Adson schrieb:Ich halte die öffentliche Suche daher für wenig erfolgversprechend. Und soooo wichtig ist der konkrete Fall nun auch wieder nicht.
Inzwischen liegen die Geschehnisse zu weit zurück, als das man auf eine(n) wichtige(n) Zeugen/in hoffen könnte, der/die sich durch ein Bild in der Zeitung oder im Netz an JF namentlich erinnert und sich dann auch an die Ermittler wendet. Doch manchmal kommt der Zufall zur Hilfe. Personen die damals zu den Geschehnissen schwiegen, nun aber keinen Grund mehr dafür haben zum Beispiel. Oder eben auch Zeugen, die damals ggf. Informationen bei ihrer Aussage unterschlugen, weil sie Unannehmlichkeiten/Schwierigkeiten befürchteten bzw. das aussagten, was ihnen vorher von "höherer Instanz" in den Mund gelegt worden war. Das ist keine Unterstellung, es muß natürlich nicht so gewesen sein. Aber in so einem Fall könnte die lange Zeitspanne zwischen Ereignis und dem heutigen Tage mal ausnahmsweise von Vorteil sein. Den Fall daher von Zeit zu Zeit wieder medial in Umlauf zu bringen, halte ich deshalb nicht für falsch oder nutzlos.
Adson schrieb:Der einzige Ansatz, der aus meiner Sicht Aussicht auf Erfolg bieten würde, wäre eine Wiederaufnahme des Falls durch die Behörden oder zumindest privat durch einen der damals direkt beteiligten Ermittler im Sinne von: "Wenn ich so zurück blicke, war das doch ein sehr seltsamer Fall und mit dem heutigen Wissen würde ich mir dies und das gern nochmal genauer ansehen, vielleicht haben wir ja etwas übersehen ..."
Diese Vorgehensweise würde sich mit der von cold cases decken, welche als Wiedervorlage immer wieder mal neu durchdacht werden. Leider handelt es sich hier eben nicht um einen solchen Fall. Es liegt bekanntermaßen ein Ermittlungsergebnis vor und damit gibt es keinen Grund, die Akte regelmäßig zu prüfen. Wie Du schon schreibst, ist deshalb nur eine gewissermaßen freiwillige Untersuchung denkbar, bei der ggf. damals beteiligte Ermittler -mehr oder weniger aus privatem Interesse heraus- nochmal "nachermitteln". Dafür sehe ich allerdings kaum Chancen. Neue Ermittler könnten sich dem Fall zwar auch aus privatem Interesse heraus annehmen, doch die haben ohnehin schon sehr viel Arbeit im Tagesgeschäft. Es kommt noch hinzu, dass dieser Fall bereits als abgeschlossen gilt und andere ggf. ungelöste Fälle wohl eher von Interesse sein dürften. Einzig verbleibender Ansatz wäre die Recherchearbeit von Journalisten und/oder Privatermittlern. Da fehlt natürlich die Akteneinsicht. Doch über Informanten/anonyme Quellen etc. könnte die ein oder andere Information dennoch den Weg in diese Recherchen finden.
Adson schrieb:Welche Rolle spielte damals das Hotel/management und - aus heutiger Sicht interessant: Was haben die mehr oder weniger direkt beteiligten Leute (Security ...) in der folgenden Zeit und in den Jahren bis heute so alles gemacht, sind Verbindungen aufgetaucht, die möglicherweise interessant sein könnten, gab es weitere Todesfälle usw.
Das genau wäre ein vielversprechender Ansatz für neue Ermittlungen. Wenn es sie denn gäbe. Doch aktuell bewegt sich da nichts. Seit der (Teil-)Exhumierung und der damit verbundenen Isotopenanalyse gibt es nichts neues.
musikengel schrieb:Deine Ausführungen sind sehr interessant. Den Fall wieder aufzunehmen, klingt gut , nur aus welchem Grund / auf wessen Veranlassung könnte das überhaupt noch passieren ?
Generell sind die Hürden für die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Falles höher, als die bei einem cold case. Zwar kenne ich mich nicht mit der juristischen Situation in Norwegen aus, doch ich nehme an, es verhält sich dort ähnlich wie bei uns. Es müssen mutmaßlich schon sehr konkrete, neue und bislang nicht ermittelte Hinweise/Indizien/Beweise/Aussagen kommen, damit eine Wiederaufnahme gerechtfertigt ist. Alles was hier schon diskutiert wurde, ist ja nicht neu und den ehem. Ermittlern bekannt. Somit scheinen diese Dinge bereits ausermittelt zu sein oder man schätzt sie als nicht relevant genug ein.
