Hier ist eine Einordnung der Rechtslage, die ein wenig über den Tellerrand und somit über das Jahr 2024 hinaus geht.
So ganz legal sind die Entscheidungen der Regierung nicht, bzw sie werden Jahr für Jahr immer illegaler und teurer.
Arbeitsverweigerung und Verschleppung hat sich aber eigentlich noch nie gelohnt;
Erstmals hatte eine Klimaklage gegen ein Land vor dem Europäischen Gerichtshof Erfolg. Droht Deutschland nun das gleiche Schicksal?
Es könnte ein wegweisendes Urteil sein: Vor dem Europäischen Gericht für Menschenrechte wurde zum ersten Mal einer Klimaklage recht gegeben. Zwei Seniorinnen aus der Schweiz hatten beklagt, dass der Klimaschutz ihres Staates nicht ausreicht. Das sei auch für Deutschland ein wichtiges Urteil, sagt die Rechtsanwältin und Umweltrechtlerin Miriam Vollmer.
Sie sieht die Bundesregierung in der Pflicht, stärkere Klimaschutzmaßnahmen vorzunehmen. Denn sonst könnte es ab 2027 teuer werden. Dann greift ein neuer Mechanismus der Europäischen Union.
Im Interview mit t-online erklärt sie, was das Urteil für Auswirkungen hierzulande haben könnte, was die Bundesregierung vorbeugend tun kann und warum die Leute "sich mal ehrlich machen" müssen.
Aktuell gibt es beim Emissionshandel auf EU-Ebene zwei Töpfe. Der erste Topf, ETS-1, ist für Industrie und Energie. Die Regeln macht die Europäische Kommission schon lange für ganz Europa und die Unternehmen kommen damit eigentlich gut klar. Beim zweiten Topf, dem ESR, gibt es einen Spielraum der Mitgliedsstaaten. Hier können sie für den Klimaschutz noch eigene Regeln machen. Sie müssen nur bestimmte Minderungsziele einhalten. Diese Minderungsziele riss die Bundesregierung zuletzt 2023. Immer wenn sie die reißt, muss sie woanders in Europa Minderungsrechte einkaufen von Staaten, die es besser hinbekommen. Nur: Ab 2027 können Länder ihre Regeln nicht mehr selbst machen.
Sie sieht die Bundesregierung in der Pflicht, stärkere Klimaschutzmaßnahmen vorzunehmen. Denn sonst könnte es ab 2027 teuer werden. Dann greift ein neuer Mechanismus der Europäischen Union.
Im Interview mit t-online erklärt sie, was das Urteil für Auswirkungen hierzulande haben könnte, was die Bundesregierung vorbeugend tun kann und warum die Leute "sich mal ehrlich machen" müssen.
t-online: Frau, Vollmer, kann die gewonnene Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch für Menschen in Deutschland ein Präzedenzfall werden?
Miriam Vollmer: Da ist für Deutschland ein wichtiges Urteil, denn auch Deutschland ist Partei des zugrunde liegenden Regelwerks – der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Deren Grundrechte gelten damit auch in Deutschland. Es gibt in Europa nämlich drei Grundrechtskataloge. Neben der EMRK haben wir die Grundrechte im Grundgesetz und die Grundrechtscharta der EU. Alle enthalten individuelle Grundrechte, wie beispielsweise eben Leben und Gesundheit. Die erfolgreich klagenden Seniorinnen aus der Schweiz haben sich darauf berufen und vorgetragen, dass die immer höheren Temperaturen sie, gerade weil alte Menschen auf hohe Temperaturen empfindlicher reagieren als jüngere, besonders betreffen. Das stimmt ja auch. Der Kreislauf macht das nicht mehr so mit.
Rechtsanwältin Dr. Miriam Vollmer.
Rechtsanwältin Dr. Miriam Vollmer. (Quelle: Heidi Scherm)
Zur Person
Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie berät seit 2006 als Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei re | Rechtsanwälte Unternehmen der Energiewirtschaft und der Industrie, die öffentliche Hand, Vereine und Verbände vor allem im Umwelt- und Energierecht. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Das könnten auch deutsche Bürger vortragen. Wann steht also die Bundesregierung vor einem europäischen Gericht?
So einfach ist das nicht. Grundsätzlich muss ich erst einmal auf der niedrigsten Ebene bei einem Gericht anfangen und mich dann hocharbeiten. Rechtswegerschöpfung nennt man das. Aber die Frage ist ja: Worum geht's jeweils? Wo, wofür, wogegen wende ich mich? Einfach so klagen, nach dem Motto: 'Ich wünsche mir eine andere Politik' – das geht nicht. Ich brauche immer etwas ganz Konkretes. Wir werden sehen, ob die deutsche Klimaklage aus 2021, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig ist, hierfür reicht. Aber ich möchte besonders betonen: Die Wirkung der erfolgreichen Klage ist eine andere, als wenn ich beim Amtsgericht 500 Euro vom Unfallgegner einklage.
