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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.06.2019 um 19:06
Zitat von AndanteAndante schrieb:Deine Schlussfolgerung würden so dann ja auch für den verurteilten Werner M. gelten müssen. Dennoch hat die Strafkammer in seinem Fall diesen Schluss nicht gezogen und ihn eben NICHT wegen Mordes verurteilt. Dafür muss es Gründe geben, die im Urteil stehen. Dort wird auch zu finden sein, wie Strafkammer die gerichtsmedizinischen Gutachten bewertet hat etc. Da ich aber, wie gesagt, das Urteil nicht kenne, halte ich mich in Fragen zum Urteilsinhalt und seiner Interpretation raus.
Was Sie hier behaupten, geht am eigentlichen Thema vollkommen vorbei. Sie versuchen das Pferd von hinten aufzuzäumen.

Wenn eine StA Ermittlungen wegen Verjährung einstellen will, muss sie vorher sicherstellen, dass neue Ermittlungsergebnisse niemals einen Straftatbestand zum Vorschein bringen könnte, der noch nicht verjährt ist. Mord ist ein Tatbestand der niemals verjährt (was in D bekanntermaßen mehr oder weniger auf einer politischen Entscheidung beruht und daher in anderen Ländern selten anzutreffen ist).

Die StA müsste also bei Ablehnung neuer Ermittlungen auf Grund angeblicher Verjährung sicher stellen, dass niemals Mord als Tatbestand möglich erscheint. So eine Feststellung kann man VOR den Ermittlungen im vorliegenden Fall gar nicht treffen, man kennt vor der Aufnahme von Ermittlungen z.B. keine möglichen Einlassungen von evtl. Verdächtigen/Zeugen. Diese könnten durchaus weiter Details dem Ablauf der Entführung ans Tageslicht bringen, mit deren Hilfe ein Gutachter noch den Tod durch die Sedierung durchaus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Todesursache ansehen kann.

Erst nach Abschluss der Ermittlungen können die Ergebnisse zeigen, ob eine Anklage noch eine ausreichende Sicherheit zu einer Verurteilung hat, eben vielleicht weil die Tat eben doch verjährt ist. Aber das kann man vor dem Aufnehmen neuer Ermittlungen gar nicht wissen.

Das Urteil gegen M spielt hier bei dieser Frage daher nicht die geringste Rolle.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.06.2019 um 20:28
Die Ausführungen zum Zustand des Mädchens beim Hineinsetzen in die Kiste sind ebenso unausgegoren wie die Ausführungen zur Verwendung des Grundig Tonbandgeräts.
Hier ein Absatz aus dem Urteilstext, der das veranschaulicht:

"Eine Aussage dazu, ob das Kind bereits beim Einbringen in die Kiste bewusstlos gewesen sei, konnte der Sachverständige (Name) nicht treffen. Nach seinen Ausführungen hätten die bei der chemischtoxikologischen Untersuchung erhobenen Befunde keine Hinweise für eine Aufnahme körperfremder Substanzen (z. B. betäubende Stoffe wie Barbiturate, Benzodiazepine oder andere Arzneistoffe) ergeben. Es lägen auch keine Hinweise für eine Aufnahme von betäubenden flüchtigen Stoffen wie z. B. Äther oder Chloroform vor, so dass eine akute Aufnahme derartiger Stoffe im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt des Todes nicht in Betracht komme. Die einzige toxikologisch nicht nachweisbare Substanz wäre Lachgas."

Für Ursulas Zustand gibt es drei Möglichkeiten: wach, bewusstlos und tot.
Wach ist praktisch ausgeschlossen, weil es keine Hinweise auf Gewalteinwirkung, Abwehr oder Bewegung in der Kiste gibt.
Über bewusstlos hat der Sachverständige keine Aussage geliefert. Vielleicht hätte er sich über die Wirkung von Lachgas und dessen Anwendungsweise schlau machen sollen. Eine fachgerechte Sedierung durch Lachgas (mit einem Anteil Sauerstoff in der Atemluft) hätte Ursula innerhalb der ersten Minuten in der Kiste aufwachen lassen. Bei Lachgasgabe ohne Sauerstoffanteil wäre sie an Sauerstoffmangel gestorben. Der Transport in die Kiste hat mindestens 10 min gedauert. 10 min ohne Sauerstoff sind tödlich.

