Kriminalfälle
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

12.05.2020 um 18:57
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:so stellte dies eine mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen ihm und der Tat her.
Ich weiß, was du meinst. Wir hatten mal in einem anderen Fall eine Diskussion zur Erforderlichkeit von "tatnahen Indizien", @Andante erinnert sich bestimmt.
Ich hatte das für mich folgendermaßen definiert:

Ein tatnahes Indiz ist ein zeitlich, räumlich oder inhaltlich auf die Tat bzw. identifizierend auf den Täter (DNA, Fingerabdruck) bezogenes Indiz, das zusätzlich nicht unverdächtig zu erklären ist bzw. nur unter lebensfremden Annahmen (daraus resultiert dann die Beweiskraft). Bei der Entscheidung, was eine lebensfremde Annahme ist, können Wahrscheinlichkeiten zum Tragen kommen.

Hier wäre das TK 248 ein tatnahes Indiz (inhaltlich), aber ebenso Pfaffingers Aussage und die Äußerungen in den abgehörten Gesprächen. Darum herum gruppieren sich die Randindizien, zusammen haben wir eine Indizienbeweislage, die eine Verurteilung rechtfertigt, wobei das TK 248 ja evtl. nur mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Tätertonfolge hervorrief, aber nicht als Tatmittel auszuschließen ist. Es wird dann ggf. vom "tatnahen Indiz" zum "Randindiz".


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

12.05.2020 um 19:06
@Seps13

Genau das meinte ich. Danke für diese Erläuterung.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

12.05.2020 um 20:17
Zitat von AndanteAndante schrieb:Eine Überhöhung des Gutachtens, wie Techniker es vermuten - und selber auf ihre Art praktizieren - durch das Gericht bei der Beweiswürdigung hat offenbar nicht stattgefunden, auch wenn es immer wieder behauptet wird.
Nein, aber ohne das Tonband hätten die Indizien wohl nicht gereicht.
Alle diese Verdachtsmomente hätten aber noch nicht zu einer Verurteilung geführt, wenn nicht das im Oktober 2008 bei Mazurek beschlagnahmte Tonbandgerät hinzugekommen wäre. Eine Sachverständige hatte es als "wahrscheinlich" bezeichnet, dass dieses Gerät vom Täter bei den Erpresseranrufen benutzt wurde.
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/bayern/ursula-herrmann-prozess-ein-letzter-zweifel-bleibt-1.6228

Klar, zu WM paßt die Indizienkette, aber wenn Richter Rothermel äußert, daß die anderen Verdachtsmomente noch nicht zu einer Verurteilung geführt hätten, dann war das Gutachten zum Tonband wohl schon ausschlaggebend.
Die Unstimmigkeiten in der Pfaffinger Aussage einerseits, und die Entkräftung des Tonbandgutachtens durch weitere Techniker lassen halt bei einigen Zweifel offen! Das meint ja niemand böse und verteufelt deshalb die Gerichte! WM zählte 1982 zu den Haupttatverdächtigen, man fand bei ihm nichts, nichts was ihn mit dem Kistenbau in Verbindung brachte und auch nicht das Tonband.


1x zitiert2x verlinktmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

12.05.2020 um 20:31
Zitat von margarethamargaretha schrieb:WM zählte 1982 zu den Haupttatverdächtigen, man fand bei ihm nichts, nichts was ihn mit dem Kistenbau in Verbindung brachte und auch nicht das Tonband.
Das ist richtig, hier noch ein paar Infos zur Erinnerung darüber (aus dem SPIEGEL).
... Was ist sonst von Werner M. bekannt? Er ist zum zweiten Mal verheiratet und Vater zweier Kinder. Seine Tochter hat Ursula gekannt und auch mal mit ihr gespielt. Mit seinem Werkstattladen für Rundfunk- und Fernsehtechnik in Eching ging er pleite, Gläubiger und Banken wollten damals mehr als 150.000 Mark.

