Freude schöner Götterfunken
18.04.2007 um 07:46
Friedrich Schiller (1759-1805) 1785
1. Freude schöner Götterfunken,
Tochteraus Elysium,
Wir betreten Feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauberbinden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo deinsanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzenWelt!
|: Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen, :|
2. Wemder große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weiberrungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt aufdem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesemBund!
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie.
|: Zu den Sternenleitet sie,
Wo der Unbekannte thronet. :|
3. Freude trinken alle Wesen
Anden Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gabsie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod,
Wollust ward dem Wurmgegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest duden Schöpfer, Welt?
|: Such ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen.:|
4. Freude heißt die starke Feder,
In der ewigen Natur,
Freude, Freudetreibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus denKeimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen
Die des SehersRohr nicht kennt.
Froh wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächtigenPlan,
|: Laufet Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen! :|
5. Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugendsteilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Siehtman ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engelstehn.
Duldet mutig, Millionen!
Duldet fur die beßre Welt!
|: Droben übermSternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen. :|
6. Göttern kann man nichtvergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sichmelden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
UnsermTodfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.
UnserSchuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
|: Brüder - übermSternenzelt
Richtet Gott, wie wir gerichtet. :|
7. Freude sprudelt inPokalen;
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
DieVerzweiflung Heldenmut. -
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römerkreist;
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist!
Dender Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
|: Dieses Glas dem gutenGeist
Überm Sternenzelt dort oben! :|
8. Festen Mut in schwerenLeiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegenFreund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen -
Brüder, gält' es Gut undBlut:
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Schließt den heilgenZirkel dichter!
Schwört bei diesem goldnem Wein,
|: Dem Gelübde treu zusein,
schwört es bei dem Sternenrichter! :|