Es gibt schon noch weitere Ungereimtheiten. Die habe ich bereits früher beschrieben.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.06.2019 um 20:41
@robernd

Wirklich Klarheit könnten da eben evtl. nur neue Ermittlungen bringen, vielleicht wird bei einer Befragung jemand doch weich und gesteht die Umstände der tat.

Wie gesagt, alles nicht auszuschließen, daher dürfte wohl eine Einstellung auf Grund eine "möglichen" Verjährung kaum berechtigt sein.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.06.2019 um 23:41
@robernd

Wach schliesse ich auch aus, aus genannten Gruenden. Ich habe mich mit jemandem unterhalten, der sich beruflich mit Luftqualitaet auskennt, und der auch selbst Versuche gemacht hat, um herauszufinden, ab wann er es merkt, wenn ihm die Instrumente oder Systeme ausfallen und sich CO2 in der Luft anreichert. Schlimme Kopfschmerzen, Atemnot und Panik setzen schon frueh ein, lange bevor es lebensbedrohlich wird. Aus diesen Gruenden schliesse ich aus, dass das Opfer in der Kiste ueberhaupt jemals bei Bewusstsein war. Ich gehe davon aus, dass sie entweder sterbend/komatoes oder tot in diese Kiste verbracht wurde, und meiner persoenlichen Ansicht nach waere das Mord.

Zur Todesursache fallen mir vier Moeglichkeiten ein. Erstens, sie starb an einer Ueberdosis Lachgas. Zweitens, sie starb an einem ungewoehnlichen BTM, auf das damals nicht getestet wurde, weil man nicht darauf kam. Drittens, es liegt ein Messfehler vor (kann ich als Fachfremde nicht beurteilen). Viertens, sie starb gar nicht an einem BTM, sondern an etwas anderem.

Lachgas kann man im Supermarkt kaufen, und mit geringem handwerklichen Geschick koennte man etwas basteln, um es zu verabreichen. Man wuerde das Opfer dann aber bei Verabreichung ueber eine Maske ziemlich sicher umbringen. Koennte das so gewesen sein? Lachgas kannte man in Deutschland damals eigentlich nur aus amerikanischen Filmen. Es gab auch einige Zahnaerzte, die es verwendet haben, ansonsten gab es nur wenige andere Kontexte, in denen es vorkam. Als Droge war es damals in Deutschland wenig bis gar nicht bekannt. Aus den USA sind aber einige Faelle dokumentiert, teilweise Medizinstudenten, teilweise Normalbevoelkerung. Vielleicht gab es das auch noch in anderen Laendern.

Koennte es sein, dass jemand Lachgas in Pink Panther oder einem aehnlichen Film gesehen hat, und dann einen Geistesblitz hatte, als er die Patrone im Sahnespender wechselte? Ich wuerde in diesem Fall davon ausgehen, dass er es selbst erst einmal an sich ausprobieren wuerde. Ohne Maske, also nur aus einem Luftballon inhaliert, ist es ueberlebbar, wobei es auch da toedliche Unfaelle geben kann. Bei laengerem oder wiederholten Konsum gibt es neurologische Ausfaelle oder Psychosen.

Oder hatte er einmal Lachgas beim Zahnarzt bekommen, es angenehm gefunden, und dann versucht, das zuhause mit einem Sahnespender nachzustellen? Ich frage mich einfach, wie jemand darauf kommen wuerde. Oder fiel ihm das Lachgas irgendwie in einem Altbestand in die Haende, zB vom Bund?