Ein Jahr nach Ursulas Tod zog das Ehepaar M. weg vom Ammersee. Es heißt, die knapp 1600 Einwohner Echings hätten Werner M., Mitglied im ortsansässigen Schützenverein, trotz seines Alibis der Tat beschuldigt und ausgegrenzt.

Der gebürtige Oberhausener und Sohn eines Polizisten lebte anschließend mit seiner Frau zuerst in einem Dorf im Bayerischen Wald, danach zogen sie an die Ostsee, nach Kappeln an der dänischen Grenze, wo Werner M. ein Geschäft für Bootszubehör eröffnete. Die Ermittler behielten ihn fortwährend im Auge.

Beide, Werner und Gabriele M., sind vorbestraft und zu Bewährungsstrafen verurteilt: Er wegen Urkundenfälschung und Betrugs, sie wegen falscher uneidlicher Aussage. Die Staatsanwaltschaft wirft Gabriele M. vor, die Erpresserschreiben verfasst zu haben. "Ein prozesstaktischer Schachzug", sagt Verteidiger Rubach: Somit könne Frau M. nicht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, ihre bisherigen Aussagen seien dennoch verwertbar.
...
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mordfall-ursula-herrmann-lebendig-begraben-in-einer-engen-kiste-a-608336.html
... Wie damals, 1981, wenige Wochen nach der Tat, als der Beschuldigte zum ersten Mal ins Visier der Ermittler geraten war.

Ein anonymer Hinweisgeber hatte ihn beschuldigt, doch eine Hausdurchsuchung blieb ergebnislos. Zudem hatte der Verdächtige ein Alibi, dass die Ermittler trotz aller Zweifel nicht entkräften konnten.
...
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/entfuehrungsfall-von-1981-tonband-soll-moerder-der-kleinen-ursula-ueberfuehren-a-556745.html


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 00:04
Zitat von RinTinRinTin schrieb:In der Pressmitteilung des BGH findet sich nicht ein Wort über das Tonbandgerät. Insofern wird es auch nicht entscheidend für die Urteilsfindung gewesen sein.
Es ist interessant diese öffentliche Aussage anzuschauen, denn wir sind hier ja ein wenig limitiert in der Diskussion, da das eigentliche Urteil nicht öffentlich jedem zur Verfügung steht. Ich kann nur soviel sagen, dass nach meiner Interpretation, der ich das Urteil kenne, der BGH hier genau die Gewichtung widerspiegelt, welche das Gericht den einzelnen Indizien gegeben hat. Insofern fasst hier meiner Meinung nach der BGH das Urteil sehr gut zusammen.

Und das hat nichts mit quantitativer Anlayse zu tun, ich müsste nachsehen, wieviele Seiten die Diskussion des Tonbands im Urteil einnimmt, aber auch da ist es nicht so viel, wie die meisten hier vielleicht vermuten. Es geht um die qualitative Analyse, und da ist meine Meinung, dass das Gericht sich weitaus mehr von den abgehörten Telefonaten beeindrucken liess als vom Tonbandgutachten. Das entspricht auch meiner persönlichen Würdigung der mir bekannten Indizien.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und so viel verstehe ich von Straf- und Strafprozessrecht allemal, um zu wissen, dass ein Gericht niemals eine Verurteilung auf eine gutachterliche Angabe stützen würde, die lediglich mit "Wahrscheinlichkeit" argumentiert. Da müssen also sehr viele andere Indizien dazugekommen sein, auf die sich das Gericht dann weit eher als auf bloße "Wahrscheinlichkeit" gestützt hat.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Verstehe ich dich recht: Du misst dem Gutachten keinerlei Relevanz zu? Wenn dem so ist: Warum spielt es deiner Meinung nach überhaupt eine Rolle in dem Urteil?
Ich habe, da das Gutachten ja in der Diskussion so einen breiten Raum einnimmt, versucht das Urteil und die mir bekannten Indizien einmal so zu betrachten und zu bewerten, als ob das Gutachten gar nicht existiere. Als ob niemals ein Tonbandgerät bei Mazurek gefunden worden wäre. Und dabei bin ich für mich persönlich zu dem Schluss gekommen, dass ich den Schuldspruch des Gerichts immer noch nachvollziehen könnte. Insofern hat das Gutachten dann für mich keine Relevanz.

