Heue vor genau 7 Jahren wurden Abby und Libby ermordet. Ich hoffe, dass es noch gelingen wird, denjenigen, der dafür die Verantwortung trägt, in einem fairen Prozess zu verurteilen und ein gerechtes Urteil zu finden.
Rick_Blaine schrieb:Ich sehe keinen Schaden. Daher kann m.E. die Konsequenz nur eine Rüge des Verstosses gegen die Gag Order sein. Meistens wird so etwas, wenn überhaupt, durch ein Ordnungsgeld bestraft. Es sollte aber, es darf keinen Einfluss auf den Prozess gegen Allen haben. Das haben die obersten Richter ja auch in ihrer Entscheidung deutlich gemacht.
Nein, ich sehe auch keinen Schaden und der oberste Gerichtshof hat ja auch festgestellt, dass die Richterin die Schwere des Vergehens absolut falsch eingeschätzt hat und die von ihr aufgerufene Sanktion unverhältnismäßig hoch war. Diesen Urteilsspruch kann man nachvollziehen und auch so hinnehmen.
Im Gegensatz zu anderen hier sehe ich es aber eben so, dass das eigentliche Problem von den Verteidigern ausgegangen ist. Sie haben eben nicht nur die beiden Leaks ausgelöst, sondern haben danach auch noch versucht, ihre Rolle dabei und das Ausmaß des Leaks zu verschleiern.
Ich kann nachvollziehen, dass man das auch anders sehen kann und meint, allein Richterin Gull habe die Prozessverzögerung zu verantworten, weil sie eben eine Fehler gemacht hat. Aber ich bin eben der Meinung, dass es ohne Leak auch keine Fehleinschätzung der Richterin und damit keine Absetzung der Verteidiger gegeben hätte.
Über die Presseerklärung von Anfang Dezember 22 und das Memorandum mögen sich Staatsanwaltschaft und vielleicht auch das Gericht geärgert haben, aber juristisch gesehen waren diese Aktionen der Verteidiger legal, obwohl sie einfach nur schlechter Stil waren.
Helen559 schrieb:Was die Glaubwürdigkeit der Anwälte angeht, glaube ich eher, dass die Strategie von Staatsanwalt McLeland in der Erwiderung auf das Memorandum das Grundoroblem ist. Denn er hatte es als bunt, dramatisch und hochgradig unprofessionell bezeichnet.
Mag sein, dass Du das anders siehst, aber ich muss kann da durchaus McLelands Position und seine Kritik nachvollziehen. Ich habe es bereits mehrfach geschrieben: den rein inhaltlichen Aussagen des Memorandums hätte man auch in anderer, in meinen Augen angebrachterer Form vor Gericht bringen können (Schwärzen von Klarnamen anderer Verdächtiger und sonstiger Beteiligter, weniger graphische Beschreibungen von Details vom Tatort und den den Opfern zugefügten Wunden). Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es ein Winkelzug der Anwälte war, die Gag order zu umgehen und gleichzeitig für maximale Aufmerksamkeit für die eigentlich transportierte Botschaft zu sorgen: "Unser Ricky ist hier nicht der Täter, sondern das Opfer einer Verschwörung!" Dieser Winkelzug war legal. dafür wurden sie ja auch nicht mal gerügt, aber wer so was so durchzieht, der muss sich schon ein paar zynische Seitenhiebe des Staatsanwaltes gefallen lassen, die dieser in seinem nächsten Antrag verpackt, denn auch er ist ja ansonsten an die Gag order gebunden und kann keinerlei offizielle Stellungnahme dazu abgeben.
Helen559 schrieb:In Kurzform: Grundsätzlich beinhaltet das, dass die Staatsanwaltschaft nichts zurückhalten darf, was einen Angeklagten entlasten könnte. Die Bezeichnung Brady geht auf einen Fall von 1963 zurück.
Rick_Blaine schrieb:So ist es. Das ist ein sehr entscheidender Grundsatz amerikanischen Rechts und ein Verstoss dagegen kann erhebliche Folgen für die Staatsanwaltschaft haben.
Und genau deshalb kann ich kaum glauben, dass McLeland hier derartige Fehler gemacht haben soll. Dass die Staatsanwaltschaft der Verteidigung entlastendes Material aushändigen muss, so ja nun wirklich einer der Grundpfeiler des Rechtssystems und -verständnisses. Diese Regelung kennt jeder Anfänger-Staatsanwalt und ist sich auch der Konsequenzen bewusst, die es haben kann, wenn er dabei derart schwerwiegende Fehler macht.
Insofern kann ich mir eben nicht vorstellen, dass McLeland hier entweder einen derartigen Anfängerfehler gemacht haben soll (er kann sich wohl kaum darauf berufen, dass er diesen Rechtsgrundsatz nicht kennt....) oder aber dass er bewusst riskiert hat, den ganzen Prozess platzen zu lassen oder noch schlimmer: den Verteidigern zusammen mit den Akten gleich einen Revisionsgrund mitgeliefert hat.
Man kann ihm Böswilligkeit unterstellen und meinen, er haben die Verteidiger hier hintergehen wollen, ihnen eben das entlastende Material vorenthalten wollen, aber eigentlich ergibt das kein sinnvolles Risiko-/Nutzenverhältnis.
Deshalb möchte ich erst mal abwarten, was die Staatsanwaltschaft zu diesen Vorwürfen erwidert und was dann bei einer gerichtlichen Anhörung zu dem Thema rauskommt und/oder wie die Richterin in der Sache entscheidet.
In meinen Augen ist das alles vor allem erst mal eine Art von Armdrücken. Dass Verteidiger versuchen, über ein Franks hearing Beweise (und hier sogar den wohl zentralsten Beweis, also die Pistole) aus dem Verfahren zu kegeln ist ja nun nichts ungewöhnliches und in derartigen Verfahren eher ein Standard als eine Ausnahme. Es ist halt ein Versuch, die Beweise und Indizien, die die Anklage vorbringen kann, zu schwächen
Das gleiche gilt wohl auch für Anträge der Verteidigung unter Berufung auf die Brady-Doctrine. Das haben die Anwälte im Koberger-Fall versucht und auch bei Alex Murdaugh war das meine ich ein Thema.
Ob Rozzi und Baldwin damit Erfolg haben, wird sich dann zeigen.
Ich denke, man kann froh sein, dass das jetzt alles im Vorfeld des Prozesses geklärt wird. Klar verzögert das den Prozessbeginn, aber es ist wohl besser, dass das alles jetzt auf den Tisch kommt, als wenn am Ende der Prozss kippt oder es eine Revision gibt.
Ich finde das ganze juristische Heckmeck nur unerträglich für die Angehörigen. Sie warten jetzt eben seit sieben Jahren darauf zu erfahren, was ihren Kindern widerfahren ist und ich stelle es mir sehr schwer vor, dieses Auf und Ab beobachten zu müssen und immer wieder zu hören, dass der Prozess doch noch mal um Monate verschoben werden musste.