Hallo
@TruthspeakerIch glaube, dass Zeit eine wichtige Rolle spielt. Zeit hat aber nicht jeder. Sei es durch Arbeit oder Familie.
Ich gehe 21h und mehr in der Woche arbeiten, aber ich bin weder verheiratet noch habe ich Kinder und hab auch sonst eben Zeit.
Truthspeaker schrieb:Nur mal angenommen ein Helfer sagt seinem Schützling, das jede 2. Klage (auch schon ins positive verzerrt) beim VG doch noch durchgeht. Was glaubst du dann wird der Asylbewerber (unabhängig vom Asylgrund) tun?
Klage einreichen UND sich berechtigte Hoffnungen machen, dass "am Ende" ja doch alles gut werden wird.
Das halte ich pers. für überaus unmenschlich und führt in den Behörden zu zusätzlichen Problemen, weil da ganz persönliche Hoffnungen zerstört werden müssen, welche zumindest z. T. auf falschen Fakten und Versprechungen von Helfern und Anwälten (Cui bono?) und natürlich auch den Versprechen der Schleußer beruhen.
Ich will nicht soweit gehen von einer "Asylverhinderungsindustrie" zu sprechen, aber man verdient mit diesen Menschen und Ihren Hoffnungen durchaus sehr gutes Geld. Insoweit stimmt z. T. die Aussage, dass dieses Geld auch wie ein kleiner Konjunkturmotor funktioniert. Zunächst mal die Unterkunftsgeber (klar haben die privaten was gegen staatliche Einrichtungen, weil da sehr gutes Geld mit zu verdienen ist!), die Sozialverbände (Caritas, Diakone = etliche Beratungsstellen, welche durch den Staat querfinanziert werden), Jugendhilfeeinrichtungen, Anwälte, Arbeitgeber (welche bzw. wieviele Deutsche gingen den z. T. für den Mindestlohn- so er eingehalte wird(!) - arbeiten?), Bildungsträger, etc.
Anderseits sehe ich eine eher niedrige Abweichung zwischen BAMF-Entscheidung und VG eher positiv und als Zeichen, dass die Kollegen vom BAMF doch versuchen Ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen. Ich meine Sie entscheiden wirklich über ein Menschenschicksal und oftmals ohne irgendwelche Sachbeweise. Wer das ernsthaft tut, hat meinen vollen Respekt und mein Eingeständnis, dass ich mir so eine schwere Gewissensentscheidung niemals freiwillig antun möchte.
Das Thema Asylgesetzgebung/Asyl ist ja erstmal Theorie. Was du ansprichst oder ansprechen willst? ist die harte Praxis. In der Praxis gibt es die Öffentlichkeit, Medien bzw. so eine gewisse Oberfläche als auch die oder eine tatsächliche Situation vor Ort, eine politische Praxis, das Private, die Einzelschicksale.
So wie Theorie und Praxis, Anspruch und Wirklichkeit oft auseinandergehen, geht auch das Öffentliche und das Private gelegentlich weit auseinander.
In der Flüchtlingsunterkunft, in die ich gehe, sind die Grünen, die SPD, dieLinke und die anderen zum Teil weit weg bzw. ideologisch geprägte Diskussionen sind nicht so im Vordergrund. Ich würde sagen, dass es eher mittiger bis konservativer zugeht. Das macht aber dann auch Praxis aus, wenn man eine Situation konkret erblickt, dann tritt die Ideologie vielleicht in den Hintergrund. Ich habe bisher einen bekennenden SPD Mann und einen bekennenden FDP Mann kennen gelernt. Ich vermute, hoch ideologisch geprägte Menschen könnten an ihren eigenen Ansprüchen scheitern, zuviel machen oder sich rasch verausgaben und machen dann andere Dinge in diesem Bereich, die weniger konfrontativ für sie sind. Aber das ist nur ein Gedankengang.
In der Praxis verharren Menschen zum Teil ein Jahr und mehr bei uns in der Landeserstaufnahme, weil die Landesregierung sie offensichtlich schmoren lässt, bis die Leutz hoffentlich (aus Sicht der Landesregierung) freiwillig aufgeben. In dieser Zeit läuft so gut wie gar nix für die Leute, die haben nichtmal Anspruch auf soziale Betreuung. Ob Deutschkurse, Kinderbetreuung und dergleichen, geschieht durchaus gegen den eigentlichen Willen der Landesregierung. Aber es waren Einzelne und private Organisationen, die gesagt haben, soziale Betreuung ist ein Menschenrecht. Eine "schlechte Bleibeperspektive"vor allem ist kein Grund, einem Menschen den Aufbau von sozialen Kontakten zu verweigern. Es gab dazu eine öffentliche Petition an die Landesregierung, ihre vermutete Politik der Integrationsverhinderung und ihrer Hoffnung, eine schnellere Abschiebung dadurch ermöglichen zu können, zu beenden. In der Landeserstaufnahme ist ja ohnehin kaum klar, wer jetzt bleiben darf und wer nicht, es ist ja noch nichts entschieden.
In der Praxis gehen die deutschen Behörden schon ab und an recht rabiat mit den Leuten um. Den Leuten dann zu helfen, hat eigentlich (zumindest in den wenigsten Fällen) nichts mit Geld zu tun. Das muss einfach sein.
Wir hatten zum Beispiel mal einen Afghanen, der war am Körper übersät mit Narben, vermutlich Folternarben. Wenn du so einem Menschen gegenüberstehst und dem Menschen wirklich vertraust, dann wirst du halt ihm zusammen vor Gericht ziehen und ihm helfen zu klagen. Der kann/soll nicht nach Afghanistan zurück. Da hilft auch kein Argument von wegen, er soll in die angeblich? "sicheren Landesteile" übersiedeln.
Wer aber tatsächlich was an Geld verdient sind wohl die von dir angesprochenen Sozialverbände sowie Sicherheitsunternehmen (die die Security in die Unterkünfte schicken) und die Betreiber der Unterkünfte. Wenn du aber über die Praxis schreiben willst, dann ist das bei näherem Hinsehen ein Unding, die ganze Organisation ist ein Unding. Flüchtlingsunterkünfte sind ein Unding. Du drückst den Menschen zum Beispiel Essen auf, dass sie überhaupt nicht kennen, nicht gewohnt sind. Das bringt in der Praxis kaum was zu sagen, die sollen fressen, was sie auf den Tisch bekommen. Ich kann dich auch nicht zwingen, ab sofort jeden Tag vietnamesisch zu essen. Vietnamesisches Essen kann man probieren, aber wenn man es jeden Tag ab sofort essen soll, wird es hart.