Freilich, wenn es nun mal vorliegt, weil die Staatsanwaltschaft es für sinnvoll hielt, es vorzulegen, kann das Gericht es auch würdigen. Also, wenn die Indizien A, B und C vorliegen, und alle auf den Angeklagten als Täter weisen, kann das Gericht eben sagen: weil A, B und C für die Täterschaft sprechen, verurteilen wir.

Daraus darf aber nicht ohne Kenntnis der Beweiswürdigung geschlossen werde, dass wenn sich herausstellt, dass C unglaubwürdig wird, A und B nicht mehr ausreichen, den Schuldspruch zu begründen. Und das wird in der Diskussion hier oft unterstellt, genauso wie in der Diskussion z.B. im Darsow Fall: Wenn C rausfällt, dann reichen A und B nicht mehr aus für den Schuldspruch.

Das kann man aber niemals pauschal sagen, denn es kommt immer darauf an, wie stark die Indizien A und B allein sind. Im vorliegenden Fall meine ich, die Indizien ohne das Tonbandgutachten sind stark genug.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Dem stimme ich in der Tat zu. Aber ich dachte, dass es ohnehin Konsens sei, dass keine 'Beweise' für Mazureks Unschuld vorliegen. Doch was ist damit gewonnen? Unschuldsbeweise werden in einem Rechtsstaat nicht verlangt.
Gott sei Dank. Aber in der Diskussion hat es manchmal den Eindruck, als ob die in Frage stellung eines Indizes gleich ein Unschuldsbeweis ist.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Entscheidend ist dabei aus meiner Sicht, dass das Gutachten die einzige direkte Verbindung zu Mazurek war, und dass die anderen, weniger konkreten Indizien dadurch immens aufgewertet wurden.
Das ist m.E. eben nicht so. M.E. gibt das Gutachten keineswegs eine so starke Bindung her, und umgekehrt sind die anderen Indizien viel stärker als unterstellt.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Und was hältst du von meinem ebenfalls bereits dargelegten Argument, dass ein Richter doch eigentlich keinen großen Spielraum mehr hat, wenn er die Einschätzung 'wahrscheinliches Tatmittel' als Ergebnis des Gutachtens akzeptiert und übernimmt? Erlangt das Gutachten nicht gerade dadurch – wohlgemerkt: im Zusammenspiel mit der zweiten sogenannten Säule – eben doch ein einzigartiges Gewicht? Und hat die zweite Säule ohne die erste immer noch denselben funktionalen Wert?
Das ist schwierig zu beurteilen. Freilich kann ein fälschlich als besonders stark empfundenes Indiz die Blickweise eines Richters auf den Rest der Indizien beeinflussen. Das ist menschlich. Aber im vorliegenden Fall glaube ich gar nicht, dass das Tonbandgutachten einen solchen starken Eindruck auf die Richter gemacht hat.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Dass eben das Gutachten nicht der Grundstein war, ohne den das ganze Urteilsgebäude wie selbstverständlich in sich zusammengefallen wäre, sagt immerhin ein versierter Strafrechtler wie @Rick_Blaine, der das Urteil gelesen hat, und das ergibt sich auch aus der vorhin zitierten Pressemitteilung des BGH. Und eben auch aus der Tatsache, dass die Gutachterin die Benutzung genau dieses Tonbandgeräts bei der Tatausführung lediglich als "wahrscheinlich" bezeichnet hat. Jeder Jurist weiß, was derlei bedeutet.
Ja, so sehe ich das auch. Im Urteil wird schon betont, dass es "wahrscheinlich" das bei der Tat verwendete Gerät sei. Ich habe jetzt keine Sprachanalyse des Urteils verfasst, aber oft sind Gerichte durchaus deutlicher bei der Formulierung von Dingen, von denen sie sehr überzeugt sind.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 00:31
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Gott sei Dank. Aber in der Diskussion hat es manchmal den Eindruck, als ob die in Frage stellung eines Indizes gleich ein Unschuldsbeweis ist.
Diesen Eindruck habe ich manchmal auch. Es ist ja nun mal nicht widerlegt, dass das bei Mazurek gefundene Tonbandgerät zweifelsfrei nicht das Gerät ist, das für die Erpresseranrufe benutzt worden ist. Es ist nur nicht zweifelsfrei belegt (und dass hat die Gutachterin im Prozess so apodiktisch auch nicht behauptet), dass es nur jenes ganz bestimmte Gerät und kein anderes des gleichen Typs gewesen sein kann.

