Rüdiger schrieb:Das Wiederaufnahmegericht sei allerdings an die (denkgesetzlich mögliche) Beweiswürdigung und an die (nicht offensichtlich unhaltbare) Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts gebunden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 368 Rn. 9 m.w.N.).
Da bin ich vielleicht auch einfach nicht genug in Juristendeutsch geschult, aber bedeutet das nicht im Klartext, dass das prüfende Gericht zunächst immer davon ausgehen muss, dass die Beweiswürdigung des Urteils richtig ist? Bzw. sie nicht außer Acht lassen darf?
Denn dann wäre es doch - wenn ich es richtig verstehe - für Strate ohnehin unmöglich, in den WA-Antrag all die kleinen Nebenkriegsschauplätze aufzunehmen: Den Zeugen, der Darsow beobachtet haben will, der abgeklebte Bewegungsmelder, die Auslegung der Aussagen, die Annahme der Lärmbelastung etc., weil diese ja ohnehin eine reine Frage der Beweiswürdigung des vorherigen Gerichts ist? Lediglich die Frage nach dem Schalldämpfer und den vorliegenden Bauschaumspuren ist technischer Natur, und damit überhaupt widerlegbar, um nicht die ganze Beweiswürdigung des Urteils anzufechten.
Wie gesagt - nur wenn ich das richtig interpretiere.
Rüdiger schrieb: Zu diesem Zweck sei das Antragsvorbringen zu dem gesamten Inhalt der Akten und zu dem früheren Beweisergebnis in Beziehung zu setzen.
Und das wiederum fasst nochmal gut zusammen, was hier in den letzten Tagen (und Jahren) auch immer diskutiert wurde. Es reicht nicht, ein Indiz zu widerlegen, um einen Widerspruch zu erzeugen, sondern die gesamte Kette muss unterbrochen werden und das angenommene Ergebnis des Urteils damit nicht haltbar.
Ob nun die neuerlichen Gutachten da ausreichen, war ja die spannende Frage seit Beginn ihrer Veröffentlichung.
Rüdiger schrieb:Dieses Beweisergebnis dürfte nach den Feststellungen der neuen Gutachten nicht zu halten sein.
Hier liegt, denke ich, der Hase im Pfeffer. Denn sicher stellt es die Gutachten, auf die sich das Gericht gestützt hat, infrage. Aber im Zusammenhang mit den anderen Indizien, maß ich mir kein Urteil an, ob das für die Wiederaufnahme reicht.
Allerdings noch einige Anmerkungen:
Wie ich auf den letzten Seiten ja schon bemerkt habe, hat ja keines der Gutachten jemals den wirklichen Versuchsaufbau des SD in der Anleitung nachvollzogen. Demzufolge treffen bisher keine Gutachten wirklich eine Aussage darüber, ob ein SD nach Anleitung ein solches Spurenbild hätte zustande bringen können.
Um es etwas plakativ zu sagen: Bisher hat niemand was beweisen können, warum ein weiterer Beweis, das etwas nicht bewiesen wurde, am Urteil erhebliche Zweifel zu streuen vermögen soll, versteh ich nicht.
Demzufolge hätte meiner Meinung nach das prüfende Gericht die folgende Möglichkeiten:
Sie geben dem Antrag statt, der sich darauf stützt, ein Bauschaum-PET-Schalldämpfer wie vom Gericht(!) angenommen (von der Anleitung jedoch nicht beschrieben!), kann nicht zu Verwendung gekommen sein. Dann sehen sie offenbar die ungeklärte Herkunft der Bauschaumpartikel am Tatort als ausreichend, eine Täterschaft Darsows anzuzweifeln oder zumindest die Anwendung eines milderen Gesetzes zu befürworten.
Oder sie folgen der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die behauptet für das Gericht sei nun gar nicht das PET wesentlich, sondern allenfalls die Verwendung von Bauschaum, der sich in die Indizienkette mit der Anleitung hervorragend einfügt, ohne das die genaue Konstruktion des Schalldämpfers erforscht werden müsse.
Oder sie kommen zu dem Schluss (das wäre an dieser Stelle meiner), dass keines der Gutachten bisher irgendeine Fallbezogene Beweiskraft innehat.
Denn jedenfalls wurde die Anleitung nie 1:1 umgesetzt, die Annahme, ein "Laie" wäre dazu nicht in der Lage ist bestenfalls subjektiv, allenfalls aber kühn. Damit lässt sich nicht verifizieren, ob der "Idealzustand" des verwendeten SD für ein Spurenbild hinterlässt, sodass man in weiteren Schritten rekonstruieren könnte, welche Modifikationen vorgenommen werden müssten, um den Tatort zu entsprechen. Um dann (und erst dann) einen Vergleich mit der Realität anzustellen: Wäre diese Bauweise für den angenommenen Täter realistisch umsetzbar? Vorher ist das alles Kaffeesatz-Leserei.
Wohl aber kann man dennoch annehmen, dass ein SD mit Bauschaum irgendwie zur Verwendung kam. Damit ist die Indizienkette zumindest in meinem Augen nicht in wesentlichen Punkten angegriffen und ich würde den Antrag, wohl mit einem gewissen Unmut über schlampige Arbeit, dennoch ablehnen.