Zur zweiten Moeglichkeit, einem ungewoehnlichen BTM. Koennte das sein? Womit haetten wir es hier zu tun? Einer Person, die im Gesundheitswesen taetig ist? Jemandem aus der Chemiebranche? Jemandem mit Auslandserfahrung in Laendern, in denen andere Medikamente verwandt werden, die vielleicht einfach ohne Rezept zu bekommen sind?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 11:15
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Wach schliesse ich auch aus, aus genannten Gruenden...
Schlimme Kopfschmerzen, Atemnot und Panik setzen schon frueh ein, lange bevor es lebensbedrohlich wird. Aus diesen Gruenden schliesse ich aus, dass das Opfer in der Kiste ueberhaupt jemals bei Bewusstsein war. Ich gehe davon aus, dass sie entweder sterbend/komatoes oder tot in diese Kiste verbracht wurde, und meiner persoenlichen Ansicht nach waere das Mord.
In dem Punkt sind wir uns seit Monaten einig.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Man wuerde das Opfer dann aber bei Verabreichung ueber eine Maske ziemlich sicher umbringen. Koennte das so gewesen sein?
Mit einer Maske würde das sicher passieren. In Baumärkten gab es einfache Feinstaubmasken, die dafür geeignet waren, obwohl sie bei Überdruck luftdurchlässig waren. Eine Platiktüte über dem Kopf, wie es der Gerichtsmediziner beschrieben hat, kann ich mir nicht vorstellen.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Lachgas kannte man in Deutschland damals eigentlich nur aus amerikanischen Filmen.
Das war bei älteren Menschen anders. Während meiner Kindheit wurde im Zusammenhang mit Narkosen häufig Lachgas erwähnt.
Einen Sahnebereiter für Lachgaspatronen hatte ich früher selbst (kaum verwendet, weil schwer zu reinigen). Mit einer Patrone kam man sicher nicht weit. Äußerlich sehen die Lachgaspatronen wie Kohlensäurepatronen aus. Vielleicht war es möglich, einen Wassersprudler (1-Liter-Druckflasche für kleine Patronen) mit mehreren Lachgaspatronen zu befüllen. Als Droge kannte ich es nie.

Ich kannte nur den Spaß, Helium zu inhalieren, um wie Micky-Maus zu sprechen. Das ging mit einem Schlauch an einer Heliumflasche (wo sie beruflich benutzt wurde). Dabei war allen klar, dass man das wegen Sauerstoffmangels nicht lange machen durfte.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Zur zweiten Moeglichkeit, einem ungewoehnlichen BTM.
Ungewöhnlich war ein BTM per Definition, wenn es die wenig selektiven Methoden nicht nachweisen konnten. In dem Punkt hatte sich die Gerichtsmedizin wohl keine große Mühe gegeben.


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15.06.2019 um 11:16
@ErwinKöster
@robernd

Eigentlich gibt es zwei Aspekte, die auf Mord deuten, erstens die unsachgemaesse Betaeubung und zweitens dass sie ein bewusstloses Kind in einer Kiste vergraben haben.


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15.06.2019 um 11:21
@robernd

Koenntest Du ausrechnen, wie weit man mit einer Lachgaspatrone kommen wuerde, also wieviele Atemzuege da drin waeren?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 12:26
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Koenntest Du ausrechnen, wie weit man mit einer Lachgaspatrone kommen wuerde, also wieviele Atemzuege da drin waeren?
Eine Lachgaspatrone enthält 8 g. Die Dichte beträgt 1,85 kg/m3. Damit enthält eine Patrone 4,3 Liter Lachgas bei normalem Luftdruck.

Die Anzahl der Atemzüge zu bestimmen ist schwieriger.
Nehmen wir an, ein Kind atmet 0,3 Liter/Atemzug. Dann sind es 14 Atemzüge.
Bei 20 Atemzügen pro Minute wäre es rein rechnerisch ein Vorrat für knapp 1 min (0,72 min).