Mit anderen Worten: Das bei Mazurek gefundene Gerät ist laut Gutachten "wahrscheinlich" benutzt worden, muss es aber nicht zwingend, weil sich das mit letzter Gewissheit nicht feststellen lässt. Damit kommt es natürlich auf die weiteren Indizien an und wie man die würdigt.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das ist m.E. eben nicht so. M.E. gibt das Gutachten keineswegs eine so starke Bindung her, und umgekehrt sind die anderen Indizien viel stärker als unterstellt.
Diese anderen Indizien werden leider in der Debatte dadurch vernachlässigt, dass sich alles immer nur um das ach so wichtige Tonbandgutachten dreht, obwohl dieses bei der Beweiswürdigung durch das Gericht ersichtlich gar keine so wichtige Rolle gespielt hat. Aber das kann man nur wissen, wenn man eben das Urteil nachlesen hat können.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 01:21
Zitat von AndanteAndante schrieb:Damit kommt es natürlich auf die weiteren Indizien an und wie man die würdigt.
PS: Wobei man im Zusammenhang mit dem Tonbandgerät berücksichtigen muss, dass Mazurek über dessen Herkunft offenbar gelogen hat. An den von ihm behaupteten erst kürzlich erfolgten Erwerb des Geräts auf dem Flohmarkt in Beverungen konnte sich jedenfalls keiner der zahlreich dazu vom Gericht befragten Zeugen erinnern. Dass die alle an Demenz litten oder Mazurek eins auswischen wollten: Das kann man unterstellen, muss es aber nicht. Das Gericht tat es vermutlich nicht.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 02:21
Wobei man hier dann auch sieht, wie das Gericht vorgegangen ist:

Es hatte einerseits das von der Staatsanwaltschaft den Vortrag vorliegen, dass man bei Mazurek dieses Gerät vorgefunden habe und dass laut von der StA eingeholtem Phonetik-Gutachten dieses Gerät wahrscheinlich für die Tatausführung benutzt worden sei. Andererseits hatte das Gericht Mazureks Behauptung vorliegen, dass er erst kürzlich in den Besitz besagten Geräts gekommen sei, nämlich durch Kauf dann und dann dort und dort.

Was macht das Gericht? Natürlich dies: Es hört die von der StA benannte Gutachterin an, und es hört ebenso die Flohmarkthändler und -besucher an, die sich zur Frage äußern sollen, ob Mazurek dort war und bei dieser Gelegenheit dort das bei ihm vorgefundene Gerät gekauft hat.

Dass Mazurek, wie von ihm behauptet, das Gerät auf dem Flohmarkt gekauft hat, findet das Gericht aufgrund der Zeugenaussagen nicht bestätigt. Es darf also darauf schließen, dass Mazurek es, wie von der StA vorgetragen, schon zur Tatzeit hatte. Die gegenteilige Angabe von Mazurek hat sich als nicht zutreffend erwiesen. Andere Angaben, wo er das Gerät wann herhaben könnte, hat er nicht gemacht.

