Kleine Schritte ergeben irgendwann große. Nach dem Krankenhaus-Aufenthalt war ich eine Weile "wie neben den Schuhen" und musste mir die Sicherheit beim Gehen Schritt für Schritt wieder zurückerobern und tue es immer noch, in der Stadt und beim Bahnhof, bald auch unterwegs in der ganzen Schweiz mit dem GA, das ich nun gelöst habe.
Ich verstehe die Fluchtgedanken einer Freundin, die mir schrieb, nur allzu gut. Auch mich verdrießt es immer wieder, wenn ich den egoistischen Schatten meiner Familienmitglieder spüre, vor allem meiner Schwester.
Meine Schwester und erst recht meine Brüder sind schon sehr eingefahren und wollen nicht an sich arbeiten. Sie können es vielleicht auch nicht. Deshalb habe auch ich die Flucht angetreten, indem ich die äußere Distanz vergrößere. Ich muss mich abgrenzen, vor allem gegenüber meiner Schwester.
Ich muss mich aber auch sonst stark abgrenzen vor Vereinnahmung, Reizüberflutung und Dauerstress. Ich muss es teilweise auch bewusst ausblenden und einfach meine eigene Linie ziehen, wie ich es nenne. So wie ein Adler seinen eigenen Flugradius fliegt.
Jesaja 40,31: "Die auf den Herrn vertrauen, gewinnen neue Kraft, sodass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, sie laufen und nicht matt werden, sie wandeln und nicht müde werden."
Weil meine Schwester in ihrer allgemeinen Lebensangst nicht nur von mir versorgt sein will, sondern mich gleichzeitig behandelt, als könnte ich nicht selbst für mich sorgen, verstehe ich auch, wenn ein erwachsenes Kind sich abnabeln will und dies oft nur mit einer beidseitig schmerzhaften Grenzziehung gelingt. Das musste ich auch gegenüber meiner Mutter tun. Es war nicht leicht, aber notwendig. Bei meiner Schwester ist die Grenzziehung viel schwieriger, weil ihr Schatten viel größer ist.
Es gibt manches, das ich bei meiner Mutter auch nicht mehr verändern konnte, auch wenn ich es versuchte und sie sich von mir beeinflussen ließ. Aber sie war trotz ihres innigen Glaubens und ihrer liebenswerten Selbstlosigkeit insgesamt eher ein pessimistischer Mensch und hat das Leben als Last gesehen. Mit dieser Einstellung hat sie uns geprägt und auch geschadet, mir und meiner Schwester, auch meinen Brüdern. Mit ihrem Humor konnte sie ihren Hang zum Pessimismus ausgleichen, aber sie hat uns doch einige negative Introjekte mitgegeben, die wirken.
Als Beraterin und gute Freundin hat meine Mutter diese pessimistische Grundhaltung nicht gezeigt, aber mir gegenüber schon. Das war ihr Schatten: ihr Pessimismus, von ihrem Vater übernommen. Er war genug stark, dass ich meinen Glaubensoptimismus dagegensetzte, ihr gegenüber, aber auch in mir selbst, gegen den von ihr eingeflößten und wirksam gewordenen Pessimismus.
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