https://www.zwischenraum.net/wassagtdiebibel/news/homosexuelle-als-knabenschaender-gedanken-zu-1-korinther-69-10-und-1-timotheus-19-10/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=8cb60cc4e1f165867a213936815ccfaa (Archiv-Version vom 08.07.2017)Es gibt zwei Texte im Neuen Testament, von denen es oft heißt, dass sie auch von Homosexuellen handeln und darum schwulen Geschlechtsverkehr aufs schlimmste verurteilen:
1. Korinther 6,9+10
Oder wisst ihr nicht, das Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht! Weder Unzüchtige, noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Wollüstlinge, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben. Homosexuelle sind Wollüstlinge und Knabenschänder und werden deshalb das Reich Gottes nicht erben.
1. Timotheus 1,9+10
... dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Widerspenstige, für Gottlose und Sünder, für Heillose und Unheilige, Vatermörder und Muttermörder, Mörder, Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Meineidige, und wenn etwas anderes der gesunden Lehre entgegensteht.
Homosexuelle sind Knabenschänder und damit sind sie gottlose Sünder. Während eines Gottesdienstes, an dem meine Frau und ich teilnahmen, geschah folgendes: Ein Pastor betete für den Weltfrieden, für Weisheit für die Politiker und gegen Homosexuelle. Er verteidigte sein Gebet gegen Homosexuelle mit der Aussage, dass Homosexuelle Knabenschänder seien.
Die beiden Worte, um die es hier geht sind "Wollüstlinge" und "Knabenschänder." Das griechische Wort, das mit "Wollüstlinge" übersetzt wurde, ist "Malakee". "Knabenschänder" ist eine Übersetzung von "Arsenokoitai".
Die englische King James Bibel übersetzt "Malakee" in 1Kor 6 mit "Homosexuals." Dies ist allerdings eine relativ neue Übersetzung, denn das Wort "homosexuell" wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts geprägt. Jahrhundertelang wurde das Wort "malakoi", von dem Malakee abgeleitet ist auch mit Masturbation gleichgesetzt. Erst als Masturbation nicht mehr als so große Sünde, dass man ihretwegen das Reich Gottes nicht erben könnte, angesehen wurde, wurde plötzlich von Homosexuellen gesprochen.
In Wirklichkeit weiß eigentlich keiner so genau, was Paulus mit diesem Wort meinte. Anderswo in der Bibel wird es mit "weich", "fein", "kränklich", "flüssig", "feige", "zart", "sanft" oder "ausschweifend" übersetzt. Vielleicht könnte man auch "ungezügelt" oder "schwelgerisch" benutzen. Anderswo wird es für Menschen gebraucht, die keine Disziplin haben oder moralisch schwach sind. Nirgends wird es im sexuellen Kontext benutzt. Vielleicht wäre "Weichling" oder "Waschlappen" eine bessere Bedeutung. Es bedeutet eher die Unfähigkeit zu moralischer Integrität und Selbstkontrolle.
Bei "Arsenokoitai" gibt es noch weniger Konsens über die Bedeutung des Wortes. Einige englische Bibeln übersetzen es mit "sodomites", ein Wort, dass oft für Schwule gebraucht wird. Es gibt Autoren, die meinen, dass die beiden Worte zusammen vielleicht die beiden Partner einer päderastischen Beziehung bezeichnen (Fee, 1987). In 1. Timotheus 1 wird allerdings nur Arsenokoitai benutzt und daher ist dieses Argument nicht zu halten. Eigentlich weiß niemand, was "Arsenokoitai" bedeutet. Es ist eine Zusammensetzung aus zwei Worten, nämlich "Mann" und "Bett". Das Wort Bett war oft ein beschönigender Ausdruck für Geschlechtsverkehr. Die Verbindung mit Mann ist allerdings nicht ganz klar. Ist "Mann" das Subjekt, oder das Objekt? Paulus war der erste, der diesen Ausdruck benutzte und er kommt sehr selten in der griechischen Literatur vor. Später wurde das Wort für männliche Prostituierte benutzt.