Jetzt schlägt die konkrete Konstruktion der Beatmungseinrichtung zu. Das meiste Lachgas dürfte wieder ausgeatmet werden. Wenn es wieder in den Vorrat zurück fließt, reicht dieser länger. Andererseits gibt es auch Verluste, die gesamte zur Verfügung stehende Menge lässt sich kaum inhalieren.
In einer "Gesamtschau*" würde ich bei einer einfachen luftdurchlässigen Atemmaske (z.B. Feinstaubmaske mit improvisierter Schlauchzuführung) 1 Minute kalkulieren. Bei halbwegs dichter Maske mit einem Gummiballon zur druckfreien Rückführung, könnte ich mir um die 2 Minuten vorstellen.
Bei Inhalation aus einem Luftballon und bewusstem wieder Ausatmen in den Ballon bin ich überfragt. Es hängt im Wesentlichen davon ab, wie viel Lachgas der Körper während der Inhalation aufnimmt. Das können wir in unserem Fall sicher ausschließen.

* Also ziemlich unverbindlich


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15.06.2019 um 12:42
@robernd

OK, super, das hilft wirklich weiter. Dann wuerde man also bei einer Wegstrecke von einer Viertelstunde (Spaziergaengertempo) plus Entfuehrung und Verbringung in die Kiste zumindest mal zwanzig Patronen brauchen und staendig auswechseln muessen. Zwei Sahnespender? Dann braeuchte man vier Personen.

Das Opfer waere dabei wahrscheinlich schon knapp vor dem Hoehenweg verstorben.

Mit einem Entonox Kanister waere der Transport einfacher, und die Ueberlebenschancen waeren umgleich hoeher.


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15.06.2019 um 13:23
@Andante
Vielen Dank für Deine Erläuterung bzgl. Mordmerkmal, sehr interessant!

Ich verstehe den Punkt, ich meine nur, da wir die Motive bis heute nicht kennen, da wir mit WM mit gewisser Wahrscheinlich den falschen Täter haben, kann ein Gericht m.E. Mord nicht ausschließen. Wer sagt denn, dass der od. die Töter den Tod nicht billigen in Kauf nahmen oder sogar von Anfang an beabsichtigt haben? Nur weil Hefte und Kekse in der Kiste lagen? Das wäre m.E. lächerlich darauf zu bauen, denn das besagt nichts. Wir können nur spekulieren, daher ist der Ausschluss von Mord m.E. fahrlässig. Sag ich als Nichtjurist und mag da juristisch falsch liegen, aber logisch ist das m.E. Auf jeden Fall.


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15.06.2019 um 15:08
@EdgarH

Die Handhabung anderer Tötungsdelikte belegen ja auch Deine Sichtweise.

Dass im Fall Lolita Brieger nur Totschlag vorlag, hatte dort auch erst ein Gericht festgestellt. Hätte man Totschlag von Anfang an vorausgesetzt, hätte man nach der Logik von @Andante nie Ermittlungen aufnehmen und erst recht keine Anklage erheben dürfen.

Ermittlungen wären allenfalls nur nicht möglich, wenn Mord im vorliegenden Fall gänzlich ausgeschlossen wäre.

Aus der § 152 Abs. 2 StPO geht auch - jedenfalls aus dem Wortlaut - wie es @Andante gern sehen würde gar nicht hervor. Dort steht nur:
Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Dort geht es nur um einen Verpflichtung zur Ermittlung, nicht um ein Verbot von Ermittlungen. Hier ist ein bloßer Verweis auf ein Gesetz aus dem ein Verbot gar nicht hervor geht, als Stützung dieser m.E. verqueren Sichtweise, mitnichten ausreichend.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 15:29
Es geht nicht darum, was nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Es geht um die Frage, für welche Straftat „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO vorliegen.

Welche zureichenden TATSÄCHLICHEN (dh nicht nur vermuteten) Anhaltspunkte haben wir hier?

Hier kann der Tod des Kindes „leichtfertig“ im Sinne von § 239 a StPO verursacht worden sein sowohl durch eine Überdosis Lachgas wie durch die mangelhafte Belüftung. Wie und woran soll die Abgrenzung zu Mord im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB festgemacht werden? Welches Mordmerkmal soll einschlägig sein?

Also: Welche zureichenden TATSÄCHLICHEN Anhaltspunkte gibt es für Mord und nicht für § 239 a Abs. 3 StGB?

Für welche Fallgestaltungen soll überhaupt § 239 a StGB noch gelten, wenn eine beabsichtige Entführung zur Lösegelderpressung mit dem Tod des Entführten endet?


