Tita1992 schrieb:Bei einem Suizid hätte ich erwartet, dass seine sterblichen Überreste aufgetaucht wären
Das „erwarten“ viele und doch sieht es häufig ganz anders aus. Als ich (Depression, Panikattacken, Autismusspektrums-Störung, soziale Phobie) akut suizidal war, habe ich bei dem folgenden Versuch alles daran gesetzt, dass man mich niemals finden wird. Auch bei meinem Zweiten. Beim Dritten war‘s mir dann schon egal.
Diese Erwartungshaltung, dass man die sterblichen Überreste eines Suizidenten unbedingt finden müsste; dem ist eben nicht so.
Menschen mit Depression können eine fantastische Fassade aufbauen. Seit Robin Williams sollte das bekannt sein. Und auch bei mir würde mein nächstes Umfeld das nicht glauben (manche glauben es auch nicht, obwohl sie es wissen).
Bei Henning Vogt steht für mich hier alles offen. Keiner weiß, was bei dem Gespräch mit dem Therapeuten besprochen wurde und was ihn so aufgewühlt hat. Ggf. war es etwas, was schon länger in ihm schwelte und nur dadurch eben akut wurde (damit meine ich nicht unbedingt Suizidalität).
Was mich an dem Filmfall etwas irritiert, dass sich Henning Vogt erst aus der Wohnung geschlichen zu haben scheint, als der Partner vom Einkaufen wieder zurück war. Nicht vorher, obwohl da sicher genügend Zeit gewesen wäre, sogar ein paar Sachen einzupacken. Meiner Meinung nach, muss da etwas ganz spontan in ihm aufgekommen sein, irgendein Impuls. Und er hat schon einmal mehr mitgenommen, als viele andere Vermisste (Schlüssel, Bankkarte, Ausweis).
Ein Absetzen kann ich mir gut vorstellen; es würde zu der im Film gezeigten Persönlichkeitsstruktur passen und seit Fridolin Pfanner traue ich das auch ausnahmslos jedem zu, sich absetzen zu können.
Suizid, Verbrechen, Unfall…auch das liegt im Bereich des Möglichen.
Es wäre interessant gewesen, welche Medikamente er nahm/abgesetzt hat. Psychopharmaka wirken durch „Spiegel“, das heißt, es muss erstmal im Blut eine gewisse Masse des Medikaments aufgebaut und dann eben dauerhaft werden, das geht meist über mehrere Wochen, bis man den Spiegel erreicht hat. Genauso beim Absetzen; hier ist es aber üblich, das Medikament auszuschleichen, also in regelmäßigen Abständen immer weniger zu nehmen, bis man keins mehr braucht, um eben den Sucht-Symptomen entgegenzuwirken.
Und bei nicht wenigen wirkt der eigentliche Wirkstoff nicht, aber dafür sind die Nebenwirkungen furchtbar.
Henning Vogt scheint ja mit und nach dem Absetzen wenig bis gar keine Probleme gehabt zu haben (ich beziehe mich hier nur auf die XY-Darstellung).
Ich, für mich, denke, das Gespräch mit dem Therapeuten hat etwas ausgelöst, unabhängig ob da schon lange etwas in ihm unterschwellig kochte und jetzt ihm nur klar wurde oder ganz spontan in ihm hochploppte. Wenn ich mich nicht irre, war es doch ein neuer Therapeut und eins der ersten oder das erste Gespräch?