So ist das dann eben mit unbestätigten Angaben eines Angeklagten: Es besteht die Gefahr, dass das Gericht daraus Schlüsse zieht, ebenso wie aus seinem Schweigen, welches ihm nicht zum Nachteil, aber auch nicht automatisch zum Vorteil ausgelegt werden darf. Zusammen mit vielen weiteren Schlüssen bzw. Indizien kommt das Gericht halt irgendwann zu einem Ergebnis.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 12:22
Liegt das Urteil jetzt in einer veröffentlichten, anonymisierten Version vor, weil jetzt umfassend darauf zurückgegriffen wird? Wer hat diese Version verfasst?


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 12:27
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Liegt das Urteil jetzt in einer veröffentlichten, anonymisierten Version vor, weil jetzt umfassend darauf zurückgegriffen wird? Wer hat diese Version verfasst?
Nein es liegt nicht vor. Wo wird darauf zurückgegriffen? @Rick_Blaine hatte geschildert über wie viele Seiten bestimmte Themen darin erläutert wurden.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 13:02
Ich wundere mich nur, da Bezugnahme auf das Urteil hier problematisch ist wenn es nicht jeder nachvollziehen kann.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 14:00
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Ich wundere mich nur, da Bezugnahme auf das Urteil hier problematisch ist wenn es nicht jeder nachvollziehen kann.
Durch den gesamten Thread zieht sich doch schon, dass Leute auf das Urteil Bezug nahmen, indem sie behauptet haben, das Gericht habe sich maßgeblich nur auf das Tonbandgutachten gestützt. Nachprüfen bzw. nachvollziehen konnte diese Behauptung bisher ebenfalls keiner. Man konnte glauben, was da von mehr oder weniger kompetenter Seite postuliert wurde, man konnte es aber auch sein lassen.

Das wird auch so bleiben so lange das Urteil nicht in vollem Wortlaut für jeden nachlesbar ist.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 14:12
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das wird auch so bleiben so lange das Urteil nicht in vollem Wortlaut für jeden nachlesbar ist
Es soll hier Wissen aus dem Urteil nicht besprochen werden. Daher schlage ich vor dahingehendes nur per PN zu machen.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 14:23
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Es soll hier Wissen aus dem Urteil nicht besprochen werden
Hm, das wird aber schwierig. Soll man sich lediglich auf Meldungen aus zweiter Hand, etwa Medienmeldungen, stützen? Und wie will man entscheiden, ob hier ein Justizirrtum vorliegt, wenn man gar nicht wissen kann, ob und worüber sich eventuell die Justiz, sprich die Strafkammer, konkret geirrt haben kann? In den Fällen Darsow, Böhringer, Genditzki lebt die Diskussion gerade davon, dass die Argumentation des Gerichts beleuchtet und auseinandergenommen wird. Das funktioniert, weil dort eben der komplette Urteilstext zur Verfügung steht. Da das hier leider nicht der Fall ist, bleibt wenig Raum für eine Diskussion über Fakten. Das Ganze wird dann mehr oder weniger zu einer Glaubensfrage bzw. zu einer bloßen Frage des Bauchgefühls.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 18:43
Zitat von AndanteAndante schrieb:Soll man sich lediglich auf Meldungen aus zweiter Hand, etwa Medienmeldungen, stützen?
Den Medien übrigens liegt das Urteil ja auch nicht vor. Irgendwer erzählt ihnen, was angeblich drinsteht, etwa dass Mazurek nur wegen des Tonbands verurteilt worden sein soll, und das wird dann gedruckt. Nachprüfen, ob es stimmt, was sie da gesagt bekommen haben, können die Medien nicht.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