Adson schrieb:Und alle anderen, die sich über den Fall vlt. auch gern profilieren könnten (Journalisten, private Ermittler ...) haben das Problem, dass sie keine Einsicht in die offiziellen Akten haben und diese auch in absehbarer Zeit wohl nicht bekommen werden.
Ja richtig. Sie haben allerdings den Vorteil, auch anonym behandelte Quellen anzapfen zu können und sich mit potenziellen Zeugen ohne offiziellen Vernehmungscharakter austauschen zu können. Manchmal ein wirkungsvoller Vorteil. Zudem haben sie keinen Ermittlungsdruck. Nachteil ist hingegen die fragliche Gegenleistung. Quasi ehrenamtlich arbeitende Ermittler zu finden, die Zeit, Geld und Mühe in die Aufklärung investieren, ohne dabei von einem -wie auch immer gearteten- persönlichen Vorteil abzuhängen, dürfte sehr schwer sein. Der Journalist braucht guten und neuen Stoff für einen investigativen Leitartikel oder ein erfolgversprechendes Buch. Der Privatermittler verlangt Endgeld, weil er von dieser Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Einzig privates Interesse wäre eine Möglichkeit. Doch wer kommt in Frage, wenn niemand persönlich vom Schicksal der Toten betroffen zu sein scheint ?
Adson schrieb:Meine derzeitige Theorie ist, dass JF ermordet wurde. Über das Motiv zu spekulieren halte ich für wenig zielführend, ich habe nicht einmal einen konkreten Verdächtigen. Ich denke, dass seitens des Hotels sehr großes Interesse bestand, den Fall halbwegs schnell zu den Akten zu legen und dass alles zumindest auf den ersten Blick nach Selbstmord aussah und die Polizei das wohl letztlich auch als Fakt annahm, kam diesem Interesse sehr entgegen.
Ich persönlich gehe anhand der derzeitigen Informationslage auch klar von einem Kapitaldelikt aus. Was allerdings Motiv und mögliche Täter angeht, tappen wir weitgehend im Dunkeln. Einzig über die Vorgehensweise vor/bei/nach der Tat, das Verhalten des Opfers und -in Kombination- vorhandene Indizien können gewisse Rückschlüsse gezogen werden. Doch das hat keinen Beweischarakter. Es ist und bleibt vieles möglich. Ich gebe Dir Recht, dass die Ermittlung scheinbar sehr ergebnisorientiert und auffällig schnell/hastig durchgeführt wurde. So zumindest auch mein persönlicher Eindruck. Vieles war nach meinem Geschmack nicht eindeutig genug, das Endergebnis zu rechtfertigen. Es gab und gibt sehr merkwürdige Begleitumstände und Indizien, die einen Suizid doch äußerst fragwürdig erscheinen lassen. Das zu ignorieren, spricht ja eigentlich für sehr fundierte Indizien und/oder Beweise für ein abweichendes Ergebnis. Doch vorbehaltlich nicht veröffentlichter Informationen aus den Ermittlungsakten, sehe ich das derzeit nicht.
Adson schrieb:... Die These hat natürlich was für sich, vor allem "erklärt" sie alles ohne Widersprüche. Die Contra-Geheimdienst-Argumente wurden hier schon des öfteren diskutiert, die Pro-Argumente haben mich bisher allerdings noch nicht überzeugt. Die Möglichkeit sehe ich durchaus, aber die Ausführung erscheint mir dann doch eher dilettantisch.
Die Arbeit der Geheimdienste ist generell sehr schwer zu durchschauen. Das ist ja auch so gewollt und liegt in der Natur der Sache. Was auf uns Außenstehende hier "dilettantisch" wirkt, kann aus Sicht eines Geheimdienstes durchaus als Erfolg gewertet worden sein. Zwei mögliche Ziele, die Identität des Opfers wirkungsvoll zu verschleiern und das Ermittlungsergebnis "Suizid" herbeizuführen, wurden schließlich erreicht. Ob durch die Tat der möglicherweise gewünschte Zweck ebenfalls erfüllt wurde, wissen wir nicht. Wenn ja, wäre es -wiederum aus Geheimdienstsicht- eine erfolgreiche Arbeit. Das Pferd springt redensartlich für gewöhnlich nicht höher als es muß.
l_autre schrieb:Muss hässlich für die Täter sein, ihr rekonstruiertes Gesicht in der Zeitung zu sehen.
