Beeinflussung von Wahlen durch Terrorismus ?
01.02.2009 um 15:00
"Tolle Polemik, -null Inhalt, null auf die Zusammenhänge eingegangen.Passt das Weltbild so?"
Ach schmitz. Mit der RAF ist es etwas schwieriger, als es ein bestimmtes Weltbild je erklären könnte.
Fragen muss man sich nämlich: wie ist es möglich das den Opfern der RAF eine (posthume) Gleichgültigkeit entgegengebracht wird, die sich darin ausdrückt, das die historyfiction in den TV-Programmen der Dritten oder auf dem Buchmarkt die Erinnerungs- und Mitleidskultur sang- und klanglos abschmieren, gleichzeitig die Diskussion über Klar, einen politisch unzurechnungsfähigen, aber an sich mitleiderregenden Zeitgenossen, die Leserspalten von FAZ bis SZ dermaßen erzürnt, das alle im Gleichklang: "Für immer wegsperren" schreien, was ausbuchstabiert nichts weiter als der sanftmütig daherschleichende Ruf nach Todesstrafe ist.
Das entspringt nämlich einem geistigen Zustand der in der RAF selbst vorhanden war, am deutlichsten ein, als Sozialcharakter, steht dafür Baader. Zwischen der Mordlust, die die Eltern der sicherheitsverwahrungsfanatischen Kinder antrieb, in vorauseilendem Gehorsam die Bildchen der zur Fahndung ausgeschriebenen RAF-Desperados durchzustreichen und der Indifferenz, die den Opfern heute noch zuteil wird, besteht nur ein oberflächlicher Widerspruch. Diese Opfer brauchte man damals nämlich nur als materielle Grundlage um den eigenen autoritären Charakter auszuleben. Derselbe Sozialcharakter, der die RAFler so sehr hasste, schreit nämlich auch nach der Todesstrafe (die die Maoisten um Meinhof und Co. ja an den Charaktermasken des Kapitals ausagierten), hasst "die Politiker" bis aufs Blut. Er strebt nach der starken Hand, die in seinem Sinne aufräumt, sich und seinesgleichen Oberwasser verschafft: er will mit der Macht sein, dies aber nicht unbedingt nach den Spielregeln der (gerade) Mächtigen. Er ist zum Standrecht und zum Ausnahmezustand bereit, wenn es gegen Rebellen und Außenseiter geht, aber paradoxerweise deshalb, weil er sich stets vom Zustand der Welt betrogen fühlt, einem Zustand von dem die Schleyers ja profitieren und die RAFler sich anschickten, diesen (negativ) zu ändern. Darum sind ihm Schleyers und auch Pontos Witwe und verwaiste Kinder egal, genausowenig wie ihn der Gedanke empört, das in Stammheim vielleicht doch Morde stattgefunden haben* - der Ermordung der Gefangenen hätte er genauso zugestimmt, wie er sich darin einig mit den Terroristen war, es denen da oben mal richtig zu zeigen.
Einer wie Baader, den man am mildesten als rohen Banditen bezeichnen sollte, ist vom Typ her durchaus vom Geschmack des autoritären Charakters. Die Faszination, die von diesem Bankräuber und Bonzenjäger ausging, bestimmte ja nicht nur damals den reißerischen Umgang des Boulevards mit den RAF-Abenteuergschichten. Mehr, als es dem einen oder anderen Chefredakteur jedenfalls lieb war.
Diese untergründige Zuneigung, die beispielsweise Hooligans in den '70ern immer mal wieder "Baader-Meinhof" in Richtung der Bullen skandieren ließ, beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Damit ist noch gar nicht mal die widerliche Volkstümelei der RAF als politischer Organisation gemeint. Gerade Baader sah sich selber als eine Art Revolutionsgangster an, der den Verschwörer Blanqui (auf dem er sich '71 im "Konzept Stadtguerilla berief) durchaus auch durch Al Capone hätte austauschen können. Baader, der vor der RAF-Zeit eine Gruppe von Jugendlichen ("Staffelberger" genannt, nach einem Heim in der Kleinstadt Biedenkopf in Hessen) bandenartigen Jung-Kriminellen leitete, hatte auch immer den verrohten Sprachschatz des Luden-Milieus drauf, was den RAF-Ton später, besonders unter den Frauen, vergiftete: "Fotze" dürfte neben "Schwein" das am häufigsten benutzte im internen Schriftverkehr gewesen sein. Baader jedenfalls hatte das Gewalt-Milieu immer im Auge, meinte, man solle Erklärungen so abfassen "dass sich jeder Rocker oder auch jeder, der seine alte abgejackst hat, darin findet."
Baader als ganz ordinärer Bandenchef, der um sich hauptsächlich - aber nicht nur - weibliche "Zofen", wie er es zu sagen pflegte, scharte, die ihn aus bürgerlichem Selbsthass heraus anhimmelten - ein durchaus realistisches Bild der ersten RAF-Generation - kommt heute, auch in linken Kreisen, gar nicht mehr vor. Dort treibt einen der existentialistische Radikalsmus der Gefangenen immer noch auf ein schlechtes Gewissen ob der eigenen Versäumnisse zu, was bewirkt, die Gruppe weiterhin nur "politisch" zu betrachten. Die unleugbare wie tragische Dynamik von Realitätsverlust und Projektivität, die die RAF immer zunehmender beherrschte (und auch ihr Umfeld nicht ausklammerte), wird heute doch systematisch ausgeblendet.
Jedenfalls: nur wenn man solche Objektivierungskunststückchen abzieht kann man sich mit Fragen beschäftigen wie: Wo schlug das Gute ins Falsche um? Was hätte man besser machen können? Wodurch verlor man jegliche Legitimation? Diesen Sündenfall, der einen so gut in die Gefühlslandschaft aus Verfolgungslust und Identifikationsbedürfnis des autoritären Charakters eingemeindet, kann an keinem Punkt der RAF festgemacht werden (allerhöchstens in deren ferneren Vorgechichte).
Fazit: die RAF exekutierte einen Massenkonsens des autoritären Charakters dem sie selbst zum Opfer fiel. Sie war wirklich eine Volksavantgarde - mit "Dem Volke dienen" wurde es aber nix.
*Das überließ man ihnen und ihrem Wahn dann doch selbst.