Niselprim schrieb:ShakaZulu schrieb:In der Logik der Religion hat es sicherlich für den Glauben eine Relevanz, die Frage ist nur, wieso soll das eine Vergangenheitsbeschreibung sein?
Zum Beispiel weil unser Kalender danach ausgerichtet ist
Ich denke, wir beide werden uns sehr schnell darauf verständigen können, dass die Ausrichtung des Nullpunktes unseres Kalenders eine Nebensächlichkeit darstellt.
Darüber hinaus, ist die Kalenderausrichtung
eine Folge davon, dass man das NT als Vergangeheitsbeschreibung einsetzt und kann somit keine Begründung sein.
Die Frage ist also weiterhin offen: Warum soll es bei "Jesus" um eine Vergangenheitsbeschreibung gehen?
Schau es dir mal genau an: im NT geht es aus deiner religiösen Sicht um einen Menschgewordenen Gott, der sich anstrengt, mit Wundern zu beeindrucken.
Das Wunder, dass etwas vorliegt, sodass man von einem tatsächlichen Stattfinden ausgehen kann, ist
nicht dabei.
(die Ägypter waren da weitaus mehr auf Zukunft ausgerichtet)
Niselprim schrieb:Das Wort Gottes ist (jedenfalls für mich) erstmal das, was Der Herr, Jesus Christus, gesagt haben soll.
...
Insgesamt alles zusammengenommen und mit Der Wahrheit abgewägt, ergibt das dann ein Bild über den Sachverhalt auch in der Geschichte. Historisch betrachtet aber benötige ich keine genaue Datumsangabe, sondern reicht mir sagenwirmal eine gewisse Reihenfolge.
Merkst du, dass du hiermit letztlich
keine Begründung vorlegen kannst?
Es kommt dir halt als "direkt/intuitiv" vor, dass man sich diese Geschichten als Vergangenheit einprägt. Exakt das sollte dich aber stutzig machen: "Geschichte" ist normalerweise staubtrocken und fern ab von "einfach einprägsam".
Hinzu kommt, dass uns über das 1./2.Jhd andere Angaben zur Verfügung stehen und wir den Einblick in eine Entwicklung der jüdischen Religion haben, die ohne Probleme als Start einer neuen Religion durchgeht und in einer Untergangskatastrophe mündet, die neben dem Unterschied zwischen AT und NT auch die Ausbreitung im Mittelmeerraum erklärt.
Aber selbst innerhalb der christlichen Religion ergeben sich deutliche Probleme.
Nehmen wir
die Stelle aus dem Johannesevangelium, die du genannt hast:
Wenn man "Jesus" als tatsächlich "im 1.Jhd vorhanden" ansieht, dann stellt man sich als Gläubiger letztlich ein Werkzeug vor, um Leute identifizieren zu können, die "den Teufel zum Vater haben".
Die Konsequenzen sind dann natürlich beliebig aggressiv, sie sind aber nicht mehr friedlich und liebevoll.
Du hast selbst betont, dass dir diese "Teufel-Einschätzung von Jesus" wichtig ist.
Geht es einem Gläubigen hingegen
nicht um einen tatsächlichen Jesus (indem er die Untergangskatastrophe und den Schwenk auf Frieden/Liebe des Christentums beachtet), dann gab es diese Situation nicht wirklich und der Gläubige kann sich voll und ganz auf die Abkehr von Gewalt konzentrieren.
Ich kann jetzt natürlich nicht vorwegnehmen, wie diese Johannes-Stelle dann interpretiert werden würde, aber sagen wir einfach "man findet dann schon einen Weg".
Die Johannes-Stelle zeigt eigentlich ganz gut, wie wenig Spielraum ein tatsächlicher "Jesus" für den Friedens/Liebes-Ansatz bietet.
Wenn man dies alles zusammenrechnet, dann würde ich sagen:
das Nicht-Für-Historisch-Halten, gepaart mit dem Beachten der tatsächlichen Ereignisse, führt zu einem viel besseren Christentum, als es sich durch den Anspruch Bibel=Vergangenheitsbeschreibung entwickelt hat.
Niselprim schrieb:Meiner Meinung nach ist die Tendenz zur Aggressivität und Gewalt, weil sie aggressiv und gewalttätig sind.
Sorry, das Verstehen einer "göttlichen Kategorisierung" von Leuten, die "Jesus" ablehnen, als "den Teufel zum Vater haben", kann man sich nicht schön reden.
Da entsteht keine Friedens- und Liebessituation mehr - da wird eher Holz für ein Feuer gesammelt.
Niselprim schrieb:Ohne das genaue Datum zu haben, kann man trotzdem Anhaltspunkte im Verlauf der Geschichte erhalten, um irgendwelchen vielleicht wichtigen Hinweisen oder Zeichen folgen zu können.
Man könnte die Bibel vielleicht als eine Art "Bestätigung" für Quellen mit mehr Details hernehmen.
Allerdings ist dies mit Vorsicht zu geniessen, denn die Texte des NT liegen eher erst als Schriften der zweiten Hälfte des 2.Jhd. vor (nach der Untergangskatastrophe!) und so könnte das NT andere Quellen verwendet haben, um ein historisches Flair zu generieren.
Es driftet aber auch auseinander:
Was machst du z.B. mit "dem zerrissenen Vorhang (im jüdischen Tempel) im Moment des Todes von Jesus", wenn die Juden davon keinerlei Kenntnis haben?
Hier wird von christlicher Seite eine "göttliche Meinungsäusserung" behauptet, die im Verhalten der Christen zu deutlichen Konsequenzen geführt hat.
Alles nur, weil man die Angaben im NT für "Anhaltspunkte" hält.
Im Gespräch mit heutigen Christen kann es gut sein, dass lieber den Juden "bösartige Vertuschung" vorgeworfen wird, als dass man über den Status des NT nachdenkt.
Aus meiner Sicht müssten die christlichen Gläubigen erst einmal
innerhalb ihres Religionsgebäudes beweisen, dass ein Für-Vergangenheit-Halten mit der von ihnen behaupteten Friedens-/Liebes-Einstellung in Einklang gebracht werden kann.
Die Vergangenheit des Christentums ist hier ein deutliches Gegenargument - es hat quasi noch nie funktioniert.