Rassismus
23.02.2021 um 10:44eckhart schrieb:[6] Zudem ist in anderen Ländern, etwa in Frankreich, Großbritannien oder in den USA, in der alltäglichen wie politischen Wahrnehmung von Rassismus die je eigene und lange Geschichte rassistischer Ausgrenzung und Ungleichheit präsenter als in Deutschland.Das ist für mich typische für die antirassistische Sicht: es wird so getan als hätte man in Deutschland die NS-Vergangenheit "erfolgreich" aufgearbeitet. Über die damals millionenfach ermordeten Slawen wird wie üblich kein Wort verschwendet.
Das mag, gerade aufgrund der so erfolgreichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hierzulande, zunächst verwundern. Jedoch nur solange man den rassistischen Antisemitismus der Nazis mit Rassismus schlechthin gleichsetzt.[7] Historisch jedoch bestand das Singuläre des nationalsozialistischen Antisemitismus nicht zuletzt darin, sämtliche denkbaren rassistischen Annahmen in die Praxis einer Vernichtungsmaschinerie überführt zu haben, die am Ende fast ohne theoretische oder ideologische Begründung funktionierte.[8] Allein der Nationalsozialismus, so ließe sich sagen, transformierte den Rassismus, verstanden als ideologisch begründete Anfeindung, in Anfeindung und Vernichtungshandeln.[9]
Wenn man in Deutschland also davon ausgeht, Rassismus sei vor allem eine theoretische Weltsicht, und zugleich angenommen wird, mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit auch die eigene Rassismus-Geschichte vollständig aufgearbeitet zu haben (und auf eben diesen Hintergrundkonsens stößt man immer wieder im Alltag, in Schulbüchern oder auch im Feuilleton), dann steckt in dieser Wahrnehmung ein Problem. Sie blendet alle anderen Formen des Rassismus in der deutschen Geschichte, vor und nach dem Nationalsozialismus, aus dem historischen Selbstbild aus; Formen, die 'uns' als europäisch-abendländische Nation ebenso betreffen wie alle anderen: vom Antijudaismus über den Kolonialrassismus bis zu heute populären Formen der 'Überfremdungs'-Angst.
Der Nationalsozialismus erscheint da als Störfaktor - wir sollten lieber mehr über die Rassismus vor und nach 33 bis 45 sprechen. Andere Länder tun das doch auch. Diese Länder haben halt nicht Millionen Juden und Slawen umgebracht - und eine andere Geschichte als Deutschland. Da können wir nicht so tun als hätten wir die gleiche Geschichte. Und so als wäre der Fokus auf den Nationalsozialismus nicht Folge dieser Geschichte.