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15.06.2019 um 15:34
@Andante
Der Vorsatz, dass Kind in der Kiste sterben zu lassen. Und den kann man nicht ausschließen.

@JosefK1914-2
Danke für Deine rechtliche Einschätzung.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 15:39
@Andante
Gut dann wäre das geklärt, dass gar kein Verbot vorliegt. Ob eine Verpflichtung zur Ermittlung vorliegt, kann man erst bei Abschluss der Ermittlungen erkennen, wie gesagt ähnlich wie im Fall Lolitta Berger.

Im vorliegenden Fall ging es auch darum 2000.000 DM zu erhalten. Das ist für mich ein deutliches Zeichen für Habgier.
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Der Vorsatz, dass Kind in der Kiste sterben zu lassen. Und den kann man nicht ausschließen.
Auch das kann man nicht völlig ausschließen, schließlich sollen die Belüftungslöscher zusätzlich zugestopft gewesen sein. Hier kann einer der Täter durchaus willentlich den Tod des Opfers gewollt haben, vielleicht schien ihm dann die Gefahr zu groß, dass die Schallabsorption nicht funktionierte.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 15:53
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Der Vorsatz, dass Kind in der Kiste sterben zu lassen. Und den kann man nicht ausschließen.
Das ist eben die Frage, wie hier der Vorsatz, Ursula zu töten, beweisbar sein soll. Noch einmal: es geht nicht darum, was man nicht ausschließen kann.

Es geht darum, was vor Gericht beweisbar ist. Da der Staat einem Angeklagten seine Schuld beweisen muss, muss hier Mordvorsatz nachgewiesen werden. Wie soll das gehen? Jeder Verteidiger wird darauf hinweisen, dass kein Mordvorsatz vorlag und dazu auf die Belüftungsversuche und die Essensbeigaben verweisen. Und noch einmal: welches Mordmerkmal sollte hier einschlägig sein?
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Gut dann wäre das geklärt, dass gar kein Verbot vorliegt. Ob eine Verpflichtung zur Ermittlung vorliegt, kann man erst bei Abschluss der Ermittlungen erkennen, wie gesagt ähnlich wie im Fall Lolitta Berger.
Nein. Bei Lolita Brieger gab es von Anfang an zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StGB für Mord. Der Fall lag anders als hier.

Und ja, es ist rechtlich so, dass die StA nicht einschreiten darf, wenn die Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 StPO nicht vorliegen, wenn also a) keine zureichenden Anhaltspunkte für die betreffende Straftat vorliegen und b) die betreffenden Straftat nicht (mehr) verfolgbar ist.

Die StA ist nun mal von Gesetzes wegen nicht zur umfassenden Ermittlungen bei allen Sachverhalten berufen, die jemand für zu ermitteln notwendig erachtet. Genau das denken aber viele. Da denken sie falsch.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 15:58
Folgendes Szenario kann man auch nicht ausschließen:

Angenommen das Opfer hat einen der Täter noch erkannt, dann kann es durchaus sein, dass das Opfer bewusst mit einer Überdosis sediert wurde und als zusätzliche Sicherheit noch die Lüftungsrohre zugestopft.

Das wäre dann eindeutig Mord wegen Verdeckung einer Straftat.

Wie gesagt, es gibt hier viel zu viel Möglichkeiten, Mord ausschließen kann man zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das ist eben die Frage, wie hier der Vorsatz, Ursula zu töten, beweisbar sein soll. Noch einmal: es geht nicht darum, was man nicht ausschließen kann.
Sie argumentieren hier ständig, dass angeblich Ermittlungen erst gar nicht mehr aufzunehmen sind. Sie vermuten, Mord wäre nicht beweisbar. Das würde man erst im Abschluss der Ermittlung erkennen (wie im Fall Lollita Berger).
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und ja, es ist rechtlich so, dass die StA nicht einschreiten darf, wenn die Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 StPO nicht vorliegen, wenn also a) keine zureichenden Anhaltspunkte für die betreffende Straftat vorliegen und b) die betreffenden Straftat nicht (mehr) verfolgbar ist.
Das geht nicht aus dem Gesetz hervor. Sie sagen hier viel wenn der Tag lang, ist, das kenne ich aus anderen Threads schon so. Sie zählen hier nur auf, wann eine Verpflichtung vorliegt, das ist aber kein Verbot.

