Realo schrieb:Der Zynismus, der dahinter steckt, dass die EU jetzt versucht, das Gleiche in Libyen zu veranstalten, obwohl sie dort keine EU-Niederlassungen haben, ist einfach nur unbeschreiblich. Denn der Unterschied, ob man als Flüchtling anerkannt wird oder nicht, ist dann nur einer auf dem Papier: Egal ob anerkannt oder nicht, sie müssen alle in dem Auffanglager bleiben, denn dort sind sie vor Krieg und Verfolgung geschützt.
Wie kommst du darauf?
Was allem Anschein nach angestrebt wird, ist die Schaffung eines oder mehrerer gesicherter Erstaufnahmezentren oder wie auch immer man die Einrichtungen bezeichnen will.
Dort sollen erste Möglichkeiten bestehen, einen Asylantrag für EU-Länder zu stellen. Ob dort auch das gesamte Verfahren abläuft oder nur eine erste Sichtung und Aussortierung derjenigen, die gar keine sinnvolle Chance auf Asyl haben, weil sie den Kriterien nicht entsprechen, wird sich noch zeigen.
Diese Zentren sollen allerdings
nicht zu dauerhaften Wohnorten werden und man wird auch sicher nicht sagen:,,Ja ok, du kriegst Asyl in Deutschland, musst aber in Lybien wohnen." Das wäre doch völlig sinnfrei.
Wenn der Asylantrag in dem Fall bei Deutschland landet und bestätigt wird, kommt die Person auch nach Deutschand und würde entsprechend Wohnung und andere Integrationsmaßnahmen erhalten.
Den Schutz vor kriegerischen Auseinandersetzungen und Verfolgungen solltest du auch nicht so ohne weiteres abtun. Ich denke, das besitzt bereits einen großen Wert. Es ist genau das, wonach echte Flüchtlinge als erstes suchen.
Realo schrieb: Damit wird das Asylrecht und die GFK de facto ausgehebelt. Denn was viele vergessen: Das Grundgesetz mit dem Asylrecht gilt für Deutschland, nicht für Libyen und auch nicht für Österreich.
Dem kann ich nicht folgen.
Zuerst mal sind Asyl und Genfer Konventionen unabhängig vom deutschen Grundgesetz. Logisch, es gilt auch für zahlreiche andere Länder weltweit. Asyl ist nicht nur in Deutschland möglich und das Leben nicht allein in Deutschland lebenswert.
Aber auch davon abgesehen verstehe ich nicht, wieso Asylrecht und Genfer Konventionen ausgehebelt werden sollen.
So, wie ich das verstanden habe, wird angestrebt, dass Leute, die einen Asylantrag für ein europäisches Land stellen wollen, das in den angedachten Zentren tun können.
Ob sie das jetzt da tun können oder nochmal hunderte oder tausend Kilometer später, ist irrelevant.
Es wird eine sichere Situation geschaffen, in der man versorgt wird und seinen Asylantrag stellen kann.
Nur Leute, die ohnehin keine Chance auf Asyl hätten, weil auf sie die Kriterien nicht zutreffen, können das blöd finden. Verschlechtern sich doch ihre Chancen, nach Europa hinein zu schlüpfen.
Realo schrieb:Um das Gewissen der Wähler zu beruhigen, wird aber dennoch eine symbolische Menge von ein paar Zehntausend pro Jahr nach Europa aufgenommen: "Da schaut her, wir tun was, wir helfen." Das sind dann wahrscheinlich diejenigen Flüchtlinge mit guter Bildung und einem gefragten Job, die man in Europa eventuell sehr schnell in Lohn und Brot führen und zu Steuerzahlern machen kann. Aus Asylanten werden so Wirtschaftsflüchtlinge gemacht, die man auf dem Arbeitsmarkt gut gebrauchen und schnell integrieren kabnn, mit Angebot der späteren Einbürgerung.
Weshalb diese Verachtung? Erkennst du erst Leistungen an, wenn jedem das Maximum an Glück und Wohlstand durch Deutschland oder Europa zu Teil wurde?
Zehntausende Menschen sind eine große Zahl. Und wenn man nicht allen helfen kann, ist es immer noch besser, einigen zu helfen, als gar keinen.
