Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
04.06.2019 um 18:52JosephConrad schrieb:Unwissenheit ist völlig normal. Gerade der Richter muß einem Sachverständigengutachten die Klärung solcher Sachverhalte überlassen. Da die Verteidigung kein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben hatte, es daher nur dieses eine Gutachten gab und somit alle dieses Gutachten akzeptierten, haben die Richter sich mMn. völlig korrekt verhalten. Es gibt schlichtweg offiziell nichts, das das Gutachten widerlegt. Im Gegenteil: die Verteidigung versuchte im Prozess die Tonmerkmale des Tonbandes auf das eines anderen Verdächtigen abzuwälzen (s.u.). Daher wäre es in meinen Augen juristisch eher unverständlich, wenn die Richter und Schöffen anders als getan geurteilt hätten.Mitnichten! Wenn man kein eigenes Gutachten erstellen lässt, bedeutet es in keiner Weise, dass man es akzeptiert.
Ein Gericht muss - auch wenn es auch nur ein Gutachten vorliegt - sich schon damit auseinander setzen, ob es nicht schon im Ansatz es sich um ein fehlerhaftes handelt.
Ein Gutachten muss von vornherein von der sogenannten Null-Hypothese ausgehen und dann aufbauend, die Punkte herauskristallisieren, welche gegen diese sprechen. Dies dürfte aber in dem Gutachten nicht erfolgt sein, so ist die Gutachterin nur von einer ganz speziellen Mikrofonaufstellung ausgegangen, wo rein zufällig der vorletzte Ton der Tonfolge abgeschwächt war. Schon im ersten Verfahren hatte @2r2n vor Gericht die Gutachterin damit konfrontiert, dass schon die Akustik eines Raumes diesen Ton abschwächen kann.
Die Gutachterin sagte daraufhin, dass das bei ihren Untersuchungen keine Rolle gespielt haben soll, weil das Mikrofon direkt vor dem Tonbandgerät stand. Sprich sie bestätigte diese Möglichkeit, sagte aber, dass es in ihrem "Versuchsaufbau" keine Rolle gespielt hat.
Mit etwas kritischeren Gedanken hätte der Richter hier erkennen können, dass die Gutachterin hier nicht von der Null-Hypothese ausgegangen war. Sie hat eine Mikrofonaufstellung gewählt, bei der es mehr oder weniger zufällig zu dieser Abschwächung kam. Andere Ursachen, die deren Betrachtung bei dem Null-Hypothese-Ansatz aber notwendig gewesen wären, hatte sie offensichtlich von vornherein ausgeklammert.
An dieser Stelle hätte schon das 1. Gericht erkennen müssen, dass sich die Gutachterin mit der Möglichkeit der Beeinflussung dieses Tones durch den Raum in keiner Weise auseinander gesetzt hatte. Er hätte hier die Verhandlung unterbrechen müssen und die Gutachterin "Nachsitzen" lassen müssen, damit sie ihr Gutachten entsprechend ergänzt, warum die Akustik des Raumes bei der Erstellung der Tonreihenfolge durch die Täter (nicht in ihrem Versuchsaufbau) ein Einfluss die Unterdrückung des Tones durch die Raumakustik auszuschließen gewesen wäre. Diesen Nachweis hätte sie in Wirklichkeit nie führen können, das Gutachten wäre schon damals nicht mehr haltbar gewesen.