shionoro schrieb:Aber inwiefern könnte man das sagen, wenn der ÖR 50%+ der Zuschauer hat im Fernsehen?
Es ist ja nicht NUR das Traumschiff. Es ist AUCH das Traumschiff, damit man eben die Masse der Bevölkerung mitnimmt.
Wäre der Ör in einer Form, in der ihn keiner mehr anschaut, DANN wäre das ein Legitimiationsproblem. Aber der Ör nimmt seine Funktion ja wahr. Es ist nicht so, als würde da die ganze Zeit nur apolitisches Fernsehen laufen.
Du verstehst es wohl noch immer nicht. Der ÖRR hat bereits ein Legitimationsproblem und das wird nicht weniger werden. Er ist vielen zu groß, zu langweilig oder wirkt politisch gesteuert.
Die Gelegenheit zu sagen, bei all den privaten Anbietern, ob man den Markt für Unterhaltung nicht lieber denen überlässt, die das sowieso abbilden, ist doch mehr als ein mal da gewesen. Stattdessen tritt man immer noch als eine Art Monopolist auf, der sich dafür verantwortlich fühlt im Jahr 2021 Leute mit kompletten Unterhaltungsprogrammen versorgen zu müssen.
Ja, das steht natürlich so im Auftrag mit drin, aber das ist wie die Autobahn zu pflegen, obwohl paralell schon eine neuere, sichere, schnellere Route vorliegt. Man muss doch auch mal zurück stecken und sich fokussuieren können und sich nicht mit Quotensendungen irgendwie bemerkbar machen. Das ist sicher nicht das, was sich Menschen vom ÖRR erhoffen. Daher rührt ja auch ein Teil der Legtimationsprobleme.
shionoro schrieb:Nein. Was den ÖR ausziechnet ist big tent. Wenn sich das nur noch intellektuelle anschauen würden, dann würde er seiner funktion, eben öffentlich für die gesamte bevölkerung da zu sein, nicht mehr nachkommen können.
Natürlich braucht der Ör quote, um akzeptiert zu werden.
Die Folge des Big Tent ist dennoch, dass man versucht eine Art Vollversorgung anzubieten, selbst für die, die ohnehin nicht einschalten werden. Man kann dann zwar stolz auf den Rundfunkstaatsvertrag zeigen und sich lobpreisen, wie umfangreich und toll man das gemacht hat, aber in dem Moment sendet man mehr für's eigene Ego anstatt angepasst an Realitäten.
Die Aktzeptanz für den ÖR kommt heute nicht mehr durch Quote, zumal das was augenscheinlich Quote macht, in ähnlicher Form doch ohnehin im Privaten läuft - das zu erkennen wäre schon mal der erste Schritt der Besserung.
shionoro schrieb:Wenn der ÖR halb so teuer wäre, aber nur ein fünftel der Zuschauer hätte, dann würde er seiner Grundversorgungspflicht nicht mehr nachkommen können, weil er eben nicht mehr in der lage ist, den politischen diskurs zu moderieren und auch nicht, kultur wirklich zu fördern.
Die Grundversorgungspflicht definiert der ÖRR ja mittlerweile nach belieben. Wann hat sich denn das letzte mal jemand beschwert, weil jemand ein bestimmtes Programm im ÖRR vermisst hat? Ich kann mich an kein mediales Echo erinnern. Und wann hat sich jemand darüber beschwert, weil ein bestimmtes Programm im ÖRR lief? Regelmäßig. Böhmermann ist das aktuellste Beispiel.
Da fängt es ja eigentlich schon an. Der ÖRR hat überhaupt kein Gefühl mehr dafür, was die Menschen eigentlich von ihm erwarten. Stattdessen expandiert man in alle möglichen Nischen weiter und stellt fest, das nennt man jetzt Grundversorgung.
Es muss doch von einer gravierenden Fehlentwicklung ausgegangen werden, wenn der ÖRR meint, für alle da zu sein, heißt sich jeden aufdrängen zu müssen.
shionoro schrieb:Ein ÖR, den die wenigsten nutzen, ist wie ein öffentlicher nahverkehr, wenn alle auto fahren. Wenn du einen tollen ÖVPN hast mit den tollsten zügen, den nettesten Schaffnern usw usf., den dann alle gut finden, aber trotzdem meist weiter auto fahren, dann hast du nichts erreicht und kannst das auch sein lassen.
Wie beim ÖVPN ist beim ÖR ein Hauptpunkt, dass man die Mehrheit der Leute mitnehmen muss, ob direkt oder indirekt.
Das Beispiel ist etwas unglücklich gewählt, weil beim ÖVPN erst mal nur der Fahrgast zahlt, nicht jeder der einfach nur wohnt. Aber um bei dem Beispiel zu bleiben, so wäre es hier ja auch so, dass der ÖVPN meint die Leute aus dem Auto raus holen zu müssen, obwohl die Anzahl an Autofahrern sinkt und an Radfahrern steigt. (rein metaphorisch gesprochen) Strecken die der ÖVPN nicht abdeckt müssen trotzdem mit dem Auto oder anders zurück gelegt werden und so fragt sich dann der Autofahrer, warum er so viel Gelder in ein System stecken muss, das eh von vielen in dieser Größenordnung gar nicht gebraucht wird.
shionoro schrieb:Wie beim ÖVPN ist beim ÖR ein Hauptpunkt, dass man die Mehrheit der Leute mitnehmen muss, ob direkt oder indirekt.
Und die aller meisten deutschen nutzen den ÖR in der einen oder anderen art. Selbst die Jugendlichen, die kein fernsehen schauen, streamen einzelne sendungen oder beteiligen sich an den diskursen, die durch sie entstanden sind (spiegel berichtet ja z.b. gern über talkshows im ÖR und darüber reden dann alle. Würde aber ohne den ÖR so nicht passieren).