Weiterhin: wieso wird jemand vom Asylbewerber zum Wirtschaftsflüchtling gemacht? Das ist doch unlogisch.
Und Stichwort:,,Man gewährt nur Leuten die Einwanderung, deren Fähigkeiten begehrt sind" - das schon seit längerem als ziemlich vorbildllich gelobte Kanada macht eigentlich nichts anderes.
Kanadas Botschaft lautet an normale Migranten:,,Ihr könnt gerne in Kanada leben. Wenn ihr euch selbst versorgen könnt oder wenn ihr Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringt, die der kanadischen Gesellschaft weiterhelfen."
Was ist daran falsch?
Überleg mal, Deutschland ist ein Land, in dessen Wirtschaft immer höhere Grade von Bildung immer wichtiger werden, um relativ gutbezahlte Arbeitsplätze zu erlangen. Hinzu kommt der Ausbau von automatischen Produktionsmethoden, von Robotern, von Drohnen... -> das bedeutet im Endeffekt, dass es umso weniger Arbeitsplätze gibt für schlecht vorgebildete und ausgebildete Personen.
In vielen orientalischen und afrikanischen Ländern waren die Bildungssysteme bereits vor (Bürger)kriegssituationen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Und sind es noch. Frühzeitige Beendigung der Schule ohne Schulabschluss keine Seltenheit.
Kräftig anpacken können ist ja schön und gut. Aber wenn die Gelegenheiten dazu nicht gegeben sind, bringt diese Bereitschaft wenig.
Wenn du zu wenig Jobs für sehr Niedrigqualifizierte hast, dann stehen die im Prinzip nur rum und niemandem ist weitergeholfen.
Für's Nichtstun werden die meisten Leute aber eher nicht gut bezahlt.
Eine große Rolle für die Zulassung von Migranten spielt die Frage, welche Perspektiven sie überhaupt realistisch gesehen haben.
Realo schrieb:Versteh ich nicht. Hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun - obwohl es schlimmer ist als einfach nur Herzlosigkeit -, sondern mit Unrecht. Auf gut deutsch: mit Verfassungswidrigkeit. Das "Asyl" wird nach Afrika verlegt. Davon kann ich im GG nichts finden.
Es ist weder herzlos noch verfassungswidrig, wenn man nicht allein passioniert ,,mit Herz" hilft, sondern bei der Hilfe auch den Verstand gebraucht.
Mir ist kein Gesetz bekannt, dass besagt, alle Asylverfahren müssen unbedingt auf deutschem Boden stattfinden.
Es gibt das Recht auf eine korrekte, ernsthafte Prüfung eines Asylantrags, ob die Kriterien auf den Antragssteller zutreffen.
Keine Verpflichtung, das in Deutschland stattfinden zu lassen.
Die Kontrolle von Migrations- und Asylbewerberströmen ist richtig. Sie sorgt für geordnetere Verhältnisse, anstatt für Chaos, indem man zulässt, dass es einen Run auf einzelne Länder gibt, von denen sich die Leute am meisten versprechen und wo sie dann sagen:,,So, hier bin ich. Versorgt mich, integriert mich."
Realo schrieb:Ja, am Ende schlägt immer der Pragmatismus den HJumanismus.
Nichts ist falsch an Pragmatismus. Pragmatismus ist lösungsorientiertes, vernünftiges, realistisches Handeln.
Falsch verstandener Humanismus ist dagegen eine idealistische Philosophie, die zur realen Lösung nichts beiträgt.
Er formuliert lediglich eine Utopie und sagt allen, was sie idealerweise tun sollten, um humanistischen Ansprüchen gerecht zu werden.
Aber um die schwierigen und anstrengenden Details der Wirklichkeit kümmert er sich nicht.
Durch vernünftige pragmatische Handlung wird ein Ausgleich zwischen dem Ideal und der realen Möglichkeit geschaffen.
Es ist besser, im Rahmen seiner Möglichkeiten einigen Aufnahme und Hilfe zu gewähren, als niemandem. Schon die Hilfe gegenüber einigen Menschen hat seinen Wert zumal der Anspruch, sich um alle Armen und Leidenden der Welt zu kümmern, nicht verwirklicht werden kann durch Menschen.