Ich versuche, soweit es mir meine Zeit und meine derzeitigen Mandanten, deren Fälle für mich natürlich Vorrang haben, Fragen zu beantworten. Allerdings bewegt sich dieser Thread sehr schnell von einem Thema zum anderen, deshalb kann ich nicht allem folgen und deshalb kommen meine Kommentare manchmal erst viele Seiten nach der Frage.
Nun ein paar Fragen, die ich bemerkt habe:
Jacksy24 schrieb:Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man einem Zeugen (oder auch Tatgehilfen) glaubt, obwohl nur ein Teil seiner Aussagen "detailgetreu" sind... andere einfach falsch (noch dazu in meinen Augen die Wichtigsten). Dazu kommt, dass die detailgetreuen Aussagen (Beschaffenheit des Bodens, Jägerstand) vielen Leuten bekannt war.
Das Gericht hat sich nicht nur die Personen angeschaut, um die es hier geht, also natürlich in erster Linie P. und dann auch die verschiedenen Polizeibeamten, Protokollführer, sogar einen Richter im Ruhestand, einen Staatsanwalt, Gefängnisdirektoren usw. um sich ein Bild von der Glaubwürdigkeit Ps. und der Ermittlungsbeamten zu machen. Das hat es auch nachvollziehbar im Urteil dargelegt (wo ich auch wieder sagen kann, das macht nicht jedes Gericht).
Für die Einschätzung der Aussagen Ps. war wichtig, dass er
1. seine Angaben teilweise zu seinem Nachteil machte. Seine Angaben verstärkten den Verdacht, dass er an der Tat beteiligt war und eventuell angeklagt werden könnte. Das ist in den Augen dieses Gerichts und auch üblicherweise ein Indiz dafür, dass der Zeuge solche Angaben nicht erfunden hat. Denn umgekehrt nutzten die Angaben ihm nichts, auch wenn das Gericht davon ausgeht, dass eventuell eine etwas naive Ansicht des Ps damit zu tun hatte, dass er vielleicht von einer Belohnung profitieren könnte. Die Tatsache, dass er das "Geständnis" dann aber schnell "widerrief" wertet das Gericht dahingehend, dass ihm das wohl bewusst geworden war. Da waren die Angaben aber bereits gemacht.
2. Das Gericht fand keinerlei Hinweise darauf, dass P. die Angaben machte, um bewusst M. fälschlich zu belasten. Es fand kein Motiv dafür.
3. Das Gericht fand, dass entscheidende Punkte seiner Angaben mit der Realität übereinstimmten und auch sogenanntes Täterwissen offenbarten.
4. Auch nach dem Widerruf hat P. in mehreren Vernehmungen immer wieder die Kernpunkte seiner Aussage wiederholt und bekräftigt, allerdings jetzt mit dem Hinweis, dass M. nichts damit zu tun habe. Das fand das Gericht berechtigterweise, so meine Meinung, etwas skurril: denn er belastete sich weiterhin damit selbst (siehe 1.) und versuchte jetzt aber relativ unglaubwürdig den M. aus der Sache herauszuhalten. Es wertete daraufhin den "Widerruf" als relativ leicht zu durchschauenden Versuch, M. nun doch herauszuhalten und zu schützen.
5. Dahingehend wertete es spätere Angaben dann auch als bewussten Versuch, die Ermittlungen nun von M. - und auch von sich selbst - wegzuführen. Ihm erschien das aber als durchschaubare Taktik, daher nahm es einige der späteren Angaben nicht mehr ernst.
6. Das Gericht versuchte durch Befragung einiger Zeugen, die mit P. zu tun hatten, generell herauszufinden, wie man P. einschätzen müsse und kam dabei zu dem Schluss, dass weder sein Alkoholismus noch andere Probleme zwangsläufig oder auch nur gegenständlich nahelegen, dass seine Grundaussagen falsch waren.
Wie gesagt, es handelt sich hier auch nicht nur um ein einmaliges "Geständnis," sondern P. hat die Kernpunkte seiner Aussage selbst nach dem "Widerruf" mehrfach bestätigt.
Die Aussagen des P. sind sicherlich Kernstück der Verurteilung des M., und ich weiss, wie problematisch so eine Beweiswürdigung ist, wenn der Zeuge selbst verstorben ist, aber das Gericht hat sich in meinen Augen die Mühe gemacht, und es auch nachvollziehbar geschafft, darzulegen, warum es den Aussagen des P. glaubt.
margaretha schrieb:Sicher fehlt da das Ein oder andere, aber das sind Sachverhalte, die man m. M. n. nicht pauschalisieren kann, wurde darauf in der Urteilsbegründung eingegangen?
Mir ist auch klar, daß eine Alkoholismus nicht zwangsläufig „unglaubwürdig“ bedeutet, nur darf ich halt auch Zweifel daran haben, daß der daran erkrankte Pfaffinger 1982 und zu Lebzeiten als schlechter und bedenklicher Zeuge galt, dem nach seinen Vernehmungen der Besuch beim Psychiater empfohlen wird, und den die Ermittler und der Augsburger Oberstaatsanwalt als äußerst zweifelhaft sahen nach seinem Ableben als zuverlässiger Zeuge gilt.
