behind_eyes schrieb:nur müssten Kritiker der landläufig "kulturelle Aneignung" genannten Praxis sich mal bekennen ob es ihnen um den Schutz ihrer Kultur geht oder um ihren Geldbeutel - beides wird gelegentlich ins Feld geführt aber nur eines hat den Schutz bzw Würdiging der eigenen Kultur als Basis.
Da ist aber noch die Verbindung zur Geschichte, zum Imperialismus; die Tatsache, dass der Reichtum der "ersten Welt" unmittelbar auf der Ausplünderung der Kolonien beruht. Und dass diese damit einherging, den Menschen hier zu verklickern, das seien alles Wilde und deren Kulturen keine Kulturen, sondern etwas iwie kindisches, über das man verfügen könne.
Ist halt ne Tatsache, eine von der Sorte, die zwar wahr ist, die sich die Leute aber nur ungern bewusst machen.
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Es klafft da halt auch ne Riesenlücke, die Zeiten, wo in Europa mit dem Webrahmen gewebt, Behälter aus Flechtmaterial gefertigt oder tonnenschweres Ton Geschirr genutzt wurde sind ja lange vorbei, wer will die Qualität erkennen und einordnen?
(Bei "Metall" gehen Messer noch, das ist hip. Aber wer hat schon Ahnung von Keramik außer nem Techniker?
Und Stoffe kommen schon lange aus den alten "Kolonien".)
Und eigentlich wäre es sehr schön und nützlich, wenn wir uns damit (Handwerk, Kulturtechniken) mehr auseinander setzen würden,
denn das "Identitätsstiftende" ist ja nicht die Verwendung eines bestimmten Musters,
sondern die Tätigkeit - und dass die Geschichte, die hinter "dem Symbol" (Muster/Gestaltung) steht, die eigene ist.
(Eine Art "Yes, we can"-Effekt.)
"PC" geht ja auch darum, dass "Muster" die Kultur gestalten. Man muss es halt tun, bzw. zulassen.
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Es hat also gewichtige Hintergründe, ist aber als Kampfbegriff denkbar ungünstig, das Thema.
Wie du sagst, ist beim Thema "Wertschätzung oder Aneignung" das Verkaufen anders zu werten,
als im Kleinen, wenn Menschen tätig werden und sich von alten oder "fremden" Mustern inspirieren lassen.
Da ist ein "Aneignen" überhaupt nicht auszuschließen, es macht ja gerade den positiven Effekt, das echte an "der Verbindung" aus.
Beim "Verkauf" dürfte das Urheberrecht in einigen Fällen sehr klar sein und in denen, wo es das gar nicht ist, (wie Musik oder Mode) könnte man ja auch das als "Tradition" anerkennen. "Küche" eigentlich auch - bei Gewürzen könnte man zumindest "Rezepturen" schützen, aber beim Thema "Botanik" tun sich schon Kolonialgeschichtliche Abgründe auf.
Die nicht länger zu leugnen wär anständig...
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"Schutz einer Kultur", also dass eine Gruppe ihre Gebräuche pflegen kann und/oder ihre Tantiemen dann auch erhält ist ja nix privates,
sondern ein Umsetzen der Sprachmuster in Form von Gesetzen.
Oder umgekehrt halt, dass wir diesen Schutz formulieren - und umsetzen.
Und von da aus kann dann "Austausch" statt finden, idealerweise.
(Wir waren uns ja einig, dass das ganze eigentlich identitärer Quatsch ist, da was "sauber trennen" zu wollen.
Aber um das "Identitätsstiftende" von diesen Mustern kommen wir halt nicht drum rum.)
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Und diese oberdummdämliche Verkennung der Tatsache, dass Dreads schon ewig ein Symbol der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit waren, geht mir gehörig auf den Wecker.
Sie sind Zeichen einer Solidarität mit "Individuen", eben nicht einer aufgezwungenen Gruppenzugehörigkeit.