Thorsteen schrieb:Der schnellste Komet hat eine Geschwindigkeit von etwa 175.000 Km/h und würde für die Strecke 2.591 Jahre benötigen.
Und auch, wenn Du wegen der Kommastelle schon auf gut 25.000 Jahre Flugzeit hochgehen mußtest, so ist das dennoch
weit entfernt von der tatsächlichen Flugdauer eines Objektes aus einem Sternensystem in das nächste. Denn dies ist ja nur die Maximalgeschwindigkeit des Enckeschen Kometen im Perihel. Also bei seinem sonnennächsten Punkt, etwa auf Merkurhöhe. Ein Objekt, welches hier mit enckescher Kometengeschwindigkeit unterwegs ist, wird niemals das Sonnensystem verlassen.
175.000 kmh, das sind umgerechnet 48,61
[1 periode] km/s. Der Merkur auf dieser Höhe umkreist die Sonne auf einem stabilen Orbit mit einer mittleren Bahngeschwindigkeit von 47,36 km/s. Damit der Merkur das Sonnensystem von seiner Position aus verlassen könnte, müßte er die lokale Fluchtgeschwindigkeit von 66,977 kms erreichen, was sich für die allermeisten Fälle leicht berechnen läßt, einfach Orbitalgeschwindigkeit mit Wurzel aus Zwei multiplizieren, das ergibt Fluchtgeschwindigkeit.
Würde nun der Merkur mit besagten 66,977 kms losfliegen, so würde er zwar das Sonnensystem verlassen können, aber dennoch würde er auf seinem Weg immer langsamer werden. Bereits auf Höhe der Erdbahn hätte er bereits 24,86 km/s Speed eingebüßt. Je weiter weg der Merkur von der Sonne kommt, desto geringfügiger wird er ausgebremst. Dennoch aber wird er immer langsamer werden. Letztlich wird seine Reisegeschwindigkeit immer mehr einer zur Sonne relativen Geschwindigkeit von exakt 0 annähern. Um eine nennenswerte Reisegeschwindigkeit von Stern zu Stern von X km/s zu besitzen, muß man schon in Sonnennähe eine solche Geschwindigkeit drauf haben, welche die Vor-Ort-Fluchtgeschwindigkeit um exakt diese X km/s
übersteigt.
Ein Stück Erde mit eingeschlossenen Lebenskeimen, welches durch einen Impakt von der Erde abgeschlagen und fortgeschleudert wird, muß also, um mit solchen 175.000 kmh Reisegeschwindigkeit bis nach Proxima Centauri b in rund 25.000 Jahren zu fliegen, beim Erdstart bereits 11,2 + 42,1 + 48,6 = 101,9 km/s drauf haben oder 366.840 kmh.
Leider finde ich es nicht wieder. Vor mehr als zehn Jahren, vielleicht 15, diskutierte ich mal in nem anderen Forum zu diesem Themenbereich. Damals wurde ein Experiment angeführt, wonach verschiedene Bakterienarten im Labor Drücken ausgesetzt wurden, die dem Druck eines Asteroidenimpaktes bzw. dem Beschleunigungsdruck von bei diesem Impakt ins All geschleudertem Erdaterial entspricht. Eine Bakterienart war besonders stabil, von dieser überlebten zahlreiche Exemplare diese Druckverhältnisse. Es mag sein, daß es nur ein Promille von einem Promille aller anfänglichen Bakterien war. Aber wenn von einer Billion Bakterien eine Million überlebt, ist das schon mal ordentlich. (Wenn das Verhältnis Überlebende zu Anfangspopulation wirklich so günstig war.)
Allerdings entsprachen die im Labor erzeugten Drücke eben auch nur denen eines Asteroiden, der die Erde mit vielleicht 20...30.000 kmh trifft. Und es läßt sich eben nicht so simpel extrapolieren "OK, gut zehnfache Beschleunigung, also ein Zehntel Überlebende", das Ergebnis wird exponentiell schlechter, irgendwann sogar 100% letal.