13.05.2020 um 19:49
Zitat von AndanteAndante schrieb:Den Medien übrigens liegt das Urteil ja auch nicht vor. Irgendwer erzählt ihnen, was angeblich drinsteht, etwa dass Mazurek nur wegen des Tonbands verurteilt worden sein soll, und das wird dann gedruckt. Nachprüfen, ob es stimmt, was sie da gesagt bekommen haben, können die Medien nicht.
Ganz so schlimm ist es nicht. Es wurde ja direkt vom Prozess berichtet und Richter Rothermel in seinen begründenden Ausführungen zu einem großen Teil wörtlich zitiert, z.B. in dem oben verlinkten Bericht der SZ anlässlich der Urteilsverkündung. Natürlich ist das nur eine Art 'Best-of', aber das Gesagte wird unverzerrt und wertfrei wiedergegeben. Des Weiteren hatten einige Medien, die Michael Herrmann begleiteten, z.B. die Autorin des BR-Podcasts, direkten Einblick ins Urteil – auch in die Ermittlungsakten. Sie konnte sich ein eigenes Bild machen und musste Michael Herrmann nicht zwingend in allem folgen – und tat dies auch nicht. Sie konnte ableichen: Was steht in den Akten und wie wird es von wem interpretiert? Besonders wertvoll finde ich dabei ihre Interviews mit direkten Beteiligten, z.B. mit dem Polizisten Franz Josef Baumgartner und natürlich mit Rothermel selbst.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.05.2020 um 04:38
Zitat von AndanteAndante schrieb:Diesen Eindruck habe ich manchmal auch. Es ist ja nun mal nicht widerlegt, dass das bei Mazurek gefundene Tonbandgerät zweifelsfrei nicht das Gerät ist, das für die Erpresseranrufe benutzt worden ist. Es ist nur nicht zweifelsfrei belegt (und dass hat die Gutachterin im Prozess so apodiktisch auch nicht behauptet), dass es nur jenes ganz bestimmte Gerät und kein anderes des gleichen Typs gewesen sein kann.

Mit anderen Worten: Das bei Mazurek gefundene Gerät ist laut Gutachten "wahrscheinlich" benutzt worden, muss es aber nicht zwingend, weil sich das mit letzter Gewissheit nicht feststellen lässt. Damit kommt es natürlich auf die weiteren Indizien an und wie man die würdigt.

Rick_Blaine schrieb:
Das ist m.E. eben nicht so. M.E. gibt das Gutachten keineswegs eine so starke Bindung her, und umgekehrt sind die anderen Indizien viel stärker als unterstellt.

Diese anderen Indizien werden leider in der Debatte dadurch vernachlässigt, dass sich alles immer nur um das ach so wichtige Tonbandgutachten dreht, obwohl dieses bei der Beweiswürdigung durch das Gericht ersichtlich gar keine so wichtige Rolle gespielt hat. Aber das kann man nur wissen, wenn man eben das Urteil nachlesen hat können.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Andante schrieb:
Damit kommt es natürlich auf die weiteren Indizien an und wie man die würdigt.

PS: Wobei man im Zusammenhang mit dem Tonbandgerät berücksichtigen muss, dass Mazurek über dessen Herkunft offenbar gelogen hat. An den von ihm behaupteten erst kürzlich erfolgten Erwerb des Geräts auf dem Flohmarkt in Beverungen konnte sich jedenfalls keiner der zahlreich dazu vom Gericht befragten Zeugen erinnern. Dass die alle an Demenz litten oder Mazurek eins auswischen wollten: Das kann man unterstellen, muss es aber nicht. Das Gericht tat es vermutlich nicht.
Ich greife diese korrekten Gedanken hier noch einmal auf, weil ich das Gefühl habe, dass wir hier im Thread oft zwei Dinge verwechseln, die aber separat zu betrachten sind:

Einerseits gibt es das Tonbandgerät und andererseits das technische Gutachten, das sich allein mit der Frage befasst hat, ob das sichergestellte Tonbandgerät die B3 Melodiesequenz, die in den Erpresseranrufen vorkam, ursächlich für diese ist.

Dann wird oft gesagt: wegen dem Tonbandgutachten wurde Mazurek verurteilt.

