Das rätselhafte Verschwinden von Kris Kremers & Lisanne Froon
31.08.2016 um 16:06Das stimmt so nicht, es war nicht besonders schlau, sich z.B. keine Gedanken darüber zu machen, was wohl sein würde, wenn man von einer Schlange gebissen wird (deswegen geht man ja nicht mit solcher leichten Kleidung in den Urwald) oder in eine andere Notlage kommt (zumindest aufgeladene Handys und Informationen über die Verfügbarkeit des Hany-Netzes sollte man haben).Das kann und darf man so nicht sehen. Sie kamen aus unserer europäischen Welt und ich erinnere mich an die Zeit, als ich mit 19 Jahren in den südamerikanischen Nationalparks herumgewandert bin. Man ist jung, es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man am anderen Ende der Welt so spannende Dinge erleben darf, die Natur ist gigantisch, überall sind junge Leute, die von ähnlichen Erfahrungen schwärmen, man gibt sich gegenseitig Tipps und man hat das gar nicht auf dem Schirm, dass man schlecht ausgerüstet ist. Man hat sich vor Abreise in einem Outdoor-Laden ein paar vernünftige Wanderschuhe und sonst noch einiges Zubehör besorgt und dann geht es los. Und ich bin ein kein besonders dummer Mensch und trotzdem habe ich da Sachen gemacht, die ich in Deutschland nie und nimmer machen würde. Ich war jung, abenteuerlustig und trotzdem noch deutlich vernünftiger als so manch anderer Mensch, den ich dort traf. Und trotzdem kam auch ich in lebensgefährliche Situationen.
Zwei Beispiele:
Ein Raftingunfall in Südamerika bei dem ich über eine lange Strecke vom Boot über steinige Felsen mitgezogen wurde, das Boot drehte sich und war über mir, ich unter Wasser. Es brauchte lange bis ich mich darunter heraus befreit hatte. Kurz darauf erfuhr ich, dass einige Zeit vorher an der Stelle zwei Menschen gestorben sind. Denen passierte dasselbe wie mir und sie verhedderten sich noch dazu an Unterwasserpflanzen und kamen nicht mehr lebend raus. Und??? Ich buchte den Trip, weil viele andere junge Leute das auch taten, ich gar nicht davon ausging, dass dort ernsthaft etwas passieren könnte, was mich in Gefahr bringt. Ich saß danach blutend und zitternd in einem Boot und mir wurde erst dann bewusst, was überhaupt passiert ist und was für eine Situation ich mich begeben hatte.
Anderes Beispiel: Ich war vor allem in Peru, Bolivien, Chile und Argentinien unterwegs, fühlte mich in diesen Ländern nach einigen Monaten sehr sicher. Bei einem Trip nach Brasilien drängte ich spät abends nach meiner Ankunft Bekannte, mit denen ich mich dort traf, doch noch eben zum Meer zu gehen, dass wir von unserer Unterkunft aus rauschen hören konnten. Man musste nur durch einen kleinen Palmenwald und dann wäre man dort gewesen. Ich war berauscht von dem Klima, das so anders war, als in den anderen vorgenannten Ländern, war voller Euphorie mir bekannte Gesichter zu sehen, was sollte schon passieren? Meine Bekannten waren zu müde und wollten den Strandgang auf den frühen Morgen verschieben. Ich stand bereits um sieben Uhr auf und wollte los. An der Rezeption wurde ich dann aufgeklärt, dass es in dem Palmenwald vor allem nachts von giftigen Schlangen nur so wimmelt und dass der Strandabschnitt tagsüber ein einziger Traum, nachts aber der sogenannte "Schwulenstrand" sei, bei dem es auch viele Drogendealer gibt und es oft zu Überfällen kommt. Auch da wurde mir ganz anders. Und? Ich las zig Reiseführer vor meinem Trip, ich war gut informiert, sprach die Sprache, hatte gute Ausrüstung, bin an sich ein sehr rationaler Mensch und trotzdem kam ich in solche blöden Situationen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Unfalltheorie ist bei weitem nicht so abwegig, wie hier viele meinen. Euphorie, Selbstüberschätzung, sich zu wenig Gedanken machen und dann eine unvorhergesehene Situation und plötzlich ist alles anders. Das alles ist auch eine Sache von Lebenserfahrung. Dieser Trip hätte die beiden Mädels um Welten vorangebracht, wenn sie es überlebt hätten. Dass sie das nicht überlebt haben, ist die größte Tragik überhaupt, aber es bedarf dazu nicht immer eines bösen Mr. X.