Ob der Spiegel oder Youtuber nun über eine politische Abendsendungen berichtet, die im ARD oder auf RTL gelaufen sind, ändert ja nun mal wirklich nichts am demokratischen Diskurs. Aber mal abseits davon suggerierst du ja schon wieder, dass es den ÖRR nicht geben würde, was ich explizit verneint hatte. Die politische Bildung ist doch eher eine der Stärken im ÖR, aber über die neuste Episode vom Traumschiff oder einen solcher Quotenbringer ist eine Berichterstattung doch genauso relevant, wie wenn sich die Leute in Foren über die aktuelle Staffel von Games of Thrones austauschen. Da verliert man nun wirklich nichts am Diskurs innerhalb der Bevölkerung.
shionoro schrieb:Auch da vergleiche ich gern mit dem ÖVPN: Auch die leute, die ihn nicht nutzen, und sich über ihn aufregen, profitieren davon. Weil die gesellschaft davon profitiert. Der ÖR ist nichit netflix. Er nimmt eine wichtige staatliche funktion wahr, auch für die, die kaum ÖR schauen.
Die sich drüber aufregen profitieren davon ... das hat schon was von Zynismus. Dass die Gesellschaft davon profitiert ist erst mal ein Wunschkonstrukt, ein Ziel das man erhofft zu erreichen, aber Dank google.maps braucht heute kein Mensch mehr Stau-Warnungen aus dem Radio, Dank Smart Phone und Spoify niemand mehr Radio überhaupt im Audio. Netflix und Amazon übernehmen die Abendgestaltung. Ja, der ÖRR erreicht noch Menschen, aber ihm stirbt das Klientel weg.
shionoro schrieb:UNd auch im zweiten punkt: Was hat das mit vertrauen in menschen zu tun, wenn man nunmal von bestimmten dingen ausgehen kann? Wenn du den ÖVPN zur freiwilligen abgabe machst und keine schaffner mehr rumlaufen, die ab und zu mal überprüfen, glaubst du die meisten leute würden dafür bezahlen? Glaub ich nicht. Auch die nicht, die den täglich nutzen und kein problem mit ihm haben.
das wäre auch bei den ÖR so. Daraus jetzt zu stricken, dass der ÖR ein Akzeptanzproblem hat, das sehe ich nun wirklich nicht.
Natürlich lässt sich auch eine freiwillige Abgabe an Schranken koppeln, wie z.B. die Programmverschlüsselung oder Logins. Das du daran nicht mal einen Moment gedacht hast, zeigt mir schon wieder wo die Schwachstellen im ÖRR liegen.
Hier überwiegt wieder mal die Angst, dass Menschen, nicht für etwas zahlen würden, was sie zu schätzen wissen. Was macht denn Wikipedia jedes Jahr auf's neue? Rufen auf einen irrsinnig hohen Betrag für den Erhalt der Webplattform zu spenden und jeder der es sich leisten kann, egal mit welcher Summe, tut es auch, weil Wikipedia es den Leuten auch wert ist.
SvenLE schrieb:Wie soll das bitte gehen? Wenn ich von etwas weniger habe ist doch damit nicht die Güte besser.
Wenn du aber meinst, das vorhandene Geld besser zu verteilen, dann kann ich damit was anfangen.
Wenn du Tausend Produkte hast, aber nur 100, die wirklich Erträge einbringen, dann fragst du dich nicht, ob du die 900 anderen Produkte, deren Erstellung und dessen Personal ja immense Kosten verursachen, nicht lieber zurück fahren solltest?
SvenLE schrieb:Warum gehen die Leute wählen? Wer sich nicht für Politik interessiert sollte dann bitte auch am Wahltag zu Hause bleiben. Es reicht nicht, nur den Wahl-o-mat anzuschmeissen.
Von daher ist ein Programm mit Politik gerade im ÖRR gut aufgehoben.
Im Grunde stimme ich dir zu, dass ein politisches Angebot ins ÖRR gehört, aber es kann nicht das Ziel sein, dass die Bevölkerung sich quasi genötigt fühlt, sich das anzusehen.
SvenLE schrieb:Das Problem ist, die geäußerte Kritik ist nur Polemik! Genau deswegen wird sie in die rechte Ecke gestellt.
Kritik wäre es, wenn man folgendes sagen würde:
- Wie sieht eine Grundversorgung im 21. Jahrhundert mit Streaming und Internet aus? Niemand sitzt zu festen Zeiten vor der dem Fernseher mehr.
- Welche Inhalte wollen wir senden, um ein breites Publikum zu finden? Gerade die Spartensender haben viel Qualität. Da müsste mehr investiert werden zu Lasten der Hauptsender!
- Wie können die Strukturen verschlankt werden? Gerade die ARD ist viel zu zersplittet.
- Wie können Aufgaben zwischen ARD und ZDF verteilt werden? Man braucht nicht alles doppelt.
Was hören wir stattdessen:
"Es ist zu teuer"
"Zu wenig Osten"
Für mich alles nur Geschwafel für eine bestimmte Klientel.
Es ist auch Polemik, aber nicht nur. Hinter vielen Phrasen "Es ist zu teuer" steckt ja doch etwas tiefgründigeres und wenn du fleißig bei mir mitgelesen hast, dann verstehst du das auch. Das Problem ist, solche Kritik wie du exemplarisch vorbringst, wird in der öffentlichen Wahrnehmung schon gar nicht mehr differenziert von den Leuten, die den ÖRR mit der Brechstange abschaffen wollen. Kritik am ÖRR, egal welcher Art, ist gefühlt eher unerwünscht und kann ja nur von AfDlern kommen.