Ich war auch nicht begeistert von dem einen oder anderen Plakat, das ich heute vor dem Gerichtsgebäude sah.
Hab auf der anderen Seite auch so viele gehässig-hirnrissigen Kommentare gesehen, da ist der EP zu diesem Thread noch ... sagen wir mal, mmmh ... mir fällt grad kein passendes Wort ein.
Auch wenn ich kaum noch Hoffnungen darauf hege, stelle ich trotzdem noch mal 2 Artikel ein, die vielleicht zum Lesen *und* Denken anregen mögen. Wen sie interessieren, möge sie ganz lesen. Und wen nicht ... wirds eh nicht tun, sie lesen.
Die Tatsache, dass die Videos an Boulevardmedien verkauft werden sollten und generell gegen den Willen von Gina-Lisa Lohfink verbreitet wurden, untermauert diesen Missbrauch nur.
Nicht ein Hauch von Empathie—oder wenigstens Respekt—weht durch die meisten Zeilen zum Fall, dafür aber umso mehr Häme, Unterstellungen und Klischees. Wir wissen doch schließlich, was für eine „Skandalnudel" sie sonst ist! Warum sollten wir ihr also jetzt glauben? „Lohfink, der Name steht für Skandale, die meisten selbst inszeniert" heißt es dann in der WELT.
Medienmacher_innen reduzieren Gina-Lisa Lohfink so bewusst auf einen Objektstatus und rufen zugleich Bilder auf, die eng mit Vergewaltigungsmythen verbunden sind.
Quelle:
https://broadly.vice.com/de/article/der-umgang-mit-dem-fall-gina-lisa-ist-ein-armutszeugnis-fuer-unsere-gesellschaft?utm_source=broadlytwitterAber es hat schon einmal lange gedauert, das Recht zu reformieren. Auch wenn man sich heute kaum noch vorstellen kann, worüber damals diskutiert wurde: dass es vor knapp 20 Jahren nämlich noch nicht strafbar war, wenn ein Ehemann seine Frau vergewaltigte. Aber so war das – vor der Reform dieses Rechts, die hart erkämpft wurde. Alles viel zu schwer zu beweisen, argumentierten auch damals die Gegner der Reform. Und heute? Heute ist es vor allem undenkbar, dass das alte Gesetz noch in Kraft sein könnte.
Was ist seitdem passiert? In den Köpfen hat sich die Perspektive, ja das Bewusstsein verändert. Eine Frau zum Sex zu zwingen, ist auch in einer Ehe eine schwere Straftat, komplexe Beweisführung hin oder her. Das ist längst gesellschaftlicher Konsens.
Man kann auch noch einen Schritt zurückgehen, um zu verdeutlichen, wie Gesetzesänderungen mit gesellschaftlichem Wertewandel einhergehen und ihn auch befördern können. Dass Kinder in der Schule und auch im Elternhaus geschlagen wurden, war früher normal. Kaum jemand hat sich daran gestoßen. Man stelle sich die Situation heute vor: Kein Lehrer würde auch nur einen Tag länger in einer Schule unterrichten dürfen, würde er einen aufsässigen Schüler mit einer Ohrfeige maßregeln. Und Nachbarn würden das Jugendamt verständigen, schlüge der Vater seinen Sohn. Die Sichtweisen haben sich verschoben, weil die Prügelstrafe – das sogenannte Züchtigungsrecht – abgeschafft wurde.
Gesetze können also die Wirklichkeit verändern. In jeder Hinsicht, besonders bei Frauenrechtsfragen. Denn das gilt auch für Gesetze, die nicht erlassen werden: Wenn sich die Regierung nicht zu einer klaren juristischen Absicherung des „Nein heißt nein“ durchringt, dann werden wir immer wieder Fälle wie den von Gina-Lisa Lohfink erleben. Und nicht nur das. In vielen Fällen, die überhaupt nicht öffentlich bekannt werden, müssen Frauen befürchten, dass ihr „Nein“ zunächst einmal wenig gilt. Und das ist sicher das völlig falsche Signal. Zumal auch dieses „Nein“ niemals ein Gericht aus der Pflicht nehmen wird, Beweise zu sammeln, Kläger und Ankläger anzuhören und ein faires Urteil zu fällen. Darauf sollte man vertrauen – und gleichzeitig mit einem entschiedenen „Nein heißt Nein“ das richtige Zeichen setzen.
Quelle:
http://www.fr-online.de/leitartikel/sexualstrafrecht-nein-heisst-nein,29607566,34366580.htmlDer Fall im gesellschaftlichen "Ganzen" wird so schnell nichts von seiner "Symbolkraft" verlieren. Da kann selbst Herr Fischer schreiben, was er will. Dessen bin ich mir seit heute sicher. Wie die deutsche Gesellschaft damit umgehen wird: ist ne andere Frage.