Welche?
Zum einen stärkt sie der Klimabewegung den Rücken. Weil die jetzt die auf ihrer Seite hat, die eigentlich gar nicht so leidenschaftlich klimabewegt sind, aber sagen: 'Diese Klimagesetze und -anpassungen müssen wir jetzt einfach haben, um einen rechtlichen Standard einzuhalten.' Zum anderen verhindert sie im politischen Raum eine Abschwächung von Standards. Denn natürlich sagen andere immer: 'Das ist alles ganz schön viel. Das schaffen wir ja gar nicht. Wir sollten den Standard auf ein realistisches Maß senken.' Dieser wird dann aber wohl nicht die Erderwärmung aufhalten. Stattdessen wird das Leben der Menschen in Deutschland deutlich eingeschränkt und Senioren werden im Sommer krank oder müssen sogar sterben. Dann ist kein schönes Leben mehr für die Menschen möglich. Solche Urteile beschreiben und begrenzen also den politischen Raum neu.
Nun gab es bereits ein Urteil gegen die Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht hat einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz recht gegeben. Freiheitsrechte von jungen Menschen seien eingeschränkt worden.
Richtig, das Bundesklimagesetz wurde nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts deswegen deutlich nachgeschärft. Das ist natürlich auch in Zukunft möglich. Oder zum Beispiel, dass Änderungen des Bundesklimagesetzes zum Schlechteren, wie die jetzt vollzogene Streichung von Sektorzielen, wieder aufgehoben werden müssen.
So hart trifft die Klimakrise Deutschland
Waldsterben im Harz: Deutschlandweit geht es den Bäumen schlecht.
Starkregen, Überschwemmungen und Fluten: Nach Einschätzung des Deutsches Wetterdienstes werden Wetterextreme wie diese mit der anhaltenden Erderwärmung weiter zunehmen. Im Juli 2021 etwa kam es in Teilen Deutschlands zu heftigen Unwettern. Am schlimmsten waren Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffen: Dort starben mehr als 190 Menschen. Die Flut verursachte zudem Sachschäden in Milliardenhöhe. (Hier zu sehen: die Abbruchkante bei der Flutkatastrophe in Erftstadt im Sommer 2021.)
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Diese Änderung sei notwendig, weil ansonsten "Fahrverbote an Wochenenden" drohen, sagte Verkehrsminister Volker Wissing. Dabei gilt unter anderem für den Verkehrssektor ab 2027 ein neues Regelwerk der EU beim Emissionshandel.
Ja, das stimmt. Da muss ich etwas weiter ausholen: Aktuell gibt es beim Emissionshandel auf EU-Ebene zwei Töpfe. Der erste Topf, ETS-1, ist für Industrie und Energie. Die Regeln macht die Europäische Kommission schon lange für ganz Europa und die Unternehmen kommen damit eigentlich gut klar. Beim zweiten Topf, dem ESR, gibt es einen Spielraum der Mitgliedsstaaten. Hier können sie für den Klimaschutz noch eigene Regeln machen. Sie müssen nur bestimmte Minderungsziele einhalten. Diese Minderungsziele riss die Bundesregierung zuletzt 2023. Immer wenn sie die reißt, muss sie woanders in Europa Minderungsrechte einkaufen von Staaten, die es besser hinbekommen. Nur: Ab 2027 können Länder ihre Regeln nicht mehr selbst machen.
Geld sparen durch Klimaschutz: Das ist der Emissionshandel
Warum hält Deutschland die Regeln nicht ein und was verändert sich?
Das liegt vor allem an den Sektoren Verkehr und Gebäude. Im Gebäudebereich ist das halb so wild. Da macht die Bundesregierung schon eine Menge und hat 2023 auch fast eine Punktlandung hingelegt. Aber bei Kraftfahrzeugen sieht es ganz schlecht aus. Das hat einen Grund: In Deutschland fahren einfach zu viele und zu große Verbrenner. Ab 2027 greift aber die neue Emissionshandels-Richtlinie, und es entsteht ETS-2. Diese Richtlinie verpflichtet die Deutschen, an einem europaweiten System teilzunehmen. Der Preis für CO2 entsteht dann am europäischen Markt. Die verfügbaren Zertifikate sind durch die Minderungsziele begrenzt und praktisch nach oben offen.[/quote]
Quelle:
https://www.t-online.de/klima/leben-umwelt/id_100389162/klimaklage-erfolgreich-das-droht-jetzt-der-bundesregierung.html