rhapsody3004 schrieb:Im Falle einer Indizienkette, die ja aus kleinen Einzelheiten zusammengesetzt wird bzw. besteht - ja, wie man aktuell noch immer sehen kann. Er ist nach wie vor Tatverdächtiger.
Ja, all die kleinen Einzelheiten und Zufälle haben ihn verdächtig werden lassen. Nicht ein oder zwei kleine Einzelheiten, sondern die Fülle an Einzelheiten machte es aus, sodass am Ende eine hübsche Indizienkette entstehen konnte.
So macht das für mich auch am meisten Sinn: Es fehlt an wirklich harten Beweisen, jedoch kam man aufgrund einer gewissen Anzahl von Indizien zu dem Ergebnis, dass andere Abläufe als der von den EB angenommene (den wir im Detail auch nur erraten können) unwahrscheinlich sind.
rhapsody3004 schrieb:Sorry, es stimmt zwar was du schreibst, allerdings nicht das mit der Fehleinschätzung. Zum damaligen Zeitpunkt konnte man den "dringenden Tatverdacht" wohl ausreichend genug begründen, sodass zumindest ein Richter das ähnlich wie die EB sah/wertete.
Nur weil es 3 Wochen später wieder anders aussah, aus 2 verschiedenen Gründen hauptsächlich, bedeutet das nicht, dass ursprünglicher "dringender Tatverdacht" eine Fehleinschätzung war.
Oder irre ich?
s.o. zu dem Zeitpunkt sah es aufgrund der bereits gefundenen Indizien nach der deutlich wahrscheinlichsten Theorie aus. Man kann wohl sagen, dass die Einschätzung, dass diese Wahrscheinlichkeit so hoch war, dass es zu einem dringen Tatverdacht reicht, eher knapp war (da ja zunächst ein Richter anderer Meinung war).
Auch der zweite Richter wird dabei aber die Erwartung gehabt haben, dass sich diese Indizienkette dann auch rel. schnell weiter verdichtet. Das wäre zu erwarten, wenn der angenommene Ablauf stimmt und man mit den heutigen Möglichkeiten in diese Richtung ermittelt. Es war sicher nicht der Plan bzw. die Erwartung den Schwager gleich wieder aus der U-Haft entlassen zu müssen. Durch dieses Nicht-Finden zu erwartender Indizien/Beweise sinkt einfach die Wahrscheinlichkeit, dass der Ablauf so stimmt. Das führte dazu, dass der dringende Tatverdacht nicht mehr gesehen wurde und bis zuletzt, über nunmer sechs Monate, auch nicht mehr gesehen wird (dringender Tatverdacht stützt sich auf eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung).
rhapsody3004 schrieb:Ok, stimmt.
Dann hast du mit der Fehleinschätzung natürlich recht. Dann verstehe ich dich jetzt.
Der ursprüngliche Haftbefehl konnte in diesem Fall nur "erfolgreich" angegriffen werden, weil er auf einer Fehleinschätzung sowohl von EB (StA) als auch Richter beruhte. Die damaligen vorgestellten Punkte gegen F hätten niemals als so umfangreich gewertet werden dürfen, dass sie für einen dringenden Tatverdacht und somit für einen Haftbefehl mit anschließender U-Haft ausreichend gewesen wären.
Also Fehleinschätzung.
Ok, aber im anderen Fall wäre das Ursprüngliche keine Fehleinschätzung gewesen.
Bei der Haftprüfung hätte man lediglich geprüft, ob es drei Wochen später immer noch für einen dringend Tatverdacht und somit auch für eine Weiterführung der U-Haft ausreichend gewesen wäre - hingegen man aber den "ursprünglichen" dringenden Tatverdacht und Haftbefehl drei Wochen zuvor als korrekt/ausreichend genug angesehen hätte und es sich zu diesem Zeitpunkt um keine Fehleinschätzung gehandelt hat.
Halbwegs korrekt?
pensionär schrieb:Ich will zumindest die Behauptung, dass der Erlass des Haftbefehls eine richterliche "Fehlentscheidung" gewesen sei, schlicht nicht unwidersprochen lassen. Dazu fehlt im Forum schon allein die erforderliche Akten -und Detailkenntnis, dass man sich m. E. als User anmaßen kann, zu so einem Verdikt gegenüber dem Haftrichter zu kommen.
Das Wort "Fehleinschätzung" oder "Fehler" ist hier Irreführend - wäre quasi ein Fehler :-). Ich würde es wie oben beschrieben so sagen, dass man sicherlich eine andere Erwartung bzgl. des weiteren Verlaufs hatte, die sich jedoch weder in den drei Wochen U-Haft noch in den 6 Monaten seither erfüllt hat.
rhapsody3004 schrieb:Weil innerhalb von diesen 3 Wochen der dringende Tatverdacht nicht weiter erhärtet werden konnte.
Nichts Neues konnte man sozusagen in die Tüte packen und somit wäre eine Fortführung der U-Haft und die Aufrechterhaltung des Haftbefehls unverhältnismäßig gewesen. Also nicht mehr zu rechtfertigen gewesen.
Richter unterliegen ja auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. müssen sie danach handeln, nach diesem Grundsatz.
Verhältnismäßigkeit ist ein Grundsatz der natürlich immer gilt. Von Verhältnismäßigkeit wurde aber mWn nie gesprochen als Grund, ebensowenig wie von anderen Gründen die für eine U-Haft nötig sind (wie Flucht-, Verdunkelungs-, Wiederholungsgefahr). Es wurde immer ganz konkret (auch zuletzt wieder) gesagt, dass kein dringender Tatverdacht besteht - und der gründet sich eben auf eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung - sprich die angenommenen Wahrscheinlichkeiten haben sich verändert - und zwar nach unten.
rhapsody3004 schrieb:Sie sammeln mehr, warten auf mehr.
Also dann haben sie für mein Verständnis jetzt noch nicht genug, noch keine Wahrscheinlichkeit (50%) erreicht. Dafür brauchen sie noch mehr und daran wird momentan fleißig gearbeitet, wie du selbst gesagt hast.
Also müsste es jetzt tatsächlich noch unterhalb des hinreichenden Tatverdachtes liegen?
Edelstoff schrieb:Anfangsverdacht ist eine logische Schlussfolgerung, da kein anderer Verdachtsgrad übrig bleibt.
Sehe ich genauso. Die StA betonte immer wieder, dass sie keine ausreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit sieht. Der hinreichende Tatverdacht definiert sich aber genau dadurch, dass eine Verurteilungswahrscheinlichkeit von > 50% gegeben sein muss.
EDGARallanPOE schrieb:Die Person verlässt den Status eines Verdächtigen und wird zum Beschuldigten. Damit geht für mich einher, dass auch der Zustand des Anfangsverdachtes verlassen wird.
In dem von dir verlinkten Wikipedia-Artikel wird der Beschuldigten-Status aber nicht an einen höheren Verdachtsgrad als den Anfangsverdacht geknüpft. Die höheren Verdachtsgrade oberhalb des Anfangsverdachts benötigen alle eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung. Der Wechsel zum Beschuldigten kann aber ganz plötzlich mitten im Verhör erfolgen (TV wird mit einem Indiz konfrontiert, wie z.B. KESY, kann oder will keine Erklärung dazu abgeben und ihm wird im nächsten Satz eröffnet, dass er nunmehr Beschuldigter ist). Ich glaube nicht, dass man von Ermittlern mitten im Verhör erwarten kann ein Wahrscheinlichkeits-Update vorzunehmen. Somit sehe ich die Annahme eines Anfangsverdachts weiterhin als gerechtfertigt und aufgrund aller Informationen als die plausibelste.