Der Mensch Jens Söring
21.11.2023 um 23:12Ralphgr schrieb:Wer sich den Podcast genau anhört, muss begreifen, dass es sich um eine Sicht und Bewertung handelt, die sicherlich streitbar ist. Aber sie entspringt einer eigenen unabhängigenDagegen wäre auch nichts einzuwenden. Das Problem ist aber, dass der Podcast viele Fehler enthält, Sie darin Personen mit unzutreffenden Vorwürfen belegen, das deutsche Rechtssystem mit fragwürdigen Argumenten als dem amerikanischen überlegen darstellen, sich anmaßen, für die Mehrheit der deutschen Strafrichter sprechen zu können und nicht zuletzt eine Art Verhör mit JS durchführen, bei dem ganz offensichtlich die Fragen JS vorab bekannt waren und bei dem Sie definitiv nicht so nachhakten, wie es ein unabhängiger Richter in einem echten Prozess machen würde (genau das soll aber suggeriert werden). Mit einem Kreuzverhör hatte das nun wirklich nichts zu tun. Das alles wurde hier in den letzten 3 Wochen auch näher aufgedröselt und mit vielen Beispielen belegt. Es kann nicht sein, dass jemand der amerikanischen Polizei und Justiz schlampige Arbeit vorwirft, aber dann selbst lauter Fehler macht. Auch @Encomium hat auf einige der Fehler hingewiesen.
Überzeugung.
Die Kritik müssen Sie sich gefallen lassen. Immerhin waren auch Sie es, der als ranghoher Richter JS in einem deutschen Gerichtssaal eine Bühne gegeben hat, was auf viele Amerikaner mehr als irritierend wirken und für diese auch ein gewisses Bild auf die deutsche Justiz werfen dürfte. Dabei vertreten Sie wohl auch in der deutschen Justiz eine ziemliche Einzelmeinung zu dem Fall.
IamInnocent schrieb:Wenn man aber dann so tut als verhöre und urteile man (noch dazu als wirklicher Richter) über eine Person, sollte man auch auf offensichtliche Widersprüche oder Unklarheiten in den Antworten reagieren (die gab es von JS mehrfach) und diese nicht einfach unkommentiert im Raum stehen lassen - das trägt sonst nicht wirklich zur Wahrheitsfindung bei und wirft im Übrigen auch kein gutes Licht auf das deutsche Rechtssystem. So sieht es wirklich ganz danach aus, als soll hier nur jemandem eine Bühne gegeben werden, um sich so „quasi-juristisch“ reinzuwaschen.Genau so ist es.
Ralphgr schrieb:Ich glaube, dass tatsächlich die Sicht auf den Fall Jens Söring in seiner Komplexität und äußeren Beeinflussung keinen natürlichen Aufklärungsbeitrag mehr leisten kann. Er bleibt unaufgeklärt.Der Fall wurde aufgeklärt und über alle amerikanischen Instanzen bestätigt. Man stelle sich mal vor, ein Urteil das Landgerichts Hannover würde vom BGH bestätigt, am besten noch erfolglose Verfassungsbeschwerde hinterher und dann kämen amerikanische Politiker, Journalisten, Richter und Anwälte und würden behaupten, die deutschen Gerichte hätten ja nur Mist gemacht und der Fall sei noch unaufgeklärt. Fände man hier bestimmt auch nicht witzig.
Ralphgr schrieb:Mein Focus liegt auf dem Tatkerngeschehen. Und never ever ist das mit einem Einzeltäter vereinbar.Es wäre das eine, wenn Sie sagen, dass Sie aufgrund der Tatortbefunde nicht von einem Einzeltäter ausgehen. Aber zu sagen, dass sie sogar unvereinbar mit einem Einzeltäter seien (eine Alleintäterschaft also ausgeschlossen sei), ist einfach unseriös. Anders kann man das leider nicht bezeichnen.
