurde gefragt, was sich ändern würde, wenn er Beweise vorlegen würde und ändern würde sich genau das, nämlich dass anderweitig ermittelt wird.
Es müssen ja keine Beweise sein. Die Polizei ist gemeinhin froh über bislang unbekannte zureichende Anhaltspunkte, die überhaupt zusätzliche Ermittlungen ermöglichen. Denen geht es ja nicht darum, F. bis zu seinem Ableben als Tatverdächtigen zu führen. Sondern die wollen den Fall lösen, wollen wissen was mit R. passiert ist. Ziemlich egal, ob es nun F. gewesen sein könnte oder der bislang unbekannte Drogenmafia-Killer X, der um 7.30 Uhr ins Haus kam. Wenn sie zwar nicht den Tod von R. aufklären können, aber einen Drogenring auffliegen lassen, dann ist das auch ein Erfolg.
emz schrieb:Das Ganze ist also nur eine Nebelkerze der Familie.
Nicht zwingend der Familie, zumindest wenn es nach den von Dir genannten Medienberichten geht. Ob da was kolportiert wurde, ob es eine bloße Möglichkeit war, ob es Vorbringen des F. gegenüber der Familie war, das bleibt im Nebel. Also: Nebelkerze ja, ob der Medien, der Familie oder des Verdächtigen unklar.