Wiegesagt, hier wäre ein Nachweis des VERBOTS notwendig.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 16:17
@Andante

So wie es aussieht, hat jemand eine Vollnarkose an einem Kind durchgefuehrt, um die Entfuehrung zu ermoeglichen und zu verschleiern, aus Habgier, und das Kind dann in bewusstlosem oder totem Zustand in einer Kiste im Wald vergraben. Das Kind hat die Narkose nicht ueberlebt, man kann also davon ausgehen, dass der Betreffende entweder nicht die richtige Ausruestung dabei hatte, oder nicht ausgebildet war oder beides.

Da standen mindestens zwei Personen an einem Loch im Wald, in welches eine Kiste eingelassen war. Sie hatten ein bewusstloses Kind in den Haenden - wenn sie es nicht vorher umgebracht haben - und haben sich entschlossen, es in dieser Kiste einzugraben, anstatt Hilfe zu holen oder es zumindest ein paar Meter weiter an die Strasse zu legen, damit sie vielleicht ein Autofahrer findet.

Juristin bin ich wie gesagt nicht, aber als leichtfertig wuerde ich diese Handlungsweise nicht bezeichnen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 17:13
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Sie zählen hier nur auf, wann eine Verpflichtung vorliegt, das ist aber kein Verbot.

Wiegesagt, hier wäre ein Nachweis des VERBOTS notwendig.
Es braucht nicht den Nachweis eines ausdrücklichen Verbots. Es reicht die fehlende Verpflichtung. Sonst könnte ja jeder Bürger jederzeit kommen und von der StA sofortigen Ermittlungsservice verlangen, so wie er (der Bürger) es gerne hätte. Die StA wäre verpflichtet, allen solchen Bürgerwünschen nachzukommen. Dann wäre § 152 Abs. 2 StPO überflüssig. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung der StA zum Einschreiten aber nun mal auf die in § 152 Abs. 2 StPO genannten Fälle begrenzt.

Ich gebe ein Beispiel für eine nicht verfolgbare Straftat, wie sie in § 152 Abs. 2 StPO gemein ist. Nehmen wir die 3 Armbrusttoten von Passau. Bisher geht die StA nach ihren Ermittlungsergebnissen davon aus, dass eine der Toten, Farina C., die beiden anderen auf deren Wunsch hin mit der Armbrust getötet und sich dann selbst erschossen hat.

Die Erschießung der beiden anderen könnte eine nach § 216 StGB strafbare Tötung auf Verlangen sein. Also müsste die StA gegen Farina C. aufgrund von § 152 Abs. 2 StPO wegen Verdachts einer Tötung auf Verlangen ermitteln, strafbar nach § 216 StGB. Die Tötung auf Verlangen ist hier aber nicht mehr verfolgbar, da Farina C. tot ist. Gegen Tote wird in D laut Gesetz nicht ermittelt.
Also ist die StA nicht verpflichtet, hier wegen der Tötung auf Verlangen einzuschreiten.

Sie müsste (und würde daher) auch dann nicht einschreiten, wenn Angehörige der beiden Toten vermuten würden, Farina C. habe die beiden gegen ihren Willen getötet, vielleicht sogar im Schlaf, die beiden also womöglich ermordet. Denn auch ein möglicher Mord oder Totschlag wäre nicht verfolgbar, da Farina C. nun mal tot ist und nicht mehr bestraft werden kann.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Juristin bin ich wie gesagt nicht, aber als leichtfertig wuerde ich diese Handlungsweise nicht bezeichnen.
Bei Werner Mazurek hat die Strafkammer aber keine Tötungsabsicht angenommen, sonst hätte sie ihn nicht wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge verurteilt, sondern wegen Totschlags oder gar wegen Mordes. Warum das nunmehr bei einem potentiellen anderen Täter unbedingt anders gesehen werden müsste, erschließt sich mir nach wie vor nicht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

