paxito schrieb:Ich sehe überhaupt keine Lösung.
Ich möchte nicht gegen dich argumentieren. Aber bitte nicht das Wort Stellvertreterkrieg, denn damit kommt immer Sahra W. um die Ecke, das Wort streitet ob willentlich oder nicht der Ukraine den Subjektstatus ab. Ralf Fücks:
Aber die Ukraine ist doch das Subjekt in diesem Konflikt! Die Entscheidung, zu kämpfen, ging von der Ukraine aus, nicht von Washington und schon gar nicht von der EU. Niemand hat ernsthaft im Sinn, Russland auf seinem eigenen Territorium anzugreifen. Wenn sich Russland heute auf die Linien vom 23. Februar zurückzöge, wäre der Krieg vermutlich morgen zu Ende.
Quelle:
https://www.nzz.ch/international/ralf-fuecks-putin-will-die-ukraine-heim-ins-reich-holen-ld.1685837und ja es ist auch klar, dass du keine russische Propaganda nachplapperst.
Die Lösung kann langfristig nur so aussehen, dass sich die geschichtliche Entwicklung durchsetzt, die Putin zurückbomben will. Es ist nicht die Schuld der bösen NATO, dass die Ukraine gekippt ist, auch wenn es in deutschen Talkshows immer wieder geplappert wird. Das ist eine geschichtliche Entwicklung.
Wenn Baerbock sagt, Putin wird mit seinen strategischen Zielen scheitern, dann sagt das erst mal gar nichts. Wenn sie mit strategischen Zielen meint, die Russifizierung der Ukraine, dann wird er gegen die Geschichte scheitern, ja. Es kommt aber jetzt an auf das Jetzt. Und das Retten von Menschenleben und das Verhindern eines Genozids, das weiß sie, viel besser als ihr Vorgesetzter im Kanzleramt.
Geschichte kann langsam oder auch etwas schneller ablaufen.
Volodymyr Yermolenko, ukrainischer Philosoph, sagte schon 2014, es sei eher ein Generationen als ein Ost-West Konflikt.
Aber auch im Osten der Ukraine ist Umfragen zufolge die Unterstützung von Europa unter jungen Menschen höher als unter alten. Das ist in Kiew übrigens auch so. Was nicht heißt, dass die Ukraine dann auch sofort formell zu Europa gehören wird. Die europäische Idee bewegt sich immer schneller als die dazugehörige Institutionalisierung. Nehmen Sie Zentraleuropa: Da fing die gesellschaftliche Veränderung schon mit dem Prager Frühling von 1968 an. Das hat sich ausgebreitet, bereits in den 1970er Jahren hörten die Menschen in Tschechien oder Polen auf, an die Sowjetunion zu glauben. Der tschechische Schriftsteller Milan Kundera hat schon 1984 in einem Essay geschrieben, dass die Länder Mitteleuropas eigentlich dem Westen "gestohlen" wurden, also nicht zum sowjetischen Osten, sondern zu Europa gehören. Es hat dann aber viele Jahre gedauert, bis sie tatsächlich EU-Mitglieder wurden.
In ihrem Essay "Träume von Europa" kritisieren Sie Kunderas Konzept vom "gestohlenen Westen". Warum?
Kundera schrieb, dass Länder wie Polen, Tschechien und die Slowakei zwar formal zum Ostblock gehörten, aber eigentlich westliche Traditionen und Werte hätten. Damals war das bahnbrechend. Heute führt es zu einem Problem für uns: Kundera hat einfach einen neuen eisernen Vorhang eingezogen, der weiter östlich verlief als der alte und gesagt: Holt Mitteleuropa zu Euch, aber alle, die draußen sind - zum Beispiel die Ukraine - können bleiben, wo sie sind. Inzwischen ist aber klar, dass sich die europäische Idee immer weiter bewegt und nicht an Grenzen Halt macht.
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/politik/interview-ueber-junge-ukrainer-sie-glauben-an-europa-aber-nicht-an-seine-regeln-1.1953967Das ist auch ein guter Aufsatz von ihm, von 2019, zum Verständnis der Ukraine und zum kolonialen Erben der Ukraine.
Ach, und auch. In Kolonialkriegen sollte es darum gehen, den kolonisierten Subjekten zuzuhören. Auch das gehört zu den zu verteidigenden Werten. Dazu sagt Sahra W. nie irgendwas.
Schluss:
Ich habe drei Töchter und hoffe, dass das Ukrainische in ihrem Leben mehr Raum einnehmen wird. Dabei bin ich sicher, dass sie so multilingual sein werden, wie ich es bin: Ukrainisch und Russisch sind meine Muttersprachen, Englisch und Französisch spreche ich fließend, ich kann Deutsch lesen und Polnisch, Belarussisch und etwas Italienisch verstehen. Meine Töchter werden sogar sicherlich noch mehr Sprachen können als ich, in einem multilingualen Land mit einer Nationalsprache, die sich vielfältig entwickelt statt zu verkümmern.
Quelle:
https://ukraineverstehen.de/jermolenko-warum-das-neue-sprachengesetz-eine-gute-sache-ist/Dass da keine Verhandlungslösung mehr drin ist, jedenfalls keine, die nicht Putin gewinnen lässt, das sahen Experten schon, als er mit den Passausgaben (ziemlich zeitgleich mit den Deportationen) anfing.
Momentan geht es nicht ohne Waffenlieferungen, Putin muss erst mal verhandeln wollen, das sieht
@shionoro völlig richtig.