Wie schon geschrieben ist die Grundfrage freilich, ob dieses sichergestellte Tonbandgerät nun das ist, welches für die Erpresseranrufe verwendet wurde oder nicht. Kann man das klar und eindeutig bejahen, dann ist die Tatsache, dass es beim Tatverdächtigen gefunden wurde, schon ein sehr starkes Indiz seiner Schuld.

Beispiel: In Landshut wird am Freitag, den 13. Mai beim Juwelier und Goldschmied Graffelhuber eingebrochen und der weltweit einzigartige Donaumoos-Diamant entwendet, der einen einzigartigen Schliff und einzigartige physikalische und chemische Eigenheiten aufweist. Ein absolutes Unikat. Diese Eigenheiten sind extensiv in der Fachwelt dokumentiert und liegen der königlich bayerischen Gendarmerie vor.

Etwa einen Monat nach dem Einbruch bei Graffelhuber wird der nicht unbekannte Landshuter Bürger Alois Wachtelmooser verhaftet, da er dem polizeibekannten Hehler Josef Wurschteldinger einen Diamanten zum Kauf angeboten hat.

Eine gutachterliche Untersuchung ergab, dass der angebotene Diamant der Donaumoos-Diamant war. Das königliche Landgericht stellt einen dringenden Tatverdacht fest, dass Wachtelmooser den Einbruch und Diebstahl verübt hat.

Das ist vermutlich gut nachvollziehbar.

Jetzt ändern wir den Fall ein wenig: Der Diamant ist nun nicht mehr einzigartig, sondern zwar wertvoll, aber doch nur einer von geschätzt 5000 ähnlichen Diamanten, die in Bayern zu finden sind. Alles weitere bleibt gleich, ein solcher Diamant wird in Landshut entwendet, der Wachtelmooser bietet dem Wurschteldinger einen solchen Diamanten an.

Eine Gutachterin bescheinigt, dass der sichergestellte Diamant im Prinzip einer der geschätzt 5000 Diamanten im Königreich ist. Ob es aber der in Landshut gestohlene ist, kann die Gutachterin nicht mit wissenschaftlich begründeter Sicherheit sagen.

Der Staatsanwalt jedoch meint, dass Wachtelmooser keinesfalls legal in den Besitz dieses Diamanten gekommen sein kann. Ausserdem stellt er fest, dass Wachtelmooser kein Alibi für den Tatzeitpunkt besitzt, in grossen Geldnöten ist, bereits vorbestraft ist und auch sonst ihm zuzutrauen ist, beim Juwelier einzubrechen. Deswegen wird Anklage erhoben.

Obwohl nicht dazu verpflichtet, lässt sich Wachtelmooser bei der Gendarmerie zu dieser Sache ein und behauptet, den Diamanten erst eine Woche vor seiner Festnahme auf einem Flohmarkt im benachbarten österreichischen Braunau erstanden zu haben. Zwei Zigeuner (nicht abwertend gemeint) hätten ihm den Diamanten für 300 Taler verkauft. Er schildert ausführlich die Verkäufer, deren Stand, macht sehr konkrete Angaben zur Uhrzeit und einigem anderen.

Vor Gericht wiederholt er diese Angaben, benennt aber keine Zeugen, die diese stützen.
Der Staatsanwalt fährt nun 10 Zeugen auf, die folgendes aussagen: 1. Sie haben selbst einen Stand auf dem Flohmarkt gehabt und können sich an keine Zigeuner erinnern, die dort etwas verkauft hätten, geschweige denn einen Stand dort gehabt haben. 2. Die Ehefrau unseres Angeklagten gibt an, zu der Zeit, zu welcher er den Diamanten gekauft haben will, mit dem Angeklagten im Goldenen Ochsen in Deggendorf einen Schweinsbraten verzehrt zu haben. Zum Flohmarkt nach Braunau sei man erst 3 Stunden später gefahren. 3. Der kuk Zollinspektor Hrdlicka gibt glaubwürdig an, dass die österreichische Zollwache drei Beamte in Zivil auf dem Flohmarkt eingesetzt hat, um den Verkauf geschmuggelter Ware zu unterbinden. Keinem der Beamten sei ein Diamant aufgefallen. Auch haben sie keinen Verkäufer zur fraglichen Zeit gesehen, auf welchen die Beschreibung passt, die der Angeklagte abgegeben hat. Auch den Angeklagten haben sie dort nicht gesehen.

