@fravd Danke für die gute Zusammenfassung
fravd schrieb am 23.12.2018:auffällig ist für mich auch, dass die unbekannte wohl nicht ganz reise-unerfahren war. zu dieser zeit wurden private hotelreservierungen noch häufig über reisebüros vorgenommen und hauptsächlich geschäftsreisende buchten direkt telefonisch beim hotel, oder besser ließen von ihrer sekretärin buchen. und der buchungsmodus, der hier ja gewählt worden sein soll (s.o.) ist sowas von auffällig und äußerst ungewöhnlich, dass da schon etwas an erfahrung zugehört, soetwas beim hinzubekommen.
Ein sehr guter Hinweis. Es lohnt sich auf jeden Fall, diesen Gedanken weiter zu vertiefen. Woher hatte sie als sehr junger Mensch diese Sicherheit, diese Abgeklärtheit, die Erfahrung ? Welche berufliche Tätigkeit könnte dazu passen ?
Nach wie vor beschäftigt mich die Frage, wie JF nach Oslo gekommen ist, wo und wann sie abgereist ist oder ob sie sich bereits in Norwegen aufgehalten hat. Diese Frage lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit beantworten. Es gibt lediglich den Hinweis, dass JF um ca. 22: 30 Uhr bei der Rezeption des Plaza Hotels erschien und 14 Minuten später das Zimmer 2805 betrat. Am 22. Mai 1995 hat JF erstmalig fernmündlich mit dem Plaza Hotel Kontakt aufgenommen. Es ist nicht erwiesen, ob im Ablauf dieses Gespräches bereits ein konkretes Anreisedatum vereinbart wurde. Am 31. Mai 1995 hat JF telefonisch ein Zimmer für zwei Personen gebucht, so dass vom Zimmerservice um 15:30 Uhr ein zweites Duvet bereitgestellt wurde. Neben diesen Zeitangaben kann ihre vermutete Herkunft dazu beitragen, einen möglichen Reiseweg nachzuvollziehen. Die Kleidung, der der Zahnbefund, die Isotopenanalyse und ihre Angaben lassen vermuten, dass sie aus Deutschland, der Schweiz oder BeNeLux kam.
Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass JF sich bereits in Norwegen aufgehalten hat. Bei einer kurzen Anreise wäre allerdings eine frühere Ankunft zu erwarten gewesen. Möglicherweise hat JF den sehr späten Zeitpunkt und die Ankunft einer größeren Besuchergruppe bewusst gewählt, um unangenehme Fragen der Rezeption auszuweichen. Es ist nicht bekannt, ob JF bereits vorab eine weitere Unterkunft mit falscher Identität gebucht hat. Jedenfalls ist sie nicht erkannt worden. Das spricht eher gegen einen längeren Aufenthalt in Norwegen. Nachfolgend soll deshalb eine mögliche Anreise aus dem Ausland am 31.05.1995 beschrieben werden.
JF hat ihre falsche Identität bereits 9 Tage vor ihrer Ankunft festgelegt. Ihr Nachlass und ihr Verhalten lassen vermuten, dass ihr die Verschleierung der wahren Identität außerordentlich wichtig war. Demnach war ihr die Benutzung von Kreditkarten o.ä. Zahlungsmittel nicht möglich. Der Erhalt der Anonymität war auch nur möglich, ohne Datenspuren zu hinterlassen. Obwohl eine Flugreise ab Düsseldorf und Zürich zeitlich sehr gut passen würde, halte ich die Benutzung dieses Reisemittels mit gefälschten Personaldaten und einer evtl. mitgeführten Waffe für wenig wahrscheinlich. Auch sind mir keine direkten Fährverbindungen bekannt, die annähernd mit der Ankunftszeit übereinstimmen. Gleiches gilt für Fernbusverbindungen, die hauptsächlich über Nacht fahren. In der näheren Auswahl bleibt demnach eine Bahnverbindung, wofür auch der nahe Bahnhof „Oslo-Sentralstasjon“ spricht. Die Strecke vom Bahnhof zum Radisson Blu Hotel kann zu Fuß in ca. 10 Minuten zurückgelegt werden. Für eine Bahnreise spricht, dass bei einer Grenzkontrolle zwar der Ausweis vorgezeigt werden muss, ansonsten aber keine Datenspuren hinterlassen werden. Ob die Adressangabe „Rue de la Station“ ebenso eine Bezug zu Bahnverbindungen vermuten lässt, ist hingegen spekulativ.
