nocheinPoet schrieb:Nun nicht wirklich, eine "objektive" Wahrheit macht für mich keinen Sinn, impliziert die "Existenz" einer subjektiven Wahrheit, dass ist für mich aber keine Wahrheit, sondern nur ein Irrtum. Es existiert also nur Wahrheit, man könnte sie subjektiv kennen oder auch nicht.
nocheinPoet schrieb:Schau, hier kommt wieder mein "Problem" mit Diskutanten, man macht Aussagen, will diese aber wo dann als Grundannahme wahr gegeben verstanden wissen und haut so eine Menge an Begriffen rein, erklärt aber dann, man muss Begriff natürlich definieren.
Jimtonic schrieb:... also einerseits schreibst du, du hast ein Problem damit, wenn jemand Aussagen macht und diese als wahr gegeben verstanden wissen will. Andererseits machst du die Aussage: "Es existiert nur Wahrheit." und nimmst das als gegeben hin? Oder ist das mehr als These zu verstehen?
Ja, bin da eben sehr konsequent.
:DHier unterscheiden sich eben die Positionen von
@paxito und mir diametral, ich gehe davon aus, behaupte es, dass Wahrheit existiert, mindestens eine, vermutlich aber mehr, eine kann ich recht gut logisch begründen, an anderen kann man einfacher zweifeln und kratzen. Darum kann ich auch Aussagen machen und diese einfach mal so als wahr vorgeben, ich widerspreche damit ja nicht meiner grundlegenden Position.
Wenn aber wer erklärt, jedwede Wahrheit ist vom Kontext abhängig und kann angezweifelt werden, muss nicht wahr sein, gilt so eine "Aussage" eben auch für diese Aussage selber. Was zwingend zu einem Widerspruch führt. Wenn man sagte, es gibt keine wahren nicht vom Kontext abhängige Aussagen, muss diese Aussage selber auch vom Kontext abhängig sein, könnte damit als in einem anderen Kontext falsch sein. Abgesehen vom Widerspruch kann man mit dieser Position grundsätzlich keine Aussagen machen, welche man als kontextübergreifend und/oder unabhängig als wahr verstanden wissen will.
Für mich gestaltet sich also eine Debatte mit jemanden, der erklärt, Wahrheit so wirklich absolut existiert gar nicht, demnach schon schwierig, jede Aussage kann relativiert werden.
nocheinPoet schrieb:Nein, meine Frage ist ganz präzise, gibt es eine Wahrheit, ohne etwas, spielt keine Rolle ob sie wer sucht, findet oder ob sie überhaupt auffindbar ist, es geht nur darum zuerst mal festzustellen, ob es sie gibt.
Jimtonic schrieb:Ohne Bezug macht der Begriff "Wahrheit" doch keinen Sinn, oder?
Musst Du mal ein paar meiner Beiträge dazu nachlesen, ich habe das recht ausführlich begründet, warum das Sinn macht und warum das Gegenteil eben widersprüchlich ist und weniger Sinn
ergibt.
Jimtonic schrieb:Ich finde den Begriff "Wahrheit" zu vieldeutig, um sich darunter etwas vorstellen zu können.
Also Du kannst ja generell alles finden wie Du magst, in einem philosophischen Diskurs versucht man aber dann doch mal hier und da eine gemeinsame Basis zu finden, sich auch Begriffe zu einigen und deren Definition. Bei "Bewusstsein" ist das sicherlich schwierig, aber bei "Wahrheit" doch wahrlich recht trivial. Ähnlich wohl mit "schwanger" ein wenig schwanger geht nicht, eine wenig wahr auch nicht.
Jimtonic schrieb:Also der Zusatz: "Wahrheit ohne etwas dazu" (also Wahrheit light?) klingt von der Bedeutung her leer.
Ist das so? Oder ist das nur Deine Meinung und eine Aussage, die nicht wahr sein muss? Die Aussage selber würde ich mal als "schwierig" bezeichnen, es klingt leer, da muss man so viel interpretieren, blümerant umschrieben, Du meinst damit ja wohl was wie "bedeutungslos" oder "nichtssagend". Ich schrieb ja auch erstmal immer von kontextunabhängige Wahrheit und finde das schon recht klar und bedeutungsvoll.
Jimtonic schrieb:Da frage ich mich, Wahrheit von was? Daher der Impuls das erstmal auf subjektiv und objektiv zu beziehen. Wenn du diesen Kontext subjektiv/objektiv aber generell ablehnst, braucht es nach meinem Dafürhalten einen anderen Kontext zu dem Begriff Wahrheit.