Ralphgr schrieb:Wir Menschen sind Produkte unserer Umgebung. Und das gilt auch für Straftaten. Sie haben die Bilder aus der Obduktion der Opfer nicht gesehen. Deshalb verstehe ich Ihre Empörung. Sie ändert aber nichts daran, dass man sich mit der Bereitschaft zu töten in diesem Ausmaß hätte näher und auch sachverständig auseinandersetzen müssen.Selbst wenn man das noch ausführlicher gemacht hätte (zumindest ein psychiatrisches Gutachten lag ja sehr wohl vor), was hätte das denn ändern können?
Er ist bei weitem nicht der erste und einzige, der trotz Herkunft aus einem „Premiumhaushalt“ und objektiv guter Zukunftsperspektive eine schreckliche Tat begangen hat. Und dass die Tat out of nowhere passiert sei und es keinerlei Anhaltspunkte für starke Gewaltfantasien gegeben habe, kann man aufgrund der Briefe ja nun auch nicht ernsthaft behaupten. Einen ernstzunehmenden Sachverständigen, der sich zu der Aussage hätte hinreißen lassen, dass JS die Tat wegen seiner Persönlichkeit nicht hätte begehen können, hätte man niemals gefunden. Solche Aussagen kann man nämlich nicht sinnvoll treffen.
Ganz interessant in dem Zusammenhang übrigens auch das Zitat von Anabel H. aus dem Podcast System Söring, wonach er im jüngerer Zeit (ich glaube über die Mitarbeiter eines forensischen Instituts) gesagt haben soll, die gehörten alle mit einer AK47 erschossen. Finden Sie so eine Aussage normal für jemanden, der angeblich keiner Fliege etwas zuleide tun kann?
Ralphgr schrieb:Ich habe hier keine Überzeugung. Und die Argumente von Andrew sind nachvollziehbar. Aber, unabhängig davon bleiben aus meiner Sicht, insbesondere wegen des Tatkerngeschehens Zweifel an dem Schuldspruch.Das ist legitim, bedeutet aber nicht, dass andere diese Zweifel auch haben müssen. Die Jury hatte sie nicht und es kommt auch in Deutschland vor, dass Strafkammern Menschen verurteilen, obwohl Außenstehende noch Zweifel haben könnten. Das ist letztlich fast immer so. Auch im Landgericht Hannover.
Ralphgr schrieb:Meine interkontinentale Differenz liegt in der Politisierung des Rechts.Das stimmt nicht. Sie haben mit sehr fragwürdigen Argumenten noch ganz andere Punkte am amerikanischen Rechtssystem angeprangert.
Ralphgr schrieb:Weshalb keine Schusswaffe?Weil es nunmal ein Messer war. Die Frage führt doch zu nichts. Man wird sie nicht endgültig klären können, aber das hindert sicher nicht an einem Schuldspruch.
Ralphgr schrieb:Weshalb der Overkill, sollte die Tat geplant gewesen sein. Weshalb keine Schusswaffe? Was weiß man über die Gewaltbereitschaft von Jens Söring in seiner kindlichen und jugendlichen Entwicklung. Hier wären Feststellungen möglich und unabwendbar gewesen.Ja, aber es ist trotzdem eine Nebelkerze. Selbst wenn man weder in Bezug auf JS oder EH solche Feststellungen hätte treffen und keine der Fragen hätte beantwortet werden können, war nunmal einer von beiden der Mörder. Und deshalb auch aufgrund weiterer Indizien ein Schuldspruch möglich. In den USA wie auch in Deutschland.
Ralphgr schrieb:Fakt ist, dass es keine forensischen Beweise am Tatort gibt, die Jens Söring zuzuordnen sind.Doch, Blut der Blutgruppe 0 an Stellen, die exakt zu seinen Geständnissen passen. Dieses Täterwissen kann er nicht von EH gehabt haben, also muss es eigenes gewesen sein. Oder man glaubt ernsthaft, es handelt sich um einen Zufall (neben den ganzen anderen Indizien), aber die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte gefühlt bei 1:100.000 liegen. Und so eine geringe Wahrscheinlichkeit hindert auch kein deutsches Gericht an einem Schuldspruch. Vielmehr besteht immer, in jedem Strafverfahren, eine gewisse Restwahrscheinlichkeit dafür, dass alles ganz anders gewesen ist.