JosephConrad schrieb:Frage ist nun ob die Dämpfung der rekonstruierten Tonfolge charakteristisch für das Gerät von Herrn Mazurek ist, oder ob dies auch in einem anderen Gerät (z.B. im Diktiergerät) passiert sein kann (Für die Schaltgeräusche gilt dasselbe). Und ob die akustische Überspielung zu viele Freiheitsgrade hat um sich ein Urteil erlauben zu können.
Die vom LKA gefundene Dämpfung ist nicht charakteristisch für das Gerät von Werner M.
Charakteristisch ist die Kombination von
1. Gerät von Werner M.
2. Bandgeschwindigkeit 9,5
3. Stereowiedergabe eines Mono-Signals
4. Mikrofon 10 cm vor den Hochtonlautsprechern.
Ist nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, löst sich die LKA-Aussage in Luft auf.
Die Eigenschaften des Geräts von Werner M. habe ich mit einem baugleichen Gerät nachgestellt (dieses auf die im Gutachten beschriebenen Eigenschaften einjustiert) und damit 1/2 Jahr experimentiert. Ja, damit lässt sich exakt alles nachempfinden, das die Gutachterin beschrieben hat. Aber es lässt sich keine Übertragungsfähige Kassette herstellen. Das hat die Gutachterin aber auch nicht geschafft.
AnnaKomnene schrieb:Hier ist noch mal der Gleitton von @robernd da kannst Du es selbst ausprobieren. Es besteht ueberhaupt kein Zweifel daran, dass Du Schwankungen in der Lautstaerke einfach nur durch Reflexion von Waenden und Moebeln hervorrufen kannst. Man braucht dazu kein defektes Tonbandgeraet.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Gleitton ist völlig neutral. Wenn man ihn im Kopfhörer hört, gibt es keine Lautstärkeschwankungen. Diese entstehen erst durch Reflexionen und Überlagerungen im Abspielraum, also bei jedem von euch zu Hause.
Diesen Gleitton haben wir auch im Gerichtssaal während der Zivilverhandlung vorgespielt. Das Gericht wollte das verhindern mit dem Argument, die Saalanlage ließe sich nicht einschalten. Letztlich war mein Miniaturlautsprecher laut genug für das Experiment. Die anwesende Gutachterin hat die Laustärkeschwankungen zur Kenntnis genommen und erklärt, dass ein Gleitton mit dem B3-Jingle nicht vergleichbar wäre. Nun, der Gleitton enthält natürlich auch alle Töne des B3-Jingles.
JosephConrad schrieb:Man müsste es mal explizit mit dem Jingle und mehreren Maschinen so durchführen, wie es @robernd seinerzeit beschrieben hat und gut.
Gerne und jederzeit. Ich schätze, dass ich in einem beliebigen (nicht speziell bedämpften) Raum 1/4 Stunde brauche, für das Mikrofon die richtige Position zu finden. Dafür reicht es aus, das Mikro in Schritten von 3 cm zu verschieben, bis es passt. Aber es wäre überhaupt nichts gut. Das ganze ist keine neue Erkenntnis sondern ein uralter Hut. Jeder Akustiker weiß, dass es so geht. Deshalb werden für Lautsprechermessungen prinzipiell keine Sinustöne verwendet, weil genau dieser Effekt alle quantitativen Angaben kaputt macht.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Die meisten Surround-Verstärker haben eine Einmessautomatik, um den Verstärkerfrequenzgang an den Heimkinoraum anzupassen (mit einem eingebauten Equalizer/Frequenzfiltern). Dafür erzeugt der Verstärker nacheinander für jeden der angeschossenen Lautsprecher Messtöne, die mit einem mitgelieferten Messmikrofon erfasst werden. Die Messtöne sind Rauschen und keine Sinustöne, weil mit Sinustönen ein chaotisches Ergebnis erzielt wird. Und genau dieses chaotische Ergebnis ermöglicht es uns, beliebige Töne des B3-Jingles abzuschwächen. In der Praxis ist es also völlig egal, ob wir den 5. oder 6. Ton abschwächen wollen. Beim Täter hat es eben zufällig den 6. Ton erwischt.
panta_rhei schrieb:2.) Was mich noch viel mehr beschäftigt - und entschuldigt bitte meine völlige Laienhaftigkeit: Für das LKA-Gutachten wurde ja die vom BR zur Verfügung gestellte Vorlage verwendet, die im Jahr 1981 vom Radiosender ausgestrahlt wurde. Im Rahmen des Gutachtens wurde dann versucht, die 1981 aufgezeichneten Anrufe quasi "nachzubilden", also mithilfe des Tonbandgeräts (und vergleichbaren Geräten derselben Reihe), das bei WM gefunden wurde, auf der Grundlage dieser einen BR-Vorlage. Habe ich das richtig verstanden? Wenn ja: Ich verstehe grundsätzlich nicht, wieso eigentlich diese Vorlage verwendet wird.
Das hast du richtig verstanden. Diese Vorlage wurde verwendet, weil der BR sie zur Verfügung gestellt hat mit dem Hinweis, dass sie gesendet wurde. Diese Vorlage gehört auch definitiv in die Familie von Jingles, die ab 1979 gesendet wurden. Ich bezweifele, ob genau diese Vorlage gesendet wurde, weil sie sich von allen Radiomitschnitten, die ich habe, markant unterscheidet (aber in der Regel nicht hörbar).