15.06.2019 um 17:33
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es braucht nicht den Nachweis eines ausdrücklichen Verbots. Es reicht die fehlende Verpflichtung. Sonst könnte ja jeder Bürger jederzeit kommen und von der StA sofortigen Ermittlungsservice verlangen, so wie er (der Bürger) es gerne hätte. Die StA wäre verpflichtet, allen solchen Bürgerwünschen nachzukommen. Dann wäre § 152 Abs. 2 StPO überflüssig. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung der StA zum Einschreiten aber nun mal auf die in § 152 Abs. 2 StPO genannten Fälle begrenzt.
Also endlich, das vorliegen der Punkte bedeutet rein nur eine fehlende Verpflichtung, mehr nicht. Letztendlich liegt es dann im Ermessen der StA trotzdem Ermittlungen durchführen zu lassen, wenn die STA aus anderen Gründen es für erforderlich erachtet. Der Gesetzgeber wird bewusst nur eine Pflicht zur Ermittlung definiert haben aber eben kein Verbot. Klar kann man dann bei fehlenden Voraussetzungen kein Erzwingungsverfahren durchführen, aber Sie haben hier ständig davon gesprochen, dass die StA nicht ermitteln darf und genau das geht nicht aus dem Gesetz nicht hervor.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Gegen Tote wird in D laut Gesetz nicht ermittelt.
Auch das ist wieder etwas anderes, im vorliegenden Fall wäre es erstmal um Ermittlungen gegen Unbekannt geben. Wenn sich dann rausstellen würde, dass die mutmaßlichen Täter schon verstorben sind, stellt man die gegen diesen die Ermittlung ein, weil man einem Toten kein rechtliches Gehör mehr gewähren kann und damit kein faires Verfahren mehr möglich wäre. Aber hier hat die Einstellung andere Gründe, die sich nicht direkt aus § 152 Abs. 2 StPO ergeben.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Bei Werner Mazurek hat die Strafkammer aber keine Tötungsabsicht angenommen, sonst hätte sie ihn nicht wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge verurteilt, sondern wegen Totschlags oder gar wegen Mordes. Warum das nunmehr bei einem potentiellen anderen Täter unbedingt anders gesehen werden müsste, erschließt sich mir nach wie vor nicht.
Ihnen erschließt es sich nicht, das mag sein.

Wie gesagt, das ist spielt vorliegend keine Rolle. Für die Annahme eines Mordes liegen schon ausreichende Anhaltspunkte vor, die wurden schon aufgeführt (verstopfte Belüftungsrohre, keine Bewegung des Opfers innerhalb der Kiste mehr etc.). Die können noch sich bei neuen Ermittlungen durchaus noch weiter erhärten. Genau dafür sind Ermittlungen auch da.


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15.06.2019 um 17:34
Es gibt weitere Beispiele, in denen die StA wegen Nichtverfolgbarkeit nicht zum Einschreiten verpflichtet ist. Das sind die Fälle, in denen ein Angeklagter rechtskräftig freigesprochen worden ist.

Gegen ihn darf auch dann, wenn sich erst später Beweise für seine Schuld finden, aufgrund des Freispruchs wegen desselben Delikts nicht noch einmal ermittelt werden, auch wenn die Angehörigen ein erneutes Einschreiten der StA verlangen. Das folgt aus Art. 103 Abs. 3 GG, wonach niemand wegen derselben Tat mehrfach bestraft werden kann.

Besonders tragisch war das im Fall Frederike von Möhlmann. Bekanntlich wurde damals der, der als Mörder angeklagt war, aus Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen. Erst später war es aufgrund neuer DNA-Analysemethoden möglich, ihn zu überführen. Die Angehörigen verstanden den Rechtsstaat nicht mehr, als dieser keine neuen Ermittlungen gegen den Täter aufnahm. Aber die StA durfte eben nicht wegen des rechtskräftigen Freispruchs bzw. wegen Art. 103 Abs. 3 GG


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