Vermutlich mache ich mich mal wieder unbeliebt, wenn ich den mahnenden Finger hebe - die Folge habe ich bereits mehrfach gesehen und mich ebenfalls ueber den Fall gewundert.
Trotz aller Tragik darf man jedoch nicht vergessen, dass das in den 60ern passiert ist. Das waren noch ganz andere Zeiten, was die Gesellschaft anging, aber auch was die Gesetzgebung betraf... Und: der 2. WK war sooooo lange auch noch nicht her...
Ihr muest euch vor Augen halten: Erst 1958 gab es das Gleichstellungsgesetz, wodurch alte Muster langsam aufgebrochen wurden, allerdings wurde z.B. die Zustimmungspflicht des Ehemannes zur Berufstaetigkeit der Frau erst 1977 aufgehoben- und damit auch die Aufgabenteilung in der Ehe... Guckt euch bei XY die verschaemten "Neigungsfaelle" an, Homosexualitaet wurde von der WHO erst 1990 (!) von der Liste der Krankheiten gestrichen. Das Zuechtigungsrecht an Schulen galt bis laengstens 1973 - und die gewaltfreie Erziehung wurde erst 2000 (!) gesetzlich verankert... Von daher kann ich den Fall aus heutiger Sicht schlimm und schrecklich finden, aber trotzdem differenziert annehmen, dass das damals vermutlich kein Einzelfall war - und dass die Aemter vermutlich innerhalb ihres gesetzlichen Rahmens nicht gepennt haben...
Nachdem ich heute den Thread hier gelesen habe hat es mir naemlich keine Ruhe gelassen und ich hab mal kurz die Wikipedia bemueht. Aus den wenigen duerren Saetzen im Artikel "Adoption (Deutschland)"
Wikipedia: Adoption (Deutschland)lese ich zumindest heraus, dass das Adoptionsgesetz 1961 und dann erst 1976 novelliert wurde... Hier ein Auszug aus der Wikipedia:
GeschichteDie neueren deutschen Gesetzgebungen haben die Bestimmungen des gemeinen Rechts in der Hauptsache beibehalten, sie jedoch den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen angepasst und in der Handhabung vereinfacht.
Annahme an Kindes statt Die ursprüngliche Regelung der Annahme an Kindes statt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
bezweckte nicht die Vermittlung minderjähriger, heutzutage zumeist neugeborener Kinder in eine Familie unter Kindeswohlgesichtspunkten. Die Annahme bereits Volljähriger war die Regel.
Ziel war die Beschaffung eines Erben zur Daseinssicherung im Alter. Im ursprünglichen BGB (§ 1744 BGB a.F.) war das Mindestalter des Annehmenden deshalb 50 Jahre. Erst 1961 wurde es mit dem FamÄndG auf 35 gesenkt. Weitere Grundzüge waren: Die Adoptionseltern mussten kinderlos sein,
die Adoption kam durch Vertrag zustande, das Vormundschaftsgericht hatte nur bei Minderjährigkeit des zu Adoptierenden eine Zustimmungspflicht; die Verwandtschaftsverhältnisse zur bisherigen Familie blieben bestehen, zur Verwandtschaft der Adoptiveltern entstanden keine rechtlichen Beziehungen; ein Erbrecht der Adoptierenden gegenüber dem Adoptivkind gab es nicht, und das Erbrecht des Kindes gegenüber den Adoptiveltern konnte vertraglich ausgeschlossen werden.
Es handelte sich daher um eine unvollständige, „schwache“ Adoption.
Mit der Senkung des Mindestalters auf 35 Jahre war mit dem FamÄndG 1961 bereits der Anfang vom Sinneswandel dieses Rechtsinstitutes erkennbar geworden. 1973 erfolgte eine weitere Senkung des Mindestalters auf 25 Jahre (§ 1743 BGB) und die Einführung einer vormundschaftsgerichtlichen Ersetzung der elterlichen Adoptionseinwilligung bei grober Verletzung der Elternpflichten (§ 1748 BGB). Dies war sozusagen bereits eine „kleine“ Reform des Adoptionsrechtes.
Reform des Adoptionsrechtes 1976Mit dem Reformgesetz von 1976, das erheblich weniger strittig war als die sonstigen familienrechtlichen Änderungen dieser Jahre, ergaben sich große inhaltliche Änderungen. Das
Adoptionsvermittlungsgesetz wurde verabschiedet.
Die neue Minderjährigen-Adoption ist eine Volladoption, mit dem Ausspruch durch das Vormundschaftsgericht erlangt das adoptierte Kind die volle Stellung eines ehelichen Kindes auf allen Rechtsgebieten. So erlöschen die verwandtschaftlichen Beziehungen zur Ursprungsfamilie (eingeschränkt bei der Stiefkindadoption) und etwaige Ansprüche (mit Ausnahme von Waisenrenten), die Integration in die neue Familie ist vollständig; das angenommene Kind ist also jetzt nicht nur mit den Adoptiveltern, sondern mit deren gesamter Verwandtschaft verwandt, was auch Auswirkungen auf die Erbansprüche hat, die ebenfalls keinen Unterschied zwischen blutsverwandten und adoptierten Kindern machen.
Ein ausländisches minderjähriges Kind erhält aufgrund der Adoption durch deutsche Eltern seither automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. 2004 wurde die Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner eingeführt.
Hier sind doch ein paar Juristen unterwegs, vielleicht koennen diese meine These bestaetigen oder meine Denkfehler korrigieren.
Ich habe es naemlich so verstanden, dass bis 1976 Adoptionen eher Privatsache waren. Man regelte es untereinander, lediglich das Gericht musste zustimmen - aber das war wohl nur eine Formalitaet. Ich vermute stark, dass Kontrollen einfach nicht stattfanden. Und was, wenn das Gericht einfach nicht eingeschaltet wurde? Das fiel doch vermutlich kaum jemandem auf.