Herrlich.
Seitenweise Ratespass anhand von Spekulationen und Missverständnissen.
Das Naheliegende wird mit aller Macht ausgeblendet, Unterhaltung muss sein.
Am Naheliegendsten ist, dass die Frau sich umgebracht hat. Lage, Waffenhaltung, Auffindesituation usw. lassen nur diesen Schluss zu. Wer z.B. das Auslösen des Abzugs mit dem Daumen „verdächtig“ findet, kann mal für sich selbst versuchen, eine imaginäre Pistole mit richtiger Handhaltung (Zeigefinger am Abzug) von vorne auf sich zu richten. Geht fast nicht. Auslösen mit dem Daumen passt anatomisch besser.
Am Naheliegendsten ist, dass JF die Etiketten schon lange vorher rausgetrennt hat, weil sie einfach stören, kratzen oder oben aus dem Kragen schauen, wie Millionen andere auch. Ich mache das sogar selber bei besonders nervenden Kandidaten, ohne ein subversiver Selbstmörder oder Geheimagent zu sein. Nur das nicht störende Etikett ist noch drin.
Am Naheliegendsten ist, dass Selbstmörder planvoll, aber nicht rational vorgehen: dann fehlt irgendwann ein Koffer mit nicht mehr benötigten Sachen, den die Kandidatin einfach nicht mehr brauchte und wegwarf, bei einer Zwischentour vergaß oder liegen ließ usw. (naheliegend wäre übrigens auch, dass die Kripo-Leute nicht gut gearbeitet haben und das Ding hinter einer Tür oder im Schrank einfach übersehen wurde. Das ist auch schon bei guten Polizeien vorgekommen).
Am Naheliegendsten ist, dass eine Anfang-Zwanzigjährige NICHT in Geheimdienstaktivitäten verstrickt ist. Keine „Firma“ setzt Jungspunde mit einem Verhalten, dass bessere Rezeptionen neugierig machen würde, Klamotten, die auf mich eher zweit- bis drittklassig wirken und einer Schrottkanone ins Hotelzimmer, so arbeiten Geheimdienste nicht. Und es kommt auch nicht 009-Dreiviertel vorbei, um das zu deponieren, mitzunehmen oder andere Rätselspuren zu legen. Jeder Agenten-Mörder hätte die Tatwaffe mitgenommen und ihre Unterhosen da gelassen; dieser war umgekehrt drauf...?
Am Naheliegendsten ist, dass man eine reaktivierte Waffe aus dunklen Kanälen (meist werden bei ausgemusterten Waffen die Läufe unbrauchbar gemacht; wenn die wieder in Umlauf kommen, muss ein neuer Lauf her und die Seriennummer weg) mit etwas Munition bekommt und einsteckt. Wie hätte sie bestellen sollen? „danke, zwei Schuss reichen, 1 zum Testen und 1 für meine Stirn“? Dies sieht für mich wie ein „normaler“ Schwarzmarkt-Waffenkauf aus.
Am Naheliegendsten ist, dass entweder der Reporter oder dass sagenhaft verpeilte Hotelpersonal, das weder zu einem sauberen Check-in noch zu belastbaren Aussagen fähig war bei den Polizeivernehmungen Tage oder Wochen nach dem Ereignis, erst recht Jahrzehnte(!) später, oder alle zusammen sagenhaft viel B*U*L*L*S*H*I*T absondern.
Beispielsweise ist „W395“ kein „Datum“ oder „der Anfangsbuchstabe des Uhrmachers“🤦🏼♂️, sondern ein völlig gängiges Kürzel für Knopfzellen, auch bekannt als SR927. Das war auch 1995 so. Wenn man solche Ware „bulk“ bekommt, ritzt man schon mal die Kennzahl ein, um nicht mehr nachmessen zu müssen. Diese Zahlen geben nämlich Aufschluss über die Abmessungen der Batterie. Dann in einer belgischen Apotheke nach einem Uhrmacher mit W zu fragen, ist schon ganz hohe Journalistenschule...
Anderes Beispiel: eine Rezeptionsangestellte will sich auch nach 22 Jahren noch an einen Mann bei JF erinnern, der „etwas größer als sie war, 1,85m“. Zur Erinnerung: JF war ein Floh von 1,59m, „der Mann“ also satte 26cm länger, anderthalb Köpfe mindestens. „Etwas größer“? Wer solche Aussagen macht bzw. unangezweifelt abdruckt, ist entweder blind oder ein schlechter Reporter.
Ganz ehrlich: wenn einzelne solcher Dinge nicht stimmen, stimmt meist gar nichts und diese Reportage ist das, was sie wohl auch sein soll: ein Krimi nach wahren Begebenheiten, aber mit vielen Ausschmückungen und Fehlern.
Am Naheliegendsten ist deshalb auch, dass JF ihre Henkersmahlzeit kurz nach der Bestellung zu sich genommen hat und max. 2 Stunden danach Selbstmord beging. Den Todeszeitpunkt kann man bei CSI Miami im Fernsehen sicher sekundengenau ermitteln, in Oslo 1995 hat man vielleicht auch um 20+x Stunden danebengehauen, wer weiß? Im realen Leben geht das nicht so exakt. Und die Aussagen des Hotel-Securities: na ja, siehe oben.
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