Wenn wir beim Geheimdienstbereich bleiben, war/ist es dem/den angenommenen Täter(n) vermutlich völlig egal, ob er/sie das Gesicht irgendwo wiedersehen. Es war ein Auftrag. Eine Tat, die durch das Ziel/den Hintergrund gerechtfertigt war. Für uns mag das schwer vorstellbar sein. Doch es gab ein paar wenige Exagenten, die darüber schon öffentlich gesprochen haben. Sie hatten auffällig oft eine soldatische Einstellung dazu. Das vermeintliche Ziel, den Staat/das System und/oder das eigene Volk als "Schattenkrieger" hinter feindlichen Linien zu "schützen", rechtfertigte oftmals für sie sogar den Tod unbeteiligter Menschen. Das Töten wird dabei gewissermaßen als notwendiges Mittel angesehen.
Nicht jeder kann damit unbeschwert umgehen. Soldaten haben natürlich ein Gewissen. Deshalb ist ein Agent oder Geheimdienstler auch nicht automatisch eine gewissenlose Waffe, die mit der "Lizenz zum Töten" marodierend durch die Weltgeschichte zieht. Dieses Bild wird nur durch Filme und Bücher erzeugt. Nur ein paar wenige Menschen wurden/werden tatsächlich von Geheimdiensten als Killer eingesetzt. Die Tötung eines Menschen ist immer die Ausnahme und kein Tagesgeschäft. Oft muß darüber sogar die höchste geheimdienstliche/politische Instanz entscheiden, sowie das persönliche Einverständnis für dieses Mittel geben. Überigens lange nicht jeder Geheimdienst setzt dieses Mittel überhaupt ein !
Ich schreibe hier jedoch -wohlgemerkt- von westlichen Geheimdiensten in der heutigen Zeit ! Auch heute gibt es leider noch Staaten, die ganze Killerschwadronen unterhalten und diese gegen unliebsame, vermeintliche Gegener einsetzen. Manchmal fallen tausende/zehntausende Menschen irgendwelchen wahnsinnigen Diktatoren zum Opfer. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir es im vorliegenden Fall mit soetwas zu tun haben.
l_autre schrieb:Es gibt die hauptamtlichen Agenten, die ganz sicher eine Ausbildung haben und die Schmalspuragenten, denen nur das mitgeteilt wird, was unbedingt notwendig ist. Wird schon seinen Sinn haben...
Es ist ein Grundsatz der Geheimdienstarbeit, dass alle ausführenden Kräfte nur das erfahren, was sie zwingend zur Ausführung ihres jeweiligen Auftrages benötigen. Wer niemanden ins Vertrauen zieht, kann schwerlich verraten werden. So kennen im Normalfall nur handverlesene Entscheider die ganze Dimension. Die Ausbildung hat damit jedoch nur wenig zu tun. Agenten sollen in erster Linie Informationen beschaffen, dafür Quellen aquirieren und ggf. auch Einfluss auf gewisse, relevante Vorgänge nehmen. Dafür enthält die Ausbildung verschiedene Komponenten. Angefangen von Ver- und Entschlüssungstechnik über IT, Elektronik, Kommunikation, Fremdsprachen bis hin zu praktischen Dingen wie Observation oder Fahrtrainigs. Es kommt eben auf die spätere Aufgabe an. Kombatanten lernen sicher auch Angriffs- und Verteidigungstechniken, haben medizinische Kenntnisse und/oder Ausbildung an Waffen und Sprengstoffen. Man darf hier eines nicht verwechseln: Nicht jeder der für einen Geheimdienst tätig wird, weiß zwingend davon. Vielmehr gibt es die Führung/Planung, die unterstützenden Abteilungen im Innendienst (Aufklärung z.B.), hauptamtliche Agenten im Außendienst und eben Quellen. Letztere sind dann das, was Du hier -denke ich- als "Schmalspuragenten" bezeichnest. Oft wissen die garnicht, wo ihre Informationen eigentlich hinfließen und für wen sie tatsächlich arbeiten.