Die zuletzt gebrachte Überlegung, ob das "arseno*" nun den genitivus subjectivus oder objectivus der Genitivverbindung darstellt, funktioniert nur, wenn der zweite Term als Verb umgeformt werden kann (Gottesliebe z.B., Gott kann nur dann Subjekt oder Objekt sein, wenn "Liebe" als das Verb eines Satzes umgeformt werden kann, also "Gott liebt X" oder "X liebt Gott"). Bei anderen Wortverbindungen wie "Schlaftablette" kann man "Schlaf" weder als Subjekt oder als Objekt von "Tablette" verstehen; hier müssen andere Genitivverbindungen bemüht werden.
Daher lebt die Frage "Mann Subjekt oder Objekt der Genitivverbindung" davon, das "koitos", Bett, als Umschreibung für "beschlafen" zu verstehen. Was aber, wenn das gar nicht gemeint ist? Was, wenn es schlicht eine Ruhestatt meint, einen Ort des Nichtstuns etwa? Dann wäre die Übersetzung "Faulpelz".
Die
Acedia jedenfalls ist eine der sieben katholischen Todsünden. Oft mit "Faulheit" / "Trägheit" wiedergegeben.
Diese beiden Stellen sind also alles andere als über jeden Zweifel erhaben; es ist alles andere als sicher, daß dort Homosexualität odgl. gemeint ist. Und ich bezweifle es. Und zwar aufgrund der dritten Stelle des NT: Römer1,23-27:
[Sie] haben die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes verwandelt in das Gleichnis eines Bildes vom verweslichen Menschen und von Vögeln und von vierfüssigen und kriechenden Tieren. Darum hat Gott sie dahingegeben in den Begierden ihrer Herzen in Unreinheit, ihre Leiber untereinander zu schänden, sie, welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht haben statt dem Schöpfer, der gepriesen ist in Ewigkeit. Amen. Deswegen hat Gott sie dahingegeben in schändliche Leidenschaften. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr in den unnatürlichen verwandelt, und ebenso haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sind in ihrer Wollust zueinander entbrannt, indem sie Männer mit Männern Schande trieben [...]
Hier ist eindeutig von Homosexualität die Rede. Aber: Wird es Sünde genannt? Wird die Aktivität verdammt?
Was steht da? Am Anfang wird gesagt, was die Menschheit an falschen Dingen tut, was also laut Paulus ihre Sünde ist. Sie haben Gott verlassen und sich anderen "Göttern" zugewandt. Das ist die schlimme Tat. Und dann sagt Paulus "Darum" und "Deswegen". Hier kommt also nicht die Benennung der Sünde der Menschen, sondern die der göttlichen Bestrafung für die Sünde. Homosexualität ist nach Paulus Strafe, nicht Sünde.
Zum Vergleich, wie das zu verstehen ist. 1.Mose3,11-19, die Sündenfallsgeschichte im Paradies:
[Gott sprach zu Adam] Hast du etwa von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, du solltest nicht davon essen?
12 Da sagte der Mensch: Die Frau, die du mir zur Seite gegeben hast, sie gab mir von dem Baum, und ich ass.
13 Und Gott, der HERR, sprach zur Frau: Was hast du da getan! Und die Frau sagte: Die Schlange hat mich getäuscht, da ass ich.
14 Und Gott, der HERR, sprach zur Schlange: Weil du das getan hast, sollst du verflucht sein unter allem Vieh und unter allen Tieren des Feldes! Auf deinem Bauch sollst du kriechen, und Staub sollst du fressen alle Tage deines Lebens!
15 Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen.
16 Zu der Frau sprach er: Ich werde sehr vermehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären! Nach deinem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen!