Hinzu kommt, daß dieser Druck nicht nur beim Ausgangs-Impakt auftritt, sondern auch beim Ziel-Impakt, also wenn der Bakterienklumpen im nächsten System dort auf einen Planeten runtergeht. Zwar würde das 366.840 kmh = 101,9 km/s schnelle Objekt beim Wegflug von der Sonne in die Nähe von 48,6 kms abgebremst werden, doch würde es beim nächsten Stern natürlich wieder beschleunigt werden. Bei vergleichbar schwerem Stern und vergleichbar schwerem Planeten wieder auf jene 101,9 km/s, also 366.840 kmh. Mit anderen Worten, die Druckkräfte treten ein zweites Mal auf. Wieder wird die Zahl der ankommenden Bakterien um jenen Faktor reduziert.
Nein, diesmal trifft es keine normal gesunde Ausgangspopulation von Bakterien, sondern jene Überlebende des ersten Impakts. Klar, die haben überlebt, aber nicht schadlos. Klar, die Reise dauert lang. Aber um sich zu "erholen" und wieder eine gesunde Population zu bilden, hättense sich unter normalen Bedingungen wie auf der Erde rumtummeln müssen, wo es warm ist, nicht so viel Strahlung ankommt, und wo es Nahrung gibt. Die Bakterien, die hier landen, hatten zwar enorm viel Zeit, aber "keine Zeit" fürs Regenerieren. Diesmal landen sterbenskranke Bakterien. Entsprechend wird die Mortalitätsrate erheblich höher ausfallen.
Und es ist auch nicht mal so, daß ein mit 366.840 kmh gestarteter Brocken wirklich nur gut 25.000 Jahre braucht, bis er auf nem netten kuscheligen Planeten runterkommt. So bräuchten wir mit unserem heutigen Technologiestand bis zum Mars vielleicht sieben Monate. Marsmeteoriten aber, die wir auf der Erde gefunen haben, obwohl sie eine Reisegeschwindigkeit hatten, von der wir nur träumen können, benötigten im Mittel rund ne Million Jahre, bis sie auf der Erde runtergingen. Eben weil sie wahllos weggesprengt wurden und ewig lange quer durch den sonnennahen Raum trudelten, bevor nach ewig langer Zeit mal ein großer Himmelskörper namens Erde ihre Bahn kreuzte.
So würde eben auch ein von der Erde losgeflogener bakterienhaltiger Klumpen nicht mal eben beim ersten Anflug gleich einen Planeten im Nachbarsystem treffen. Ja, er würde wegen seiner mitgebrachten Reisegeschwindigkeit auch mehr als Fliehkraft im dortigen System besitzen und weitere zigtausend Jahre zum nächsten Sternensystem fliegen, um dort erneut sein Glück zu versuchen, einen Planeten zu treffen. Und würde milchmädchengerechnet genauso viele Versuche benötigen, bis es klappt, wie ein Marsmeteorit an Versuchen brauchte, bis er z.B. die Erde traf. tatsächlich aber bräuchte es sogar
um mehrere Größenordnungen mehr Versuche, da innerhalb des inneren Sonnensystems die inneren Planeten
weit dichter gestreut sind pro Kubik-AE als Exoplaneten im Bereich der Milchstraße pro Kubik-AE.
Bevor ein von einem belebten Planeten losgesprengtes Objekt in einem anderen Sternensystem auf einen dortigen lebensfreundlichen Planeten runtergeht, um ihn panspermisch zu besamen, vergehen mehr Jahre, als das Universum alt ist. Weit mehr.
Leben kann nicht ewig in Stase verharren. In Svalbard auf Spitzbergen werden Pflanzensamen kryostatisch konserviert. Manche Samen müssen allerdings alle paar Jahre entweder ersetzt werden oder aufgetaut, zum Keimen gebracht und das so erhaltene Saatgut wieder eingefroren werden. Bei anderen dauert es Jahrzehnte, bei manchen wird es Jahrhundert gut gehen. Man hofft auch auf mehrere Jahrtausende. Das wird festgestellt, indem man regelmäßig ein paar entnimmt und keimen läßt. Bleibt die Hälfte der Probe steril, ist so ne Art "Halbwertszeit" erreicht, und man kann bestimmen, wann die ganze Charge ersetzt werden muß. Na wie auch immer, achon heute weiß man, nichts bleibt ewig in Stase lebensfähig.
Und das gilt eben auch bei einer Stase im All. Vor allem, wenns mit extremem Impaktdruck anfängt und mit selbigem aufhört. Dann noch die Impakthitze, die Kälte, die Strahlung. Millionen und Milliarden Jahre Reisedauer, Null Nahrung.