@stereotyp stereotyp schrieb:Edit: ich kapier's schon; Gauland wollte nicht sagen vergleichsweise kurze Zeit, er wollte durch die Benutzung des Wortes Vogelschiss die Bedeutung der NS-Zeit für die deutsche Geschichte runterspielen, richtig?. Heißt also, die revidierte Version wär ok?
Nein, Gauland wird nicht missverstanden und die revidierte Fassung wäre auch nicht OK. Wenn es außer der Vogelschiss-Rede nichts anderes geben würde und Gauland sich davon entsprechend klar distanziert hätte, dann wäre das anders. Das ist aber nicht der Fall. Wie bei einer Verurteilung in einem Mordprozess kann ggf. auch - und wird auch immer gerne von Unterstützern des Täters - ein einzelnes Indiz aus der Indizienkette herausgegriffen und weil mglw. auch ein nicht-belastende Erklärung möglich ist, hier die Unschuld des Täters postuliert. Das ist natürlich so methodisch falsch, gleiches gilt auch hier. Die Rede von Gauland steht ja nicht einsam und allein auf weiter Flur, sondern muss immer im Kontext zu anderen Reden Gaulands und seinen politischen Positionen, also zusammen mit den anderen Indizien, gesehen werden. Und in diesem Kontext wird deutlich, dass Gauland in vollem Bewusstsein dessen was er sagt, hier den Holocaust und die Verbrechen des NS-Regimes relativieren wollte. Das wird deutlich, wenn man sein Eintreten für die Blut-und-Boden-Ideologie des NS und "Reinhaltung der Rasse" sieht, die Verschwörungstheorien von der "Umvolkung", die in vergleichbarer Weise auch schon von den Nazis verbreitet wurden usw. In diesem Kontext ist dann auch die Abschaffung (er spricht nicht von Änderung) des "System BRD" unter Verwendung entsprechender Rhetorik, wie sie von den Nazis gegenüber der Weimarer Republik verwendet wurde, zu sehen. Damit kann nur die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemeint sein, weil die unter dem Schutz der Ewigkeitsgarantie stehende Menschenwürde und die im Kern über die Menschenwürde mit garantierten Grundrechte den politischen Zielen von Gauland letztlich im Wege steht.
Mir ist es nach wie vor unverständlich, warum bei solchen Politikern, die von "Umvolkung" sprechen und sich entsprechend zur Frage des "Deutschseins" äußern, also klar rassistisch, nicht einen in Erinnerung dessen, was diese gerne relativieren wollen, das kalte Grauen und Entsetzen packt.