17 Und zu Adam sprach er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und gegessen hast von dem Baum, von dem ich dir geboten habe: Du sollst davon nicht essen! - so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen: mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens;
18 und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen, und du wirst das Kraut des Feldes essen!
19 Im Schweisse deines Angesichts wirst du [dein] Brot essen, bis du zurückkehrst zum Erdboden, denn von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren!
Auch hier wird erst die Sünde/Schuld benannt, und anschließend folgen die Strafen. Gefährdung des Lebens durch Schlangen, Unterordnung der Frau unter den Mann, Schmerzen, Schweiß, Tod.
Ist nun Schmerzenhaben Sünde? Wird Gott sauer, wenn ich schwitze? Komm ich in die Hölle, weil mich ne Schlange beißt?
Diese Interpretation wäre absurd. Aber sowas von!
Nee, gemeint ist, daß es manche Dinge in der Welt gibt, die nicht nach "guter Schöpfung" aussehen, die als "schlecht" empfunden werden. Und die als "nachträglich in die Schöpfung eingeführte Weltordnung" dargestellt werden, und zwar als Strafe für ein Fehlverhalten "des Menschen". Und zwar nicht eines einzelnen Individuums unter vielen, sondern "der Menschheit schlechthin", im konkreten Fall der "damaligen gesamten Menschheit", sprich: Adam und Eva.
Genauso spricht Paulus am Anfang des Römerbriefes nicht von einigen Menschen, halt solchen, die sich halt andere Götter stat dem einen gebastelt haben. Paulus spricht ausdrücklich von der Sündhaftigkeit der gesamten Menschheit.
Römer2,1: Deshalb bist du nicht zu entschuldigen, o Mensch
Römer3,9-12: Was nun? Haben wir einen Vorzug? Durchaus nicht! Denn wir haben sowohl Juden als Griechen [i.S.v. Nichtjuden] zuvor beschuldigt, dass sie
alle unter der Sünde seien, wie geschrieben steht: `Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer.
Es geht Paulus in den ersten Kapiteln nicht um das Benennen von konkreten Sünden (und den dazugehörigen Strafen) einiger, sondern er meint die ganze Menschheit damit. Er spricht also nicht von einigen Menschen, sondern von "der Menschheit". Und diese ist durch ihre Sünde insgesamt von Gott abgefallen.
Deswegen, so Paulus, gibt es Homosexualität. Und etliches andere. Ist zwar noch immer - ähm - diskutabel, wie er über Homosexualität denkt, aber er hält sie hier eindeutig für die Strafe, nicht für die Schuld.
Es gibt also im Neuen Testament nicht "nur drei" Stellen, die Homosexualität als Sünde brandmarken, sondern zwei fragliche und eine nur falsch verstandene.
Und nebenbei: Auch die Unterordnung der Frau unter den Mann wird mit der Paradiesgeschichte nicht als "Gottes Wille" zementiert. Sondern das Patriarchat wurde von den damaligen als "Weltordnung" wahrgenommen, als Ist-Zustand wie den Ablauf von Sommer und Winter, Tag und Nacht. Aber das Patriarchat wurde nicht als "gute Schöpfungsordnung" aufgefaßt, sondern im Gegenteil als etwas Schlechtes.
Und sollte es jemandem gelingen, bei der Arbeit nicht zu schwitzen, oder schmerzarm durch Leben zu kommen sowie niemals von einer Schlange gebissen zu werden, dann wäre derjenige schwerlich von den Israeliten dafür gesteinigt worden. Ebenso sehe ich nicht, daß die Bibel mit der Paradiesgeschichte sagt, es sei verwerflich, wenn Frau und Mann gleichbertechtigt leben.
Wie Menschen jahrhundertelang die Bibel so lesen konnten, daß es verwerflich sei, wenn eine Frau sich gegen das Patriarchat stellt, ist mir ein Rätsel. Mit der selben Begründung hätte man ja alle belangen müssen, die sich nicht unter die "Strafe der Homosexualität" stellen.