McMurdo schrieb:Wenn es völlig legitime Angriffe waren gäbe es ja nicht so viele Kritiker.
Wenn es Kritiker gibt, dann müssen sie Recht haben?
;)Die Kritiker sind sich in der Begründung der Kritik auch nicht einig, ebenso wenig wie die, die die Abwürfe rechtfertigen. Historische Eregnisse lassen sich fast immer aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich betrachten, Beweggründe unterschiedlich bewerten und gewichten, und ein guter Historiker wird diese unterschiedlichen Perspektiven immer berücksichtigen.
Dazu kommen ideologische Instrumentalisierungen ... da wird auch mal die eine Rolle einen Tick überbewertet, die andere heruntergespielt, um heutige Positionen zu rechtfertigen.
So lässt sich aus Sicht des damaligen Russland z.B. leicht behaupten, dass der Kriegseintritt Russlands kriegsentscheidend war, und nicht die Atombomben. Fragt sich nur umgekehrt, warum der dann nicht früher erfolgte ... ein paar Wochen hätten einige Zentausende Leben mehr oder weniger bedeutet, abgesehen von den Opfern der Atombomben.
Und schon ist man im hätte-wäre-wenn-gewesen.
Ein eindeutiges "Gut" oder "Böse" lässt sich selten begründen. Man muss Staaten auch Eigeninteressen zugestehen, den legitimen Vorrang des Schutzes eigener Staatsangehöriger, auch wirtschaftliche und politische Interessen.
Man kann von den USA nicht verlangen, dass ihr Eingreifen im Pazifikkrieg rein der Selbstverteidigung gegolten haben sollte, dass ein Frieden um jeden Preis ausgehandelt werden musste. Natürlich ging es um einen möglichst gründlichen Sieg, um die Gefahr, dass ein Japan, das sich nach einem Friedensabkommen hätte unbesiegt fühlen können, in einigen Jahren wieder die Großmannssucht kriegt.
Es ging jedoch (im Gegensatz zur Haltung der Deutschen und Japaner als Eroberer) nicht um die Zerstörung der Kultur, um die Auslöschung eines Volkes, um einen Racheakt.
In den eroberten Ländern wurde kein Schreckensregime installiert, es gab keine Massenhinrichtungen, keine KZ und keine Gehirnwäsche. Trotz des damals verbreiteten Rassismus, gerade gegen Japaner (der auf Gegenseitigkeit beruhte). Trotz all der Gräuel, die die vorrückenden Soldaten vorgefunden hatten und trotz der Behandlung, die umgekehrt Kriegsgefangene bei Japanern zu erwarten hatten.
Wikipedia: Japanische Kriegsverbrecher des Zweiten WeltkriegsSelbst die Verfolgung der Kriegsverbrecher geschah eher halbherzig, stellenweise symbolisch.
Die Atombomben nur zur Drohung einzusetzen, möglicherweise über unbesiedeltem Gebiet zu demonstrieren, um Japan zur Kapitulation zu bringen ... nunja, es hat auch so schon Tage gedauert, bis bekannt wurde, was da passiert war, bis dann die japanische Regierung reagierte u.s.w. Wie lange es gedauert hätte, bis die Drohung gewirkt hätte, ist auch nur zu raten.
Der generelle Sinn solcher Massenvernichtungswaffen und ob es in irgend einer denkbaren Lage legitim wäre, wie wieder einzusetzen, das ist eine andere Frage ... die sich alle stellen lassen müssen, die heute solche Waffen besitzen. Heute beruht der Gedanke der Abschreckung auf genau jenen zwei Einsätzen, die man den USA vorwirft - um dann selbst solche Waffen zu bauen.
Oder sich unter den Schutz einer der Atomwaffen-Mächte zu stellen.
Sehe nur ich da eine Doppelmoral?
Wenn der Einsatz damals nicht zu rechtfertigen war ... welches denkbare Szenario könnte einen Einsatz heute rechtfertigen? Ein Gegenschlag? Sorry, aber das ist dann noch viel mehr reine Vergeltung, denn ein Krieg lässt sich bekanntermaßen mit gegenseitiger atomarer Bombardierung nicht gewinnen. B.z.w. lässt sich mit dem, was man gewonnen hat, nichts mehr anfangen.
Man verlässt sich auf eine Abschreckungswirkung, auf reine Psychologie. Man könnte den USA am Ausgang des 2.Weltkrieges zugute halten, dass diese heute ganz selbstverständliche Wirkung damals noch nicht vorhanden war... für keine der beiden Seiten.
Und die Erfahrung war traumatisch genug
für beide Seiten, dass auch die USA nie wieder solche Waffen eingesetzt hat - auch nicht gegen Gegner, von denen kein entsprechender Gegenschlag zu erwarten war. Die Abschreckung funktioniert nach innen wie nach außen.
Dass auch die Abschreckungswirkung irgendwann nachlässt, wenn alle Beteiligten wissen, dass es bei der Drohung bleibt, erleben wir gerade. Was Russland und die USA im Kalten Krieg mit großem TamTam zelebrierten, bleibt z.B. zwischen Indien und Pakistan wirkungslos.