Negev schrieb am 06.06.2022:6-8 Stunden programmieren.
Mit den männlichen verheirateten Kollegen quatschen oder im Homeoffice sitzen.
Nach der Arbeit am besten noch Sport machen.
Dann? Mal ehrlich, wer zieht dann tatsächlich noch ein solches Programm durch. Sich sozial engagieren, den Hund Gassi führen.
Dann doch noch raus, "Party machen"? Das hätte ich in den Vergangenen Jahren auch schon tun können (mehr oder weniger - die Mittel sind natürlich begrenzt)... aber es scheiterte eher daran, das ich mich nicht traue, auf Menschen zuzugehen.
Mir geht es teilweise ähnlich (natürlich in einem anderen beruflichen Umfeld). Ich gehe zur Arbeit, fahr teilweise nach 8-10 Stunden Arbeit wieder heim, erledige dann noch das Nötigste und leg mich schlafen. Teilweise mache ich auch am Wochenende nicht viel, wenn die Woche besonders stressig war und ich das Gefühl habe, dass ich meine Akkus nur durch Schonung wieder aufladen kann.
Ich habe auch nicht den größten Freundeskreis. Diverse Umzüge und Jobwechsel haben dazu geführt, die Freunde aus Schulzeiten habe ich sowieso schon vor Ewigkeiten aus den Augen verloren.
Und als ob es noch nicht genug wäre, erwecke ich offensichtlich auf viele Menschen, die mich das erste Mal sehen, den Eindruck, als wäre ich eine Frau ohne Eigenschaften. Wenn ich jedes Mal, wenn ich mit dem Ausdruck "stille Wasser sind tief" als Beschreibung für mich einen Euro bekommen würde, wäre ich reich. Ebenso wurde ich bei diversen pseudopädagogischen Spielen im Rahmen von Fortbildungen o.ä. in denen es dann heißt "Wenn XY eine Pflanze/eine Pizza/ein irgendwas wäre, dann wäre sie ein....." schon als Yucca-Palme und als Pizza Margarita bezeichnet worden.
Okay, ich weiß natürlich, woran das liegt. Ich war lange Jahre so sehr darum bemüht, möglichst neutral zu wirken, dass ich jetzt immer erst mal die Frau ohne Eigenschaften bin. Natürlich ändert sich das meist, wenn man mich näher kennen lernt und natürlich ist das auch keine ausschließlich negative Eigenschaft. Ich bezeichne sie mittlerweile auch gerne mal als "unter dem Radar fliegen".
Tatsächlich werde ich vermutlich gerade wegen dieser vermeintlichen Harmlosigkeit hin und wieder von Leuten angesprochen, die wissen wollen, wie sie zu einem bestimmten Ziel kommen oder auch nur, wie viel Uhr es gerade ist. Manchmal laufen diese Leute dafür an diversen anderen Menschen vor bei und manchmal werde ich sogar angesprochen, wenn ich mit On-Ear-Kopfhörern, Sonnenbrille und Maske eigentlich maximal demonstriere, dass ich meine Ruhe haben will.
Nähere Bekanntschaften ergeben sich aus solchen kurzen Begegnungen aber natürlich nicht. Da ich es aber irgendwann leid war, immer alles alleine zu machen, habe ich mir zwischenzeitlich Strategien angeeignet, um mich nicht mehr so zu fühlen bzw. es auch gar nicht zu sein.
Sich erst einmal an die Menschen, die man im beruflichen Umfeld kennenlernt, zu halten, ist dabei nicht ganz verkehrt. Natürlich gibt es da auch viele, die Beruf und Freizeit strikt trennen und das ist selbstverständlich deren gutes Recht. Ich hab aber zum Beispiel schon positive Erfahrungen gemacht, die Kollegin, die immer erzählt, was sie alles über irgendwelche FB-Gruppen kostenlos oder für wenig Geld bekommt, zum stadtteilweiten Hofflohmarkt einzuladen, der bei mir einmal im Jahr stattfindet. Oder einem Kollegen, der des Jobs wegen gerade frisch in die Gegend gezogen ist, eine kleine Stadttour am Wochenende anzubieten, damit die Person zumindest die wichtigsten städtischen Fixpunkte kennenlernt. Ein bisschen Initiative und alle paar Wochen bis Monate die Nachfrage, ob man nicht wieder mal was gemeinsam unternehmen könnte (falls sich das nicht eh automatisch etabliert) können da Wunder wirken.
Bleibt das Problem, dass ich häufig einfach zu geschafft bin, um noch etwas zu unternehmen und da muss ich zugeben: Manchmal zwinge ich mich. Meistens macht's ja doch Spaß. Außerdem weiß ich, dass ich alle Vorsätze in den Wind schlage, wenn ich erst mal daheim bin. Wenn ich unter der Woche etwas unternehmen möchte, muss das also direkt nach der Arbeit geschehen. Am Wochenende kann ich mich meistens besser motivieren, aber ich muss auch dann wenigstens an einem der beiden Tage "gammeln" dürfen und zwischen den Wochenendaktivitäten muss auch immer mal wieder eine Pause sein (und sei es nur, damit ich am einen Tag Großputz mache und am anderen gammele).
In den letzten Wochen und Monaten war ich z.B. in einem Sprachkurs, hab einen halben Tag lang gelernt, wie man Lieder auf der Gitarre begleiten kann oder mir eine Veranstaltung zum Tag des Grundgesetztes angeguckt. Solche Aktivitäten müssen auch nicht immer Geld kosten (diese drei Veranstaltungen haben mich beispielsweise alle nichts gekostet), man muss halt in erster Linie nur wissen, wo man nachschauen muss, was wo angeboten wird. Auch daraus ergeben sich eher selten tiefergehende Kontakte, aber man hat zumindest einen kleinen Tapetenwechsel und da sich bei solchen Events meistens keine Gruppen, sondern weitere Einzelpersonen einfinden, muss man sich auch wirklich nicht seltsam fühlen und hat zudem ein Thema, über das man sich entspannt unterhalten kann.
Weil auch das nur kurzfristige Lösungen sind, werde ich mein Glück in Zukunft in einem Verein versuchen, werde mir das Ganze aber demnächst erst mal unverbindlich anschauen. Gibt ja echt für jedes Hobby einen. Hab mich jetzt für einen P&P-Rollenspiel-Verein entschieden, weil mir das zu Schulzeiten immer viel Spaß innerhalb meines Freundeskreises gemacht hat, ich aus oben genannten Gründen aber schon seit längerem niemand mehr habe, der mit mir privat eine Runde starten würde. Außerdem kommen die Termine der Vereinstreffen meinem erwähnten inneren Schweinehund sehr entgegen. Ich habe also keine Ausrede, um nicht wenigstens probehalber einmal hinzugehen.
:DIch erhoffe mir davon eine gewisse Regelmäßigkeit in meinem Freizeitverhalten und im besten Fall Kontakte, die über einen unverfänglichen Plausch über das gerade aktuelle Thema hinaus gehen. Vielleicht auch mehr, man weiß ja nie. Ich habe mich kurz vor Corona von meinem damaligen Partner getrennt, danach war ja leider Social Distancing das Ding der Stunde und als ob das reichen würde, bin ich mit Onlinedating bislang nicht wirklich warm geworden. Auch wenn ich echt nicht ans Klischee vom zwangsläufig einsamen IT-Nerd glaube, gehen die gemeinsamen Interessen im Idealfall ja auch über den Grund fürs akute Beisammensein hinaus.