Nein, die Unterscheidung "subjektiv/objektiv" ist unabhängig von "Wahrheit", man kann das an unterschiedlichen Begriffen kleben. Es sind Adjektive und "klassifizieren" Begriffe spezifischer. Spreche ich von schnellen Bällen, impliziert das, es könnte auch langsamere Bälle geben. Spreche ich von objektiver Wahrheit, impliziere ich die Existenz von subjektiver Wahrheit. Letzteres ist für mich widersprüchlich, wenn ein Flacherdler für sich erklärt, die Erde ist eine Scheibe und das ist so eben seine "subjektive" Wahrheit, ist das einfach nur falsch, können wir auch als "Irrtum" bezeichnen. Eine Person, die erklärt, die Erde hat eine Kugelform, stimmt mit seiner Aussage aber mit der Realität überein, seine Aussage ist als nicht nur subjektiv sondern auch objektiv wahr, womit man nur objektiv wahre Aussagen hat und sich die Differenzierung auch gleich schenken kann, für mich ist das dann was wie eine Tautologie.
nocheinPoet schrieb:Zur Speziellen Relativitätstheorie, auch da muss ich widersprechen, die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist in jedem Inertialsystem konstant c, also absolut und nicht relativ, die Aussage, alles ist relativ, wissen wir seit Einstein, ist falsch.
Jimtonic schrieb:Ich hatte noch überlegt, ob ich hier hinzufüge "mit Ausnahme der Lichtgeschwindigkeit". Ich verstehe wahrscheinlich bei Weitem nicht so viel davon wie du.
Danke für die Blumen, über die Zeit hab ich erfahren, wie wenig ich wirklich davon verstehe, ist in vielen Bereichen so, die Welt ist so viel komplexer und differenzierter, schau, ich komme aus der IT, also als Autodidakt viele Jahre als Entwickler und Unternehmensberater in einer großen Firma gearbeitet, Programmieren ist so ein großes Feld, es gibt so viele Abkürzungen, auch hier muss man sich zwangsläufig spezialisieren. Das ist auch in der Biologie so, man kann grob so den Aufbau und die Funktion einer Zelle verstehen, aber je tiefer man eintaucht, um so komplexer wird der Tanz, die Proteinsynthese, und was es da alles gibt, zu jedem gibt es lange Reihen von Büchern. Und alles ist so was von faszinierend und spannend.
Ist auch im Bereich Physik so, auch nach vielen Jahren entdecke ich bei der SRT immer wieder Neues, nehmen wir hier nur mal die Tatsache, dass die auch bei Beschleunigung gilt und schauen wir mal was passiert, wenn ich ein Objekt erst auf der x-Achse und dann auf der y-Achse beschleunige. Dann bekommt man die Thomas-Wigner Rotation, richtig Holz.
Wikipedia: Wigner rotationWikipedia: Wignersche D-Matrixhttps://www.researchgate.net/figure/A-series-of-grid-positions-as-seen-in-the-laboratory-frame-The-boost-velocity-is-taken_fig2_317543434 Grafik aus dem letzten Link kann ich leider nicht als Bild hier einbinden. Hatte dazu auch schon mal eine Gif als Animation, wenn Du in die Links schaust, raucht Dir vermutlich schnell beim Lesen der Kopf und Du verstehst einfach nur Bahnhof, bist damit nicht alleine. Diese Rotation fand ich hier nebenbei durch Zufall in einer Diskussion, wo ein Beobachter sich an einer Lichtuhr schnell vorbeibewegt, man ersetzte die Lichtuhr durch eine Uhr mit einem Ball, der sich mit 0,9 c hoch und runter bewegt und dann betrachtete man das mit einem Beobachter (in einem System) in dem diese Uhr selber auf der x-Achse auch mit 0,9 c bewegt ist, beide Geschwindigkeiten addieren sich. Gibt lustige Gleichungen, bei all den Debattieren fand ich etwas seltsames, tieferes Graben führte mich dann zur Thomas-Wigner Rotation. Man kommt dann zu Lie-Gruppen, erfährt, dass es ein Unterschied ist ob man erst auf der x-Achse und dann auf der y-Achse ein Objekt beschleunigt. Lorentz-Boosts in unterschiedliche Richtungen sind nicht kommutativ, weil, die Lorentz-Gruppe nicht-abelsch ist, Boosts in unterschiedliche Richtungen die Raumzeit in unterschiedlicher Weise verändern und die Kombination von Boosts zu einer zusätzlichen Rotation (Thomas-Präzession) führt.
Hurra, also, ich weiß, dass ich so vieles nicht weiß ...
Jimtonic schrieb:Dennoch nimmt der Normalsterbliche aus der SRT doch mit, die Wahrnehmung von Raum und Zeit ist relativ.