So, nun halten wir an und sagen, wie früher im deutschen Fernsehen: "Wie würden Sie entscheiden?"

Egal wie die Entscheidung ausfällt, ist, so meine ich, ist nun nachzuvollziehbar, dass das Gutachten zum Diamanten allein gar nicht die Grundlage der Entscheidung sein wird. Die nicht belegbaren und teilweise widerlegten Aussagen des Wachtelmooser dagegen hinterlassen einen weitaus stärkeren Eindruck auf der Richterbank.

Niemand braucht vor dem bayerischen Gericht seine Unschuld beweisen. Aber wenn er es versucht und dabei nur Widersprüche usw. herauskommen, darf man nicht ganz verwundert sein, wenn das Gericht beginnt, Zweifel an der Unschuld zu haben. Und wenn dann noch eine ganze Menge mehr Indizien auf die Tatbegehung weisen, dann wird man auch von einem Schuldspruch nicht überrascht sein. Und das ganz ohne das Gutachten in den Mittelpunkt stellen zu müssen.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.05.2020 um 06:48
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die nicht belegbaren und teilweise widerlegten Aussagen des Wachtelmooser dagegen hinterlassen einen weitaus stärkeren Eindruck auf der Richterbank.

Ein guter Verteidiger weist vor Gericht dann aber mit psychologischem Gutachten nach, dass Wachtelmooser unter einer besonderen Form von Mythomanie leidet und seine Lügen eine in der Kindheit erlernte, traumatisch bedingte Defensivstrategie sind, um seine Existenz zu schützen.
Er hat also nicht gelogen, weil er schuldig ist, sondern vorsorglich und aus einem inneren Zwang heraus, weil er befürchtete, wie schon so oft zu Unrecht beschuldigt und bestraft zu werden. Und seine Befürchtungen waren auch nicht unbegründet, denn wie man sieht, hat ihn eine nicht korrekte Feststellung im Gutachten zu angeblichen Ähnlichkeiten mit einem bestimmten Diamanten auf die Anklagebank gebracht.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

14.05.2020 um 10:47
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wie schon geschrieben ist die Grundfrage freilich, ob dieses sichergestellte Tonbandgerät nun das ist, welches für die Erpresseranrufe verwendet wurde oder nicht.
Eben, es geht zunächstl um das bei Mazurek gefundene Gerät an sich. Woher hatte er es?

Wenn sich schon im Ermittlungsverfahren bestätigt hätte, dass es vom Flohmarkt stammt, wäre ein phonetisches Gutachten gar nicht in Auftrag gegeben worden. Warum auch, wenn Mazurek das Teil nachweislich erst sehr lange nach der Tat erworben hat?

Nun ließ sich aber gerade niemand finden, der Mazureks Angaben zum Flohmarktkauf bestätigt hat. Es haben sich sogar Zeugen gefunden, die erklärt haben, dass M. zur Tatzeit wenn nicht ein Gerät des Typs TK 48, so doch zumindest ein ähnliches Ding hatte. Da klingelt es bei den Ermittlern natürlich, und sie fragen sich, ob M. schon zur Tatzeit im Besitz dieses sichergestellten Geräts war. Daraufhin wird dann zur Klärung dieser Frage das phonetische Gutachten eingeholt, welches bekanntlich besagt, das dieses Tonband für die Erpresseranrufe "wahrscheinlich" benutzt wurde.

Die Frage, wie Mazurek überhaupt an das Gerät gekommen ist, ist mithin eine sehr wichtige. Je nachdem, wie die Antwort ausgefallen ist, hat sich die Einholung des Gutachtens überhaupt erst erforderlich gemacht.


melden