Dank der hervorragenden Datenbank von Marcus Grahnert, Quelle:
http://www.grahnert.de/fernbahn/datenbank/ war es mir erstmalig möglich, alle damals verfügbaren Bahnverbindungen nachzuvollziehen.
Grundsätzlich gab es damals in Deutschland folgende kombinierte Bahn- und Fährverbindungen:
Travemünde -> Malmö oder Trelleborg, Puttgarden -> Rodbyhavn, Warnemünde -> Gedser und Sassnitz -> Trelleborg (Anmerk.: Bahnverkehr via Warnemünde wurde am 23.09.1995 eingestellt)
Alle Bahnverbindungen endeten in Kopenhagen bzw. Malmö und von dort wurde die Reise nach Oslo fortgesetzt. Es war schwierig, Fahrpläne der norwegischen Bahn NSB aus dieser Zeit zu finden. Gefunden habe ich einen Plan aus dem Jahr 1999. Der Vergleich mit mehreren jüngeren Plänen ergab, dass die Ankunftszeiten nur gering variierten. Wenn JF zeitnah nach der Ankunft des Zuges das Hotel aufgesucht hat, kann es nur die Ankunftszeit ca. 21:45 Uhr gewesen sein. Sie hat sich vermutlich noch ca. 20-30 Minuten im/am Bahnhof aufgehalten, ggfls. um nach der langen Fahrt einen kurzen Imbiss einzunehmen. Wenn sie diese Bahnverbindung tatsächlich benutzt hat, muss sie um 12:29 Uhr ab Kopenhagen oder 13:33 Uhr ab Malmö abgefahren sein. Hierfür kommen folgende Verbindungen in Frage:
D 1010 CSARDAS
Budapest-Keleti pu. (13:30) — Rajka — Bratislava hl.St. — Kuty — Brno hl.n. — Praha-Holesovice — Datumwechsel — Usti nad Labem hl.n. — Decin hl.n. — Bad Schandau — Dresden Hbf — Berlin-Lichtenberg — Greifswald — Stralsund — Bergen(Rügen) — Sassnitz — Sassnitz Hafen — Trelleborg — Malmö (12:56)
EuroCity 180 CHRISTIAN MORGENSTERN
Hamburg Hbf (07:30) — Lübeck Hbf — Oldenburg(Holst) — Puttgarden — Rødby — Nykøbing — Naestved — Høje Taastrup — København (11:59)
Mit einer Aufenthaltszeit von rd. 4 Stunden in Kopenhagen wären auch folgende Verbindungen möglich:
D 233 NORD-EXPRESS
Oostende (17:34) — Brugge — Gent-St. Pieters — Bruxelles-Midi — Bruxelles-Central — Bruxelles-Nord — Leuven — Liege(G) — Verviers Central — Aachen Hbf — Köln Hbf — Düsseldorf Hbf — Duisburg Hbf — Essen Hbf — Münster(Westf)Hbf — Datumwechsel — Osnabrück Hbf — Bremen Hbf — Hamburg Hbf — Lübeck Hbf — Puttgarden — Rødby — Nykøbing — Naestved — Høje Taastrup — København (08:30)
D 308 OSTSEE-EXPRESS
Berlin-Lichtenberg (23:52) — Datumwechsel — Oranienburg — Neustrelitz Hbf — Waren(Müritz) — Güstrow — Rostock Hbf — Warnemünde — Gedser — Nykøbing — Naestved — Hoeje Taastrup — København (08:26)
D 318 SASSNITZ-EXPRESS wäre bereits um 16:52 Uhr in Olso eingetroffen.
In allen Fällen hätte ein Aufenthalt in Kopenhagen oder Malmö gereicht, um sich beim Hotel anzumelden. Die Zeiten sind hinsichtlich der Bereitstellung eines zweiten Duvet plausibel.
@alle Ich wünsche euch einen guten Rutsch ins neue Jahr. Gruß Lighthouse60