brigittsche schrieb:Wie schnell ist die Euphorie dann verflogen und was folgt darauf?
puntanorte schrieb:Die nächste Depression.
So ist es. Entweder kocht die Depression wieder hoch und bügelt einen nieder oder man versucht krampfhaft diesen euphorischen Zustand wieder herzustellen.
Euphorisch bin ich nach Hamburg gezogen, hatte einen guten Job, bis die Chefin anfing, mich zu mobben (wegen einer Frage, warum ein Urlaubstag nicht freigegeben wurde). Da war die Euphorie schon getrübt. Aber ich nahm diesmal den Kampf auf, nicht wie früher, wo ich mich verletzt zurückgezogen hätte, und ich gewann. Was ich nicht wusste und ahnte: alle wollten diese Chefin loswerden und haben mich dafür instrumentalisiert. Als die Chefin weg war, hat man mir am letzten Tag der Probezeit mit “Du passt nicht ins Team” gekündigt. Das kam gerade Corona. Kein Job, halbillegales Wohnverhältnis, Nachbar links, der sich als Blockwart empfand und alle gegeneinander ausspielte (und anlog), Nachbarin rechts, die mindestens einmal in der Woche ihre Wohnung zerlegte…wow…plopp…da war sie wieder, die Depression.
In den meisten Fällen wird man erstmal krampfhaft versuchen, diesen Glückszustand wieder herzustellen…das mag vielleicht kurzzeitig auch funktionieren, aber irgendwann ist man an dem Punkt, an dem die Depression wieder da ist und sagt „Wofür und für wen machste den Shiet eigentlich? Machst doch eh alles falsch, siehste ja.“ und dann liegt man im Bett und kriecht nur noch zum Essen und für die Toilette unter der Decke hervor, weil man sich eh zu nichts nutze fühlt und so wenigstens keinen Schaden anrichtet.
sundra schrieb:Mir erzählte mal jemand, dass er bei der ersten Sitzung nicht ernstgenommen und quasi als völlig gesund bezeichnet wurde.
Leider gibt es das. Ich habe bei einem Erstgespräch auch schon mit auf den Weg bekommen, meine Diagnosen seien nur bequeme Ausreden, um meiner Faulheit, die für Frauen ja so üblich sei, zu frönen. Ich solle lieber mal hart arbeiten, dann würden mir solche Gedanken gar nicht kommen (da war ich in Ausbildung zur Krankenschwester und hatte nach vier Wochen auf einer inneren Station 10kg abgenommen, weil das Arbeitspensum so hoch war, bzw. man mir 40 Betten alleine überließ).
Wenn Henning Vogt nur ein Fitzelchen eines solchen Gesprächs hatte, dann kann das die Hölle in ihm ausgelöst haben.
Aber letztlich wissen wir das nicht, was genau passiert ist in dem Gespräch. Wie ich schon einmal schrieb, reicht ein Satz oder sogar ein Wort aus, um etwas bei jemandem auszulösen. Das kann auch für einen Therapeuten ganz harmlos geklungen haben oder in einem harmlosen Kontext gesagt worden sein, aber ggf. hat es in Henning Vogt etwas getriggert.
Fakt ist: irgendetwas muss geschehen sein, was ihn so aufwühlte und irgendetwas hat ihn dazu bewogen zu gehen.
Was ich mir schon gedacht habe, warum er gewartet hat, bis sein Partner wieder zuhause war. Möglicherweise hat der ihm immer hinterher geschaut, wenn er alleine in den Schrebergarten gegangen ist. Dass es hier ein symbolischer Abschied war, den er vielleicht als weniger hart empfand, als wäre er weg, wenn der Lebensgefährte heimkommt.
brigittsche schrieb:Wenn ich Lungenkrebs habe ist der ja auch nicht weg, nur weil ich jetzt beschließe in die Berge auf eine Almhütte zu ziehen weil das schon immer mein Traum war.
Und wenn ich Lungenkrebs habe, wieso dann nicht noch einen Traum erfüllen und dann abtreten? Nicht jeder will um jeden erdenklichen Preis überleben. So lange es geht, diesen Traum noch leben und dann..
Oder wieso nicht Therapie und dann Traum erfüllen?
Im Falle von Depression ist es anders. Die kann man nicht wegoperieren, bestrahlen oder mit Chemo ausmerzen. Und selbst Psychopharmaka sind mit Vorsicht zu genießen, weil sie eben oft starke Nebenwirkungen haben…manche fördern sogar in der ersten Zeit der Einnahme bis der Spiegel aufgebaut ist, Depression und Suizidalität, wogegen sie ja eigentlich wirken sollen. Das hat HV im Filmfall ja gesagt, dass die Nebenwirkungen der Grund für das Absetzen waren. Die Psychopharmaka sind darauf ausgelegt, dass man funktionieren kann. Was sie mit der Seele machen oder einen „stumpf“ im Kopf werden lassen, egal.
Und gerade für jemanden, wie Henning Vogt, der mir bei XY so vorkam, als würde er seine Umwelt sehr genau wahrnehmen, als hätte er unheimlich viel Phantasie, als würde er die Natur/seine Abenteuer mit allen Sinnen genießen wollen - da kann ein Psychopharmakon alles kaputtmachen. Dann funktioniert er zwar, aber damit wurde ihm noch die letzte Möglichkeit genommen, etwas Glück zu empfinden.
Wir wissen ja nicht, ob er all die Jahre nur ein Medikament hatte oder ob es auch Wirkstoffwechsel gab. Und wie schon angesprochen, nicht jeder Wirkstoff wirkt bei jedem so, wie er soll oder überhaupt. Manche haben nur die Nebenwirkungen.
Möglicherweise wurde in dem Gespräch mit dem Therapeuten auch klar, dass es für Henning Vogt ohne Medikamente nicht geht.
Die Möglichkeiten, das etwas in ihm ausgelöst wurde sind ja mannigfaltig. Letztlich muss es nicht mal etwas zwingend mit dem Gespräch zu tun haben.
Vielleicht hat der Therapeut auch nur die Frage gestellt, wie Henning Vogt sich seine Zukunft vorstellt, was seine Ziele usw. sind und wie er diese erreichen möchte, bzw. wie wohl/glücklich er sich in der aktuellen Situation fühlt. Gerade das kann einen sehr ins Wanken bringen.
sundra schrieb:Wenn er woanders unter anderem Namen lebt mit falschen Papieren, kann er sich dort auch genauso gut bei nem anderen Arzt was besorgt haben
Seit Fridolin Pfanner traue ich jedem zu, eine Weile unerkannt zu leben. Er wurde ja auch nur durch Zufall gefunden, als er in eine Personenkontrolle kam und man feststellte, er wird vermisst und er hat sich auch Job und Unterkunft besorgt.
HV müsste nicht mal gefälschte Papiere haben. Bis XY wussten kaum Leute von seinem Verschwinden. Und nicht jeder hat die Vermisstenmeldungen auf dem Schirm, schon gar nicht im Ausland.
Wenn er bspw. ausgestiegen ist, kann er gut in einer Kommune leben (Portugal, Spanien usw.) oder letztlich sonst wo. Und nicht jeder, der es wüsste, dass er vermisst wird, erzählt es den Behörden.