Sehr schön, mit dem Satz zeigst Du, wie tief falsche Vorstellungen leider ins Hirn von Normalsterblichen gedrungen ist, liegt an der unpräzisen Beschreibung in der Physik von einigen, die oft selber die Dinge nicht wirklich richtig begriffen haben, meinen aber sie anderen erklären zu können.
Es geht in der SRT überhaupt nicht um Wahrnehmung, dafür braucht es einen Beobachter, braucht man in der SRT nicht, leider wird der oft benutzt, weil es auf den ersten Blick einfacher ist, Dinge zu beschreiben, auch ich habe hier und da mal einen in einer Erklärung verbraten.
Konkret ist es aber so, man sieht nichts, im besten Fall "misst" man etwas, man hat es immer mit Punkten in einem Koordinatensystem zu tun welche dann mit ihren Koordinaten in ein anderes zum ersten System bewegten System transformiert werden. So ein Punkt ist ein Ereignis. Bei x, y, z schlägt bei t ein Blitz ein. Wenn man zwei Ereignisse hat, kann man Abstände berechnen, im Raum und in der Zeit und in der Raumzeit. Der Abstand zwischen zwei Ereignissen ist in der Raumzeit invariant, nicht aber im Raum und in der Zeit.
Es gibt grundsätzlich keine festen Markierungen in der Raumzeit, Koordinatenwerte kann man nicht messen, sie werden definiert. Du kann nicht im Universum die Ortszeit oder den Ort messen, somit auch nicht Deine eigene Geschwindigkeit, damit ist Geschwindigkeit relativ, also vom Inertialsystem abhängig, in dem Du die Szene beschreibst.
Ein "Beobachter" steht immer als Synonym für "Inertialsystem" oder "Bezugssystem", da wird nichts wahrgenommen oder gesehen. Ein solcher fiktiver Beobachter verfügt über alle Informationen, weiß also alle Koordinatenwerte aller Ereignisse zu jeder Zeit an jedem Ort und es gibt nicht wirklich ein davor oder danach oder jetzt. Er ist in dem Sinne zu jeder Zeit an jedem Ort. Darum ist die Vorstellung eines fiktiven Beobachters in der SRT, der etwas "wahrnimmt" so problematisch, wenn das Grundlagenwissen und Verständnis nicht gegeben ist.
Also, Koordinatenwerte von Ereignissen (auch wenn der Bus um 8 Uhr nicht an der Haltestelle vorbeikommt, ist das ein Ereignis) sind bezugssystemabhängig und relativ, Abstände zwischen zwei Ereignissen sind im Raum wie in der Zeit relativ, aber absolut in der Raumzeit, nennt sich Viererabstand und der ist invariant.
;)
Jimtonic schrieb:Nun ist es vom Begriff "Wahrnehmung" bis zur "Wahrheit" möglicherweise nicht mehr ganz so weit. Du nimmst diesen Punkt der Relativität aber dennoch komplett vom Tisch, weil der Begriff in der Physik bzw. SRT klar definiert ist und du nichts - also kein damit verbundenes Konzept oder ähnliches - metaphysisch für deine Suche nach "Wahrheit" verwenden willst?
Äh ... nein.
Wahrheit hat in der Physik so nichts zu suchen, nennen wir es lieber richtig und falsch. Noch mal, Physik ist so viel einfacher als Philosophie, weil Physik auf Mathematik aufbaut. Und ich nutze schon alles, weil Physik viel einfacher ist, greife ich auch gerne mal auf Aussagen aus der Physik zurück, zum Beispiel bei Lösungsansätzen für das Teleporterparadoxon von mir. Hier greife ich mir die Relativität der Gleichzeitigkeit (RdG) als Beispiel heraus.
Jimtonic schrieb:... , die Begrifflichkeiten im Kontext Physik sind mir in der Tiefe hier nicht bewusst und hätte ich so auch nicht verwenden sollen. Da war mir nicht bewusst, dass ihr Begrifflichkeiten hier so messerscharf im Kontext Physik versteht und "Hand-Waving" quasi nicht möglich ist. Mein Ansatz war es dieses Konzept von "Wahrnehmung ist relativ" metaphysisch zu diskutieren. Also die Korrektur nehme ich gerne formal an, aber inhaltlich bleibt es ja dabei: Raum und Zeit werden von uns subjektiv wahrgenommen.
Nun ja, vermutlich ist das wo auch mit meine Schuld hier im Thread, weil ich da einfach so pedantisch bin und auf Präzision beharre, von mir aus auch fanatisch. Ich finde das aber sehr wichtig, wenn man wo Ergebnisse bekommen möchte und nicht nur so daher plappern.