Siehe oben. Das Gericht hat sich das angeschaut, hat diese Zeugen ebenfalls gehört, und dann einen Gesamteindruck gefasst.
robernd schrieb:Wäre die Frage tatsächlich irrelevant, hätte niemand die über 30 Bänder akribisch untersucht. Ergebnis: Sie wurden von völlig verschiedenen Geräten bespielt. Kosten für die Gutachten (es waren zwei): ca. 30.000 EUR. Gibt es eine Idee, warum diese Untersuchungen ausgeführt wurden? Wäre die Frage auch irrelevant, wenn die Bänder zum TK 248 passen?
Das mag im Nachhinein so aussehen, aber als man diese Ermittlungen in Auftrag gab, wusste man ja das Ergebnis noch nicht. M. hat angegeben, Tonbandgerät und Bänder zusammen erworben zu haben, da liegt schon nahe zu prüfen, ob die Bänder auch mal durch dieses Gerät bespielt wurden. Das Ergebnis war negativ. Wäre das anders gewesen, hätte es Ms. story vielleicht glaubhafter gemacht, vielleicht aber auch nicht. Ich persönlich denke eher nicht, daher bezeichne ich diese Fragestellung als irrelevant.
robernd schrieb:In diesem Zusammenhang: Offenbar wurden im Urteil mehrere irrelevante Indizien verwendet. Auf welche hätte das Gericht deiner Meinung nach verzichten können, ohne den Urteilsspruch zu verändern? Eine kurze Liste hatte ich ja schon zur Verfügung gestellt.
Ich denke, den Tonbandkomplex kann man weglassen. Aus mangelnder Fachkenntnis gehe ich einfach mal davon aus, dass die hier eingebrachten Argumente stimmen und das Tonband tatsächlich nichts mit den Erpresseranrufen zu tun hatte. Ich nehme also den für M. günstigsten Fall an - dennoch habe ich das Gefühl, das Gericht hätte alle übrigen Indizien ausreichend für einen Schuldspruch bewertet.
Das ist freilich eine ganz wichtige Frage für einen möglichen Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahren.
Meine Ansicht wird m.E. dadurch unterstützt, dass das Gericht nur bei diesem Themenbereich selbst im Urteil nur von "wahrscheinlich" spricht, während es diese einschränkende Formulierung bei anderen Themenbereichen nicht verwendet.
Noch einmal zu dem Thema "Grabungszeiten" des P: es wurde hier oben geschrieben, dass die Ermittlungen ergeben hätten, dass eine Grabungszeit im August stattgefunden hat. Davon sehe ich im Urteil nichts. Im Gegenteil, das Gericht hat auch hier wieder ein Gutachten eingeholt (in diesem Fall wurden erstaunlich viele Gutachten eingeholt, keineswegs nur das Tonbandgutachten), das die von P. selbst angegebenen Grabungszeiten im September für korrekt erscheinen lässt:
Die vom Zeugen P[.] in seinem „Geständnis“ genannten Grabungszeiten zwischen dem 05.09.1981 und dem 10.09.1981 stimmen genau mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N[.] überein, der bei einer Ortsbegehung am 04.10.1981 zu dem Ergebnis kam, dass das künstlich angesäte Gras vor 4-6 Wochen angekeimt gewesen und dass der unter dem Aushub freigelegte Moosrasen nicht wesentlich länger als 4 Wochen abgedeckt gewesen sei (vgl. unter E.II.2.c. „Vergrabungsort“).
Ausgehend vom Zustand des freigelegten Moösrasen, der nicht wesentlich länger als 4 Wochen abgedeckt war, ging die Kammer davon aus, dass der Kistenschacht frühestens 4 Wochen vor dem 04.10.1981 und somit Anfang September ausgehoben wurde.
Darüber hinaus lassen sich die von Klaus P[.] genannten Grabungszeiten auch exakt mit den von mehreren Zeugen beobachteten, nachstehend dargestellten Spatenfahrten in Einklang bringen.
Urteil Seite 135f
Hier wird einmal mehr deutlich, dass das Gericht sich bemüht hat, jedes Indiz wirklich zu untermauern und ggf. durch Gutachten zu bestätigen.
Acht verschiedene Zeugen haben die sogenannten "Spatenfahrten" des P. bemerkt. P. selbst hat diese mehrfach auch im genannten Zeitraum Anfang September bis zum Tattag selbst zugegeben, nur gab er verschiedene Gründe dafür an. Hier hat das Gericht m.E. sehr nachvollziehbar geurteilt, dass diese an jenen Tagen auch stattgefunden haben.
Schliesslich stellt das Gericht fest:
Dass ein Spaten zum Ausgraben des Loches geeignet war, steht für die Kammer außer Zweifel. Dies haben im Übrigen auch die Zeugen S[.] und KHK T[.] bestätigt.
Urteil Seite 148
Auch hier wieder eine Beurteilung des Sachverhalts, die von glaubwürdigen Zeugen gestützt wird.
Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Das Gericht hat sich, so weit ich das sehen kann, mit jeder der hier in der Diskussion aufgeworfenen Fragen beschäftigt und versucht seine Schlüsse auf tragfähigem Boden zu machen.