Star-Ocean schrieb:Gibt es neben einem Film auch ein historisches Beispiel dafür oder wie kommst du zu diesem Entschluss?
Faschisten mochten es noch nie, wenn man sich über sie lustig macht. Völlig gleich, ob dies satirisch oder in irgendeiner anderen Form geschieht.
Sie wollen die Jeningen sein, die die Meinungshoheit innehaben, sie wollen die Kontrolle haben, sie malen düstere Welten und schüren Ängste. Sie haben die einfachen Lösungen parat. Ihre Weltanschauung ist die einzig richtige.
Da ist Satire, sich über die lustig machen, für sie so gefährlich. Denn das bedeutet:
- ihre Autorität wird untergraben
- innere Widersprüche und Absurditäten werden sichtbar
- der Mythos der Unfehlbarkeit und der absoluten Richtigkeit ihrer Weltanschauung bröckelt
- Humor und Satire sind nützliche Mittel, um Widerstand zu mobilisieren
Oder kurz: Kontrollverlust.
Deswegen will die AfD auch die Kulturförderung entsprechend anpassen:
Die Förderung von Kultureinrichtungen muss transpa-
rent sein. Die staatliche Kulturförderung darf nicht dazu
missbraucht werden, die politische Willensbildung zu
beeinflussen. Vereine und Stiftungen, die staatlich geför-
dert werden, müssen sich zur freiheitlich-
demokratischen Grundordnung bekennen.
Die AfD bekennt sich zur Kulturhoheit der Bundesländer
und will die kulturpolitischen Aktivitäten des
Bundes begrenzen.
Wahlprogramm 2021, S. 158
https://www.afd.de/wp-content/uploads/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdfWas sie damit konkret meint, konnte man vor Kurzem sehen:
Die AfD zog gegen ein Theaterstück einer Osnabrücker Gesamtschule vors Verwaltungsgericht Hannover. Das Stück ist aber von der Kunstfreiheit gedeckt.
Hätten die Lehrer einschreiten müssen, als ihre Schüler an der Osnabrücker Gesamtschule Schinkel ein Stück mit dem Titel „Danke dafür, AfD!“ schrieben, probten und aufführten? Das ist die Kernfrage im Prozess, den die AfD Niedersachsen vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen das niedersächsische Kultusministerium angestrengt hat.
[...]
Hart und polemisch gegen die AfD
Über das eine oder andere Detail gibt es dabei Streit: Die AfD bezieht sich auf eine im Lokalteil der Neuen Osnabrücker Zeitung erschienene Besprechung des Stücks, in der davon die Rede ist, die Zuschauer seien in einen dunklen Keller geführt worden, wo man anscheinend nur noch auf das Zischen der Gaseinleitung über die Duschköpfe habe warten sollen.
Die Lehrer bestreiten, dass diese Gaskammer-Assoziation beabsichtigt war, sie ist möglicherweise eher im Kopf des Rezensenten entstanden. An einer anderen Stelle steht im Skript die Zeile „Fick’ dich, Gauland“, die soll aber noch in den Proben gestrichen und in der Aufführung daher nicht gesprochen worden sein.
Unbestreitbar geht das Stück mit der AfD hart und polemisch ins Gericht. Die Frage ist aber: Dürfen Schüler das? Die AfD macht geltend, hier habe die Schule ihre Neutralitätspflicht verletzt, die Lehrer hätten mäßigend einwirken müssen. „Wenn die Schüler beschlossen hätten, einen Porno aufzuführen, hätte man das doch auch nicht zugelassen“, argumentiert der AfD-Anwalt. Dem gegenüber steht die Kunstfreiheit der Schüler und Schülerinnen und das erklärte pädagogische und didaktische Ziel, sie sich selbst eine Meinung bilden und diese mit künstlerischen Mitteln ausdrücken zu lassen.
Eine Indoktrination seitens der Lehrer vermochte das Gericht jedenfalls nicht zu erkennen – die Schüler hatten nämlich zuvor alle Stückvorschläge der Lehrkräfte abgelehnt. Und auch die detaillierte Darstellung der Entstehung des Stückes legte nahe, das es eben tatsächlich auf dem Mist der Schülerinnen und Schüler gewachsen war. Die Förderung dieser Art von Eigeninitiative findet sich auch ausdrücklich im Kerncurriculum Darstellendes Spiel wieder, das das Gericht ebenfalls heranzog.
[...]
Das Gericht wies die Klage der AfD jedenfalls ab. Eine politische Einflussnahme durch die Lehrkräfte sei nicht erkennbar und eine Einschränkung der Kunstfreiheit käme allenfalls dann infrage, wenn die AfD schwerwiegende Verletzungen der Persönlichkeitsrechte geltend gemacht hätte – damit hatte sie ja aber gar nicht argumentiert.
https://taz.de/Klage-gegen-Schultheater-Stueck/!5955273/Zwar hat die AfD verloren, aber na ja, so:
Das war in den Kreisen der AfD-Anhänger, die nach dem Bekanntwerden des Stückes die Schule mit einem ausgiebigen Shitstorm überzogen hatten, natürlich noch ganz anders gesehen worden.
Wenn sich der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende nun also in einer Verfahrenspause hinstellt und sagt: „Unabhängig vom Ergebnis haben wir hiermit ein Zeichen gesetzt und gezeigt, dass uns politische Neutralität an Schulen wichtig ist. Immerhin hat es seither auch keine solche Theaterstücke mehr gegeben“ – dann muss man überlegen, ob das nicht vielleicht eher mit dem Einsatz der Troll-Armeen zusammenhängt. Die Schule wurde mit Drohungen und Beleidigungen überschüttet, auch vor der Veröffentlichung von Foto, Namen und Anschrift des Schulleiters schreckte man nicht zurück.
Kann man die Meinungs- und Kunstfreiheit auch einschränken.
Und es ist nur eines von vielen Beispielen. Deutschland, aber normal - heißt es ist in Ordnung, von der Entsorgung von Menschen zu sprechen oder NS-Parolen zu verwenden, aber wehe, irgendjemand wagt auch nur eine klitzekleine Form von Kritik an der allwissenden AfD, dann fühlt man sich schnell ungerecht behandelt, von den Staatsmedien verfolgt und ist furchtbar moralisch empört.