ErwinKöster schrieb:Zwei Überlegungen: es gab (und gibt) ja für Rundfunkstationen automationsgestützte Systeme wie CAMOS 3000 von Studer, die für immer wiederkehrende automatische Einspielungen wie Jingles verwendet wurden. Wurden die mit Kassetten oder Tonbändern bestückt? Und wenn müssten die ja eigentlich aus dem Schallarchiv ausgefasst worden sein und nach Gebrauch dort irgendwann wieder zurückgebracht worden sein?
Die B3-Jingles wurden 1981 nicht von einem Tonträger abgespielt, sondern von einer speziell für diesen Zweck gebauten Elektronikeinheit (sog. Kennungsgeber). Wie eine Kopie davon in das BR-Archiv gelangen konnte, ist unklar. Ich könnte mir vorstellen, dass der Konstrukteur eine Probeaufnahme gemacht hat, die er dann einem Redakteur zur Begutachtung vorgespielt hat. Eventuell wurde auch eine Spezialversion für einen ganz anderen Zweck gebastelt (z.B. Fernsehfilm).
ErwinKöster schrieb:Und könnte es eigentlich nicht sein, dass als Tonträger der Erpresseranrufe von den Tätern eine "Endloskassette" verwendet wurde, wie sie in Anrufbeantwortern verwendet wurde.
Eine Endloskassette würde ich ausschließen. So etwas hatte ich einmal in einem Anrufbeantworter. Die Bandschleife darin läuft für diesen Zweck viel zu lange.
Hug schrieb:Heisst das, man hätte als Ermittler in irgendeinen Haushalt in Deutschland (von Flensburg bis Bad Reichenhall) gehen können, einen beliebigen Kassettenrekorder einer beliebigen Marke nehmen können und schon wäre man als Mörder für einen Mordfall 1981 verantwortlich? Kann man das so zusammenfassen?
Es ist eher umgekehrt: Jedermann hätte mit zwei Bandgeräten und einem Mikrofon eine Aufzeichnung mit B3-Jingles machen können, die der Tätertonfolge entsprechen. Damit hätte das Ergebnis Null Beweiskraft. Allerdings gibt es noch ein paar nicht zu unterschätzende Nebenbedingungen, die einzuhalten sind:
- Das verwendete Gerät muss sich entsprechend schnell manövrieren lassen. D.h. beim Rückspulen der Vorlage darf man nicht über den Jingle-Anfang hinaus fahren.
- Neben den B3-Jingles müssen auch die Schaltgeräusche zum Telefonmitschnitt passen.
- Die Geschwindigkeit muss entsprechend verändert werden.
Die Täter haben das alles sicher nicht gezielt gemacht, sondern irgend etwas Zufälliges erzeugt, an dem wir uns heute völlig überflüssiger Weise die Zähne ausbeißen. Wenn auf Seiten der Anklage und des Gerichts der nötige Sachverstand vorhanden gewesen wäre, würden wir heuten nicht umeinander orakeln. Und es wäre wahrscheinlich auch kein Täter gefunden worden.
Hug schrieb:Mit dem richtigen Jingel, einem Kassettenrekorder und einem Mikro kann man dann zu Stern-TV gehen. Das aufbauen und vorfürhen und sagen, dass hat den Richter nicht interessiert und ganz Deutschland versteht endlich einmal was das Problem ist. Das jeder beliebige Kassettenrekorder gefunden hätte werden können.
Wenn man aber weder den richtigen Jingle hat noch einen Recorder, der die richtigen Schaltgeräusche produziert, tut man sich schon schwer. Noch schwerer tut man sich, weil man auf Staatsanwaltschaft und Richter angewiesen ist, die Null Interesse haben, den Fall erneut aufzurollen.
Heidi71 schrieb:Ich verstehe nicht, worauf du hier hinaus willst, das was Du hier schreibst, habe ich nie behauptet.
Dann habe ich dich offenbar falsch verstanden. Könntest du plausibel erklären, wie sich deiner Meinung nach eine Zeitverzögerung (max 60 msec) auf einen B3-Jingle auswirkt.
Heidi71 schrieb:Noch eine Anmerkung zur Akustik bei Telefonen bzw. Telefonzellen: Ich glaube hier wird der Einfluss durch audiophile Experten der Tontechnik stark überschätzt, da die Mikrofone von Telefonen auf den absoluten Nahbereich optimiert sind, eben um solche Effekte durch Nebengeräusche und die Raumakustik zu minimieren. Das Mikrofon eines Telefons hat mit Sicherheit eine viel geringere Empfindlichkeit gegenüber der Raumakustik als ein hochwertiges Aufnahmemikrofon in einem Tonstudio.
Das verstehe ich nicht. Warum sollen Mikrofone unterschiedliche Empfindlichkeiten für die Raumakustik haben? Die unterscheiden sich eventuell in der Richtwirkung, dem Frequenzgang und der Empfindlichkeit. Die primitive Bauform (in Blech gestanzte Öffnungen) lässt den Schluss zu, dass es sich dabei um ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik handelt. Also empfindlich in allen Richtungen. Andere Telefon-Mikrofone haben stattdessen runde Löcher. Da lässt sich auch nichts wegoptimieren.
Das Bild ist eine TS9 (Transistor-Sprechkapsel, Piezotechnik).