monstra schrieb am 17.09.2019:Auffindesituation und Obduktionsergebnisse bekamen erst eine - alternative - Bedeutung, als der Verdacht einer Unterschlagung aufkam. Von dieser Interpretation wollten/konnten die Gerichte dann nicht mehr runter, auch als sich der ursprüngliche Verdacht zerschlagen hatte.
Das halte ich für falsch. Aus mehreren Gründen.
Vor irgendeinem Unterschlagungsverdacht stand mit Sicherheit das auffällige Entlastungsverhalten Genditzkis ohne Not (Einkaufsbon, "bin kein Erbschleicher", "Dahingerumpelt"-Mutmaßung).
Dann kam die Erkenntnis des Rechtsmediziners bei der Tatortbegehung, dass LK nicht gestürzt sein kann und diese Erkenntnis bekommt man auch tatsächlich, wenn man es selbst versucht, da ist nichts willkürlich gedreht worden.
Zeitgleich oder danach entdeckte die Polizei, dass von Kortüms Konto nach und nach die stattliche Summe von 50.000 € abgehoben wurde, ohne einen Gegenwert in Form einer größeren Anschaffung festzustellen. Außerdem hatte Genditzki in dem Zeitraum des Krankenhausaufenthalts 8000,00 € Schulden zurückgezahlt und zudem Teile von Kortüms Schmuck in seinem Besitz.
Die Transaktionen konnte er nicht sofort und/oder nicht glaubhaft erklären. Die Anklage lautete daher heimtückischer Verdeckungsmord aus Habgier. Es sollten alle drei Mordmerkmale erfüllt sein.
Mit der Anklage hat sich die StA von vornherein viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Sie passt mMn. nicht zu den Umständen, alle Mordmerkmale und eine Tötungsabsicht waren auch kaum ausreichend zu belegen.
Ob und wie Genditzki sich nun im Prozess entlastet hat, wissen wir nicht. Das einzige was wir wissen, ist, dass die zu verdeckende Bezugstat ausgetauscht wurde.
Meiner Meinung nach vor allem, weil man die Tötungsabsicht bei den Schlägen nicht belegen konnte. Schließlich ist sie daran auch nicht gestorben.
Die Unterschlagung war daher von Anfang an nicht die "richtige" Bezugstat, unabhängig von dem Entlastungsvorbringen dazu.
Als man erkannt hatte, dass aus der Art und Weise der Schläge gegen den Kopf und den Umständen der Tat nicht unbedingt eine Tötungsabsicht resultiert und es viel naheliegender ist, -wenn überhaupt- erst in der Badewannenverbringung einen Tötungsvorsatz und eine Verdeckung zu sehen, hat man die Anklage so geändert, wie sie von Anfang hätte lauten müssen.
Die Anklage wegen Unterschlagung der 8000,00 € wurde wegen der drohenden viel höheren Strafe wegen Mordes nach § 154 StPO eingestellt (somit wissen wir nicht, ob und wie er sich entlasten konnte). Die 50.000,00 € und der Schmuck waren gar nicht Gegenstand der Anklage.
Und hier kommt nun ins Spiel, dass die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei der Verdeckungstat erfolgreich hätte ausgeräumt werden können durch ein entsprechendes Vorbringen des Angeklagten ("dachte, sie wäre schon tot").
Das hat auch der BGH (inklusive Nack) erkannt:
"... seine Verteidigungsstrategie dahin geändert hätte, sich nunmehr umfänglich in der Sache einzulassen, sei es um weiterhin einen Freispruch zu erreichen, sei es auch z.B. um einen Schuldspruch "nur" wegen Totschlags statt wegen Mordes zu erstreben, indem er - wie oben ausgeführt - Umstände vorgetragen hätte, die eine zu verdeckende "andere Straftat" entfallen lassen."
Umstände, die eine zu verdeckende Straftat hätten entfallen lassen, wären beispielsweise, dass er dachte, sie sei bereits tot. Dann hätte er nur den (außerdem nicht gewollten) Tod nachträglich vertuschen, aber nicht erst herbeiführen wollen.
Er hatte im zweiten Prozess, in dem ja klar war, dass es nicht mehr um die Unterschlagung, sondern nur noch um die Körperverletzung geht, eine gute Chance auf eine Geringerbestrafung, leider hat er sie nicht genutzt.
Der Streitgrund als Anlass für die Körperverletzung war und ist dabei übrigens unerheblich, das wird auch immer falsch dargestellt. Im zweiten Prozess gab es keine Überraschungen für den Angeklagten mehr. Es war ihm von Anfang an klar, dass er nicht den Streit widerlegen musste, sondern entweder, dass er die alte Frau nicht geschlagen hat (also einen plausiblen Sturz präsentieren) oder aussagen, dass er sie zwar mit einem zufällig griffbereit herumliegenden Gegenstand im Affekt geschlagen hat, aber ohne sie töten zu wollen und dass er dann davon ausgegangen sei, er habe sie versehentlich umgebracht. Ersteres konnte und kann er